Seit mehr als drei Wochen, seit dem 7. Mai,  hält die Causa Schilling die Innenpolitik in Atem. Der „Standard“ hatte in einem Artikel Anfang Mai schwere Vorwürfe gegen die Spitzenkandidatin der Grünen erhoben. Lena Schilling habe ein „problematisches Verhältnis zur Wahrheit, spiele Personen gegeneinander aus und hinterlasse verbrannte Erde“. Garniert wurden die Vorwürfe mit Details aus ihrem Privatleben. Grünen-Chef Werner Kogler tat in einer ersten Reaktion die Anschuldigungen als „Gefurze“ ab, wofür er sich später entschuldigte. Zuletzt sprach Grünen-Geschäftsführerin Olga Voglauer von „Silberstein-Methoden“, den Vorwurf nahm sie nach ein paar Stunden wieder zurück.

Eine Abberufung der 23-Jährigen stand nie zur Diskussion, weil rechtlich seit Ende April auch gar nicht mehr möglich. In jedem Fall steht sie am 9. Juni an der Spitzen der EU-Liste der Grünen, selbst wenn Schilling freiwillig das Handtuch werfen würde, wofür es keine Hinweise gibt. Auch entscheidet einzig und allein sie, ob sie bei der konstituierenden Sitzung im Juli ins EU-Parlament einzieht oder auf ihr Mandat verzichtet.

Zwei Wochen vor der Wahl wartet eine von der Kleinen Zeitung, den Oberösterreichischen Nachrichten und den Salzburger Nachrichten in Auftrag gegebene Spectra-Umfrage mit einer Überraschung auf.Die Grünen verlieren gegenüber Umfragen vor Ausbruch der Turbulenzen etwa zwei Prozentpunkte, werden von den Neos überholt, bleiben aber zweistellig. Von einem Absturz sind die Grünen – so die Momentaufnahme – meilenweit entfernt.

„Grüne werden keinen freien Fall erleben“

Stephan Duttenhöfer, Geschäftsführer von Spectra, interpretiert die Daten wie folgt: „Ich denke, dass die Grünen keinen freien Fall erleben werden. Die DNA der Grünen ist größer als die Person Lena Schilling. Hier zieht nicht die Person die Partei, sondern hier trägt die Partei die Person – und im aktuellen Fall könnte man sogar sagen: Hier erträgt die Partei die Person.“ Düttenhofer weist allerdings darauf hin, dass Schillings jüngste Aussagen, wonach sie die Grünen immer schon gehasst habe bzw. sie nach der Wahl zur Linksfraktion überlaufen werde, nach dem Befragungszeitraum (13 bis 20. Mai), veröffentlicht worden sind

In dem Zusammenhang taucht ein Phänomen auf, das man von der FPÖ her kennt: Während die breitere Öffentlichkeit die Wände hochgeht, zeigt sich die eigene Anhängerschaft unbeeindruckt. Während fast jeder zweite Nicht-Grün-Wähler (47 Prozent) meint, die Causa Schilling werde die EU-Wahl „stark“ oder „sehr stark“ beeinflussen, gaben 69 Prozent der Grün-Wähler an, sich davon kaum oder nicht beeinflussen zu lassen.

Vorsprung der FPÖ schrumpft

In den Umfragen liegt die FPÖ weiterhin auf Platz eins, allerdings schrumpft der Vorsprung auf SPÖ und ÖVP. Demnach liegt die FPÖ bei 26 Prozent, dahinter folgen die SPÖ mit 23 und die ÖVP mit 22 Prozent. Die Neos haben laut Spectra-Umfrage gute Chancen, die Grünen zu überholen: Sie liegen bei 13 Prozent, die Grünen bei 11 Prozent. Im Rennen um Platz eins kann es angesichts der Schwankungsbreite der Umfrage (plus/minus 3,1 Prozentpunkte) noch eng werden. Duttenhöfer geht allerdings davon aus, dass die Freiheitlichen den Platz an der Spitze halten können. „Ich glaube, dass die FPÖ – Stand heute – als Erster ins Ziel gehen wird. Fraglich ist aber, wie groß der Abstand zu Platz zwei und drei tatsächlich sein wird.“

Duell zwischen SPÖ und ÖVP um Platz zwei

Um Platz zwei und drei zeichnet sich zwischen SPÖ und ÖVP jedoch ein äußerst spannendes Rennen ab. „Da ist der Ausgang völlig offen. Aktuelle spricht viel dafür, dass der Abstand nur rund ein Prozentpunkt betragen wird“, sagt Duttenhöfer. Die SPÖ habe laut Spectra-Chef aktuell möglicherweise einen leichten strategischen Vorteil, weil sie einen sehr auf Fehlervermeidung ausgerichteten Wahlkampf führe. Das Ergebnis der EU-Wahl von 2019 zu halten, wird für die Grünen jedoch schwer. Daher haben die Neos laut Spectra gute Chancen, die Grünen zu überholen. „Die Neos profitieren von einem Wählerklientel, das EU-Themen und EU-Politik generell aufgeschlossen gegenüber steht. .