Die Europawahlen sind noch gar nicht geschlagen, in den Parteizentralen sind allerdings längst die Vorbereitungen für die Nationalratswahl am 29. September angelaufen. Viel steht auf dem Spiel, umso größer ist die Nervosität. Der ÖVP droht der Verlust des Kanzleramts, die SPÖ will endlich wieder im Chefsessel Platz nehmen. Die Freiheitlichen wollen so stark abschneiden, dass sie bei der Regierungsbildung nicht ignoriert werden können. Die Grünen fürchten die Verbannung auf die Oppositionsbank, die Neos wollen nach zehn Jahren endlich auf die Regierungsbank wechseln - im Rahmen einer Dreierkoalition. ÖVP, SPÖ, FPÖ erheben Anspruch auf das Kanzleramt.

Die formellen Beschlüsse über die Auflösung des Nationalrats und die Abhaltung von Wahlen dürften unmittelbar nach der EU-Wahl getroffen werden. Mitte Juni sind zwei Plenarsitzungen (12. und 13. Juni) anberaumt, der Stichtag fällt auf den 9. Juli. Regierung, Parlament, Bundespräsident müssen eng aufeinander abgestimmt in Aktion treten. 

Spitzenkandidaten touren im September durch TV-Studions

So wie in der jüngeren Vergangenheit werden die Spitzenkandidaten in den letzten vier Wochen vor der Wahl, also im September, nur noch selten die Bundeshauptstadt verlassen, weil die Terminkalender mit Konfrontationen und Diskussionen in den TV-Sendern ORF, Puls 24, Servus, Oe24,Krone-TV zugepflastert sind.

ORF-Sommergespräche von Martin Thür moderiert

Im August sind die Spitzenkandidaten im ORF zu den traditionellen Sommergesprächen - diesmal moderiert von Martin Thür - eingeladen. Auf Basis des Objektivitätsgebots, dem der ORF verpflichtet ist, beginnt der Interviewreigen mit der Vertreterin der kleinsten Parlamentspartei, Beate Meinl-Reisinger, die Reihenfolge orientiert sich am Kräfteverhältnis im Parlament - in umgekehrter Weise: Nach der Neos-Chefin folgen Werner Kogler (Grüne), Herbert Kickl (FPÖ), Andreas Babler (SPÖ) und schließlich der Chef der mandatsstärksten Partei, Kanzler Karl Nehammer (am 2. September).

Jeder gegen jeden lautet bei ORF und Puls 4 die Devise

In der Hochphase des Wahlkampfs werden die Spitzenkandidaten auch diesmal wieder in Elefantenrunden (mindestens drei) wie auch in Duellen argumentativ aufeinanderprallen. Jeder gegen jeden lautet bei den Konfrontationen die Devise. Puls 4 bittet zum kurzen Speed-Dating, im ORF sind unter dem Slogan „2 im Gespräch“ pro Duell 35 bis 40 Minuten eingeplant. Bei den Duellen im ORF sollen an einem Abend jeweils zwei Paarungen über die Bühne gehen, von den fünf Kandidaten darf einer pausieren. 

SPÖ sehr verwundert über Terminkalender

Das letzte Duell geht am Montag vor der Wahl in ORF-2 über die Bühne. Dem Vernehmen nach sorgen die vom ORF angesetzten Paarungen für gröbere Verstimmung in der SPÖ-Parteizentrale, prallen doch, so der Plan, ÖVP-Chef Karl Nehammer und FPÖ-Chef Herbert Kickl aufeinander. SPÖ-Chef Andreas Babler darf sich mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger matchen. Bekanntlich will ÖVP den Wahlkampf zu einer Auseinandersetzung zwischen Vernunft und Unvernunft, Hausverstand und Hetze, Gut und Böse, Nehammer gegen Kickl, hochstilisieren. Dass beim letzten, wahrscheinlich quotenstärksten ORF-Duell ausgerechnet Nehammer und Kickl, miteinander diskutieren, erachtet man in der Löwelstraße nicht nur als Kotau vor der ÖVP, sondern auch als Verletzung des Objektivitätsgebots. Der Papierform nach müssten die Spitzenkandidaten der zwei stimmenstärksten Parteien, also Nehammer und Babler, aufeinandertreffen. Orientiert man sich an den Umfragen, müsste die Paarung Kickl gegen Babler lauten. In allen 32 Umfragen, die seit 1. Jänner das Licht der Welt erblickt haben, lag die FPÖ auf Platz eins. 24-mal lag die SPÖ auf Platz zwei, nur dreimal die ÖVP. Fünfmal lagen SPÖ und ÖVP gleichauf.

Letztes Wort noch nicht gesprochen, so der ORF

Im ORF will man dazu offiziell nicht Stellung nehmen, hinter vorgehaltener Hand heißt es nur, das letzte Wort sei bei der Festsetzung der Paarungen noch nicht gesprochen.