Eine Woche vor der EU-Wahl hat sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an die kommende EU-Kommission gerichtet und ein Aus vom Verbrenner-Aus gefordert. Dieses war im Vorjahr auf europäischer Ebene beschlossen worden – allerdings mit Ausnahmen. Ab 2035 sollen keine neuen Benzin- und Dieselautos mehr zugelassen werden dürfen, wohl aber noch solche mit CO₂-freien Kraftstoffen (E-Fuels). Das hatten unter anderem Deutschland und Österreich in den Verhandlungen durchgesetzt.
Diese Position vertrat Nehammer auch am Montag nach einem Treffen mit Vertretern der Industrie, Wirtschaftsminister Martin Kocher sowie mit Landeshauptmann Christopher Drexler, der auf die hohe Bedeutung der Mobilitätsindustrie in der Steiermark verwies. Im Jahr 2026 sei eine Evaluierung vorgesehen, im Zuge dessen soll die Regelung am besten gleich gekippt werden. Ob dies auch bedeute, dass nach 2035 auch neue Benziner erlaubt sein sollen, beantwortete der Kanzler auf Nachfrage nicht.
Auch von der Leyen macht Tür auf
Dass auch auf EU-Ebene, zumindest in Wahlkampfzeiten, in Sachen Verbrenner-Aus wieder Bewegung hineinkommt, war zuletzt auch Aussagen der Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu entnehmen. Die Spitzenkandidatin der konservativen EVP-Fraktion sagte: „Technologieoffenheit und Wahlmöglichkeiten für Verbraucher sollen weiterhin sichergestellt werden.“
Die Technologieoffenheit sprachen auch Nehammer, Kocher und Drexler an, zogen dieses Thema über die Autoindustrie hinaus. Der Kanzler forderte von der EU eine generelle „Regulierungspause“. Die ökonomischen Überlegungen hinter dem Begriff lieferte dann Wirtschaftsminister Kocher. Um die Transformation zu bewältigen, brauche es „mehr Wachstum, um Investitionen zu tätigen“, betonte der ehemalige Wissenschaftler und IHS-Direktor. Gerade die Industrie aber schwächelt, übrigens nicht nur in Österreich.
Mehr Bürokratie durch Regulierungen
Durch die zuletzt sehr vielen EU-Regulierungen sei die „Flexibilität eingeschränkt worden“, sagte Kocher. Immer mehr Ressourcen würden in Bürokratie fließen, der ebenfalls anwesende Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein, sprach gar von einem „Bürokratie-Tsunami“. Sehr allgemein formulierte Kocher: „Jede Entwicklung, die produktive Kräfte von Innovation abzieht, ist nicht sinnvoll.“
Die Sorge, dass eine Transformation im Verkehrsbereich zur E-Mobilität die heimische Industrie negativ betreffen könnte, sei nicht unberechtigt, sagt Wifo-Ökonom Michael Böheim. Wesentliche Teile der heimischen Zulieferindustrie haben sich auf den Verbrennermotor spezialisiert. Neuausrichtungen seien möglich, aber eben teuer – und in Zeiten industrieller Rezession schwierig. „Eine Wirtschaft, die nicht wächst, macht es nicht leichter“, sagt Böheim. Nehammer formuliert es so: „Das Verbrenner-Aus gefährdet Arbeitsplätze.“
Die Aussage teilt Böheim allerdings in dieser Schärfe nicht. Bis 2035 sei noch Zeit. In Zukunft werde die Ausbildung nicht mehr auf Verbrennungsmaschinen ausgerichtet sein, Fachkräfte werden in andere Branchen wechseln, sodass „mittelfristig keine Arbeitslosigkeit aufgebaut“ werde. Transformation findet auch auf dem Arbeitsmarkt statt. „Was die Autoindustrie aber zu Recht fordert, ist Planungssicherheit“, sagt der Wifo-Ökonom. „Einmal hü, einmal hott, einmal Verbrenner-Aus, dann wieder nicht, ist sicher nicht hilfreich.“