Jährlich 600 Millionen Euro hat der Bund den Ländern im Vorjahr für kleinere Umbauarbeiten des Gesundheitssystems versprochen. Das übergeordnete Ziel war vorgegeben, nämlich „ambulant vor stationär“, die Details wurden ab Jänner verhandelt. Die Gespräche zogen sich lange, was einerseits an der Komplexität des heimischen Systems lag, andererseits aber auch einem Konflikt zwischen Bund und Ländern geschuldet war. Am Freitag wurden ein Kompromiss präsentiert – und zudem ein nationales Impfprogramm initiiert.
Das heimische Gesundheitssystem ist besonders spitalslastig. Allein in Niederösterreich gibt es 27 Krankenanstalten, in ganz Dänemark sind es nur 18. Die stationäre Behandlung gilt jedoch als die teuerste Medizin, was angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft seit Jahren eine erhebliche Kostendynamik bedingt.
35 Prozent der Mittel für „alte“ Projekte
Bei der Verlagerung dieser Leistungen in den niedergelassenen und spitalsambulanten Bereich, wo medizinisch möglich und sinnvoll, ist Österreich international im Hintertreffen. Und auch innerhalb des Landes gibt es zwischen den Bundesländern Unterschiede. Damit nicht jene, die bereits Maßnahmen gesetzt haben, durch die Finger schauen, können 35 Prozent des frischen Geldes vom Bund für bestehende Projekte verwendet werden. Das sind zum Beispiel Förderungen für Gesundheitszentren oder Ambulanzen für Allgemeinmedizin in den Spitälern.
Formal beschlossen wurde der Kompromiss in der Bundes-Zielsteuerungskommission, in der neben Bund und Ländern auch die Sozialversicherung sitzt. Diese erhält 300 Millionen Euro pro Jahr vom Finanzminister und darf ebenfalls zum Teil alte Projekte anrechnen, allerdings nur zu 10 Prozent. (Die genauen Maßnahmen auf Länderebene sind nun Aufgabe der Landes-Zielsteuerungskommission).
Impfprogramm wird neu aufgesetzt
„Der nun vorliegende Beschluss unterstützt unseren steirischen Weg: Wir wollen die Gesundheitsversorgung in allen Regionen des Landes ausbauen, wo immer wir können“, sagt der steirische Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP). Kärntens Landesrätin Beate Prettner (SPÖ) sieht die „Basis für zahlreiche Maßnahmen der Kärntner Gesundheitsstrategie gelegt“. Der Bund hat sich ausbedungen, dass gemeinsam ein Jahresprogramm erarbeitet wird, das dann einer ständigen Kontrolle unterworfen wird.
90 Millionen Euro fließen jährlich in ein Impfprogramm, zunächst gegen Grippe und HPV, 51 Millionen Euro stehen für Digitalisierungsprojekte zur Verfügung. Dabei geht es primär um den Ausbau der Gesundheitshotline 1450 sowie Vorbereitungen für Video- und Telemedizin. „Wir haben gute Erfahrungen mit 1450 gemacht. Das System hat gezeigt, was es kann und welches Potenzial darin liegt“, so Peter Hacker (SPÖ), Gesundheitsstadtrat in Wien. Die Idee ist, dass im Krankheitsfall der erste Kontakt telefonisch bei 1450 erfolgt, um die Patienten besser (und auch kostengünstiger) durch das Gesundheitssystem zu lotsen.
Keine Ziele bei Impfquote
Beim Impfen ist nun erstmals eine Einigung der Systempartner gelungen. Bei Grippe wird der Selbstbehalt (etwa 7 Euro) entfallen, die Impfung gegen Humane Papillomaviren wird bis zum 30. Lebensjahr gratis sein. Bei der jährlichen Influenza-Impfung ist Österreich westeuropäisches Schlusslicht. Vor der Pandemie waren unter 20 Prozent der über 65-Jährigen geimpft, in Dänemark fast 80 Prozent. Eine konkrete Impfquote hat man sich nicht vorgenommen. „Das wichtigste Ziel ist, besser zu werden“, sagt Hacker.
Für Peter Lehner, Chef der Sozialversicherungsträger, stellt der Kompromiss „zwei große Weichenstellungen für die Transformation“ dar, erstens durch das neue öffentliche Impfprogramm in Richtung Prävention statt Reparaturmedizin, zweitens würden nun wichtige Schritte zur digitalen Transformation genommen.