Es gibt Politiker und Politikerinnen, denen fliegen die Herzen zu, einfach so. Politik ist eben oft eine Bauchsache. Und dann gibt es Politiker wie Wolfgang Sobotka.
Der 68-jährige Niederösterreicher aus Waidhofen an der Ybbs hat seit Jahren ein Fix-Abo auf den letzten Platz im Vertrauensindex von APA und OGM. Und das als Präsident des Nationalrats, als Nummer zwei der Republik. Zumindest bisher ging damit auch die Erwartung einer gewissen Überparteilichkeit einher. Heinz Fischer und Barbara Prammer (beide) verhalf das Amt zu Popularität über ihre Partei hinaus.
Sobotka dagegen ist ein Politiker, dem es um Gestaltungsspielraum geht. Das stößt viele vor den Kopf. Bevorzugt in den Untersuchungsausschüssen der vergangenen Jahre, wo er selbst dann auf seinem Vorsitz beharrte, wenn es gegen die ÖVP und ihn selbst ging.
Wie man in einen Wald hineinruft, so schallt es auch zurück. Als Fan des Jägerballs weiß das der Mostviertler. „Sobotka geht – Österreich atmet auf!“, kommentierte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Für SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer „verkörpert Sobotka die niederösterreichische ÖVP“. Dazu muss man wissen, dass in Wiener Politikzirkeln Niederösterreichs VP als Synonym für selbstherrliches Drüberfahren gilt. Krainer: „Er glaubt, er kann einfach alles selbst so bestimmen, wie er es für richtig hält, ohne Rücksicht auf Gesetze und Usancen.“
Einen anderen Aspekt spricht die Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli an: „Er hat überall seine Finger drinnen und ist innerhalb der Regierung ein extrem starker Netzwerker.“ Auch das ist eine Konstante in Sobotkas Karriere: Ämter sind für ihn ein Hebel, seinen Einfluss auszuweiten. Das war schon so als mächtiger Finanzlandesrat in Niederösterreich und später auch als Innenminister, wo er die Axt an die rot-schwarze Koalition von Christian Kern mit anlegte und so einer der Wegbereiter für Sebastian Kurz wurde.
Ein Abgang als Vorbote?
Dabei war Sobotka, was seine Sozialisation und seinen Habitus angeht, der am wenigsten Türkise unter allen Türkisen.
Aus der ÖVP ist zu hören, der Abgang habe sich angedeutet. Ob er wirklich ein Mandat auf der Bundesliste bekommen hätte? Man hätte es ihm nicht verweigern können, wenn er es unbedingt gewollt hätte, sagt einer. Auch in den eigenen Reihen fürchten ihn manche. Allerdings erntet er auch viel Bewunderung für sein Geschick, seinen Willen – und damit auch oft den seiner Partei – durchzusetzen.
Der Machtpolitiker erzählt nicht die ganze Geschichte. „Sein Eintreten für jüdisches Leben, für die Sicherheit von Juden und Jüdinnen in Österreich, Europa und Israel sowie sein Engagement gegen Antisemitismus war immer absolut ehrlich und glaubwürdig. Seine Kompromisslosigkeit in diesen Fragen verdient absoluten Respekt“, sagt der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch. Diesem Engagement zollen auch Krainer und Tomaselli Anerkennung.
Gärtner, Musiker, Familienmensch
Und dann gibt es auch den Hobbygärtner, der sogar nachts mit Stirnlampe im Boden gräbt, und Dirigenten Sobotka, der Geschichte, Violoncello und Musikpädagogik in Wien studierte und mehr als 25 Jahre an der Musikschule seiner Heimatstadt unterrichtete. Aus einer ersten Ehe hat er vier Kinder, seine Frau starb 1999. Mit seiner zweiten Ehefrau hat er vier weitere Kinder, zwei von ihnen hat seine Frau in die Ehe mitgebracht. Ein Kind ist auf einen Rollstuhl angewiesen.
Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten. Kaum war die Kunde vom Abgang in der Welt, kursierte die Spekulation, er könnte als Präsident der Politischen Akademie weitermachen.