An den im Dezember 2020 vom Wiener Landesgericht für Strafsachen über Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und weitere prominente Angeklagte gesprochenen Urteilen im sogenannten Buwog-Prozess ist nach Einschätzung der Generalprokuratur in den zentralen Punkten nicht zu rütteln. Die höchste Staatsanwaltschaft der Republik, die als Rechtswahrerin auftritt, empfiehlt dem Obersten Gerichtshof (OGH), die erstinstanzlichen Schuldsprüche im Kern zu bestätigen.

„Die Generalprokuratur hat zu den acht erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten vor Kurzem eine umfangreiche, 160 Seiten umfassende Stellungnahme an den Obersten Gerichtshof erstattet. Nach Ansicht der Generalprokuratur wäre das Urteil sozusagen im Kern wegen ergangener Untreueschuldsprüche im Wesentlichen zu bestätigen“, sagte der Sprecher der Generalprokuratur, Martin Ulrich, am Montag im Gespräch mit der APA, nachdem die Stellungnahme den Verteidigern der Betroffenen zugestellt wurde. „Im Detail empfiehlt die Generalprokuratur, außer zu einem Angeklagten alle Untreueschuldsprüche zum Buwog-Komplex und darüber hinaus zu allen davon betroffenen Angeklagten alle Untreueschuldsprüche zum Terminal-Tower-Komplex zu bestätigen“, präzisierte Ulrich. Weiters zu bestätigen wären „auch zu verschiedenen Angeklagten ergangene Schuldsprüche wegen unterschiedlicher, teils als Beteiligter begangener Begleitdelikte und Verschleierungshandlungen“, stellte der Behördensprecher fest.

Verurteilung vor dreieinhalb Jahren

Grasser war vor dreieinhalb Jahren in einem Aufsehen erregenden Prozess nach 169 Verhandlungstagen wegen Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme in der Buwog-Affäre zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Verfahrensgegenständlich war Korruption im Zusammenhang mit der Privatisierung von 60.000 Bundeswohnungen der Bauen und Wohnen GmbH (Buwog) durch den damaligen FPÖ-Finanzminister sowie Vorgänge in der Causa Linzer Terminal Tower. Im Laufe des Verfahrens wurden weitere kleinere Anklagen im Zusammenhang mit der Telekom-Affäre in die Verhandlung miteinbezogen. Am Ende wurden neben Grasser auch der ehemalige FPÖ-Politiker Walter Meischberger, der Ex-Lobbyist Peter Hochegger und Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics verurteilt, die sieben, sechs und zwei Jahre ausfassten.

Die Generalprokuratur hatte die von diesen vier prominenten Männern und weiteren vier Angeklagten – darunter neben einem Anwalt und einem Schweizer Vermögensverwalter der Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer sowie Ex-RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer – gegen ihre jeweilige Verurteilung eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerden zu prüfen. In ihrem Croquis kommt die Behörde zum Schluss, dass die Untreueschuldsprüche zum Buwog-Komplex mit einer Ausnahme – diese betrifft Starzer – sattelfest sind. Der OGH ist zwar nicht an die Stellungnahme der Generalprokuratur gebunden, im Regelfall werden deren Stellungnahmen aber beachtet, da sie von ausgewiesenen Expertinnen und Experten nach eingehender Begutachtung erstellt werden.

Im konkreten Fall umfasste der von der Generalprokuratur zu prüfende Akt 58 Kisten. Allein der Buwog-Komplex zählte 5200 Aktenstücke, wie die Behörde in einer Medienerklärung mitteilte. Das erstgerichtliche schriftliche Urteil war 1280 Seiten stark, die dagegen vorgebrachten Rechtsmittelvorbringen insgesamt 1141 Seiten.

Ähnliches für Meischberger, Hochegger und Co

Hinsichtlich Karl-Heinz Grasser sollten nach Dafürhalten der Generalprokuratur auch die Schuldsprüche in den Anklagepunkten Geschenkannahme durch Beamte in Bezug auf die Buwog-Causa und den Terminal-Tower-Komplex sowie wegen Fälschung eines Beweismittels halten. In einem Nebenaspekt wird jedoch die Aufhebung eines Schuldspruchs wegen Beteiligung an der Fälschung eines Beweismittels empfohlen. Dabei geht es um angebliche Verschleierungshandlungen in Form von schriftlichen Verträgen. „Aus unserer Sicht lässt sich aus dem Urteil nicht konkret feststellen, wie Grasser dazu mit Tathandlungen beigetragen hat. Da fehlt ein konkreter Sachverhaltsbezug“, erläuterte Generalanwalt Ulrich gegenüber der APA. Außer diesem einen Schuldspruch hatte die Behörde in Bezug auf Karl-Heinz Grasser an den erstgerichtlichen Feststellungen aber keinen Makel gefunden.

Ähnliches gilt für Meischberger, Hochegger und Petrikovics. Bei Meischberger sieht die Prokuratur lediglich einen Makel an den Feststellungen zur Beteiligung an der Bestechung im Terminal-Tower-Komplex, bei Petrikovics am Vergehen der Bestechung in der Buwog. Die Schuldsprüche wegen Untreue und Geschenkannahme werden bei diesen beiden aber ebenso wenig beanstandet wie bei Hochegger, bei dem allerdings im Telekom-Komplex ein nicht berücksichtigtes Beweismittel zum Tragen kommt. Auch zur Bestechung im Buwog-Strang und zu einer Unterschlagung sowie einer Falschaussage in einem parlamentarischen U-Ausschuss im Jahr 2012 gibt es bei Hochegger Feststellungsmängel, sodass in diesem Umfang die Aufhebung der Schuldsprüche empfohlen wird.

Nichtigkeitsbeschwerde

Sollte der OGH bei der Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerden – Termin für den vermutlich öffentlichen Gerichtstag gibt es noch keinen – der Generalprokuratur folgen, würden die erstgerichtlichen Feststellungen zu den zentralen Vorwürfen in Rechtskraft erwachsen. Jedoch wäre zu den mit Mängeln behafteten, Seitenstränge des Verfahrens betreffenden Feststellungen eine Urteilsaufhebung vorzunehmen und in diesen Punkten eine neue Verhandlung am Wiener Landesgericht anzuberaumen. Als Folge davon wären auch die ursprünglichen Strafaussprüche obsolet, die Strafen müssten am Ende einer neu durchzuführenden Hauptverhandlung neu festgesetzt werden. Das heißt, Grasser, Meischberger und Co könnten sich zumindest Hoffnungen auf eine Strafreduktion machen.

Gänzlich im Recht sieht die Generalprokuratur übrigens die Nichtigkeitsbeschwerde von Ex-RLB-OÖ-Vorstand Starzer, der in erster Instanz drei Jahre Haft ausgefasst hatte. Bei ihm wird die vollumfängliche Aufhebung des Urteils und eine neue Verhandlung wegen Untreue und Bestechung im Buwog-Verfahrensstrang empfohlen. Auch bei Ex-Telekom-Vorstand Fischer regt die Generalprokuratur eine Aufhebung seiner Untreueverurteilung – prozessgegenständlich war unter anderem das Sponsoring einer Gala – an.