Die Grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling wehrt sich weiter gegen neue, anonymisierte Vorwürfe. Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch wies Schilling energisch zurück, überlegt zu haben, nach der Wahl zur Linksfraktion zu wechseln und hat nun als Signal bei den Grünen die Parteimitgliedschaft beantragt. Schützenhilfe erhielt sie von Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer, die angebliche Verstrickungen der SPÖ und KPÖ in die „menschenverachtende Hetze“ kritisierte.
Voglauer hielt eine Verteidigungsrede für Lena Schilling. Die Grünen würden mit den absurdesten Anfragen bombardiert, dennoch: „Lena Schilling ist nicht fehlerfrei, Zeugnisse wurden verteilt, sie hat ein ‚Nicht genügend‘. Ja und? Das soll es jetzt sein? Kampagne beendet? Sicher nicht.“ Vor wenigen Wochen hätte man wirklich noch gute Daten gehabt, gesehen, „wow, mit dem Klimathema bewegen wir“, Menschen hätten wieder „gebrannt“ für die Politik. Dieses Feuer hätte Lena Schilling entzündet. Voglauer: „Wir Grünen wissen das!“ In Schilling würde ein Feuer für den Klimaschutz brennen.
Den Grünen würde diese „Show“ sehr schaden. Nützen würde es der SPÖ, „was wir hier sehen, sind Silberstein-Methoden“, es gäbe Hinweise, dass eine Kampagne liefe. Ein paar Stunden später zog Voglauer diese Aussage wieder zurück. „Ich hätte mir der Konnotation bewusst sein müssen. Für diesen Fehler bitte ich um Entschuldigung.“ Auch den in den Raum gestellten Hinweis zu mutmaßlichen Verbindungen zwischen Sebastian Bohrn Mena, der einmal kurz Mitglied der SPÖ war, und Andreas Schieder bedauerte Voglauer. „Ich habe keinen Grund, an der Redlichkeit von Andreas Schieder zu zweifeln und darum habe ich mich auch persönlich bei ihm entschuldigt.“
Kommentar
Die Gerüchte aber kämen stets von denselben paar Personen, „mitten im Kreise der SPÖ“ und „mitten im Kreise der KPÖ“, deren Spitzenkandidat ein Ex-Freund von Lena Schilling sei, erklärte Voglauer. „Ja, wir haben ein Problem, aber dieses Problem ist kampagnisiert“, meinte sie. Was die Grünen antreibe, sei die „solidarische Gemeinschaft freier Menschen in einer intakten Umwelt“. Was sich hier zusammengebraut habe, hätte immer wieder dieselben Profiteure.
Schilling: „Bin extrem wütend“
Schilling, sehr emotional: „Ich stand in den vergangenen Wochen mit verschiedenen Gefühlen vor Ihnen, beschämt, geknickt“, sie habe sich entschuldigt, aber sie sei an dem Punkt, wo es ihr reiche. Sie sei extrem wütend. Ja, sie komme aus einer Familie aus Sozialdemokraten und Kommunisten, von denen viele die Grünen ablehnen würden. Sie sei auch so gewesen, sehr kritisch gegenüber den Grünen, habe sich auch kein Blatt vor den Mund genommen. Doch: „Wenn man Klimapolitik ernsthaft machen will, macht man das mit den Grünen.“ Zum Chatausschnitt: „Sie haben nicht die Teile der Nachricht gesehen, die ich auch geschrieben habe.“ Wo sie auch geschrieben habe: „Ich glaube, ich kann lernen, wie eine Grüne zu fühlen. Und wissen Sie was, ich glaube, ich habe es gelernt.“ Weil es die einzige Partei sei, die sich für Klimaschutz einsetzen würde und die Mitglieder hätte, die in der Zivilgesellschaft kämpfen, sich engagieren würden.
Sie werde nicht zurücktreten: „Was Sie sehen werden, ist eine Kämpferinnengeschichte.“ Nicht sie habe höchst persönliche Nachrichten aus dem Zusammenhang gerissen und an Medien geschickt. Es habe von Anfang an einen „Spin“ gegeben, sie von der Kandidatur abzuhalten. Sie werde weitermachen, „und davon hält mich auch nichts und niemand ab, glaube ich“. Sie glaube an das Gute im Menschen, das habe sie in diese Situation gebracht: „Und auch das hat mich in diese Situation gebracht.“ Sie habe heute ihren Antrag auf Mitgliedschaft bei den Grünen abgeschickt. Voglauer verwies auf den bevorstehenden intensiven EU-Wahlkampf, auf den man sich nun konzentrieren werde.
Babler: „Keine Verbindung mit SPÖ“
SPÖ-Chef Andreas Babler betonte, auf entsprechende Vorwürfe in einer davor abgehaltenen Pressekonferenz angesprochen, es gebe „keine Verbindung einer SPÖ mit Lena Schilling“. Von irgendwelchen Treffen von Personen aus dem SPÖ-Umfeld mit der Spitzenkandidatin der Grünen für die EU-Wahl wisse er nichts. Er verfolge die Debatte in den Medien und verfüge über keine anderen Informationen. Und, so Babler: Er wolle sich auch nicht in Parteiinterna der Grünen einmischen. Gleichzeitig nutzte der SPÖ-Chef die Pressekonferenz, um zu betonen, dass auch er den Kampf gegen Erderhitzung mit großer Leidenschaft verfolge.
Wahlkampf läuft nicht rund
Der Wahlkampf von Lena Schilling läuft alles andere als rund. Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl sieht sich gleich mit mehreren Problemen konfrontiert. Zunächst wurde Schilling in einem Artikel des „Standard“ ein „problematisches Verhältnis zur Wahrheit“ vorgeworfen. Die ehemalige Klimaaktivistin habe oft Lügen und Gerüchte über Freunde verbreitet, so der Vorwurf. Zwei Wochen später der nächste Rückschlag für Schilling. Wieder war es der „Standard“, der veröffentlichte, dass Schilling in Chats gegen die Grünen gehetzt habe. Außerdem soll Schilling mit dem Gedanken gespielt haben, nach der EU-Wahl die Fraktion zu wechseln und damit die Grünen im Stich zu lassen. Letzteres bestreitet Schilling.
Listenplatz eins bleibt bestehen
Fest steht: Für Schilling und die Grünen ist die Affäre äußerst unangenehm. Die Partei versucht, Schilling die Mauer zu machen. Knapp drei Wochen vor der Wahl will man die Spitzenkandidatin nicht mehr austauschen – auch wenn es technisch möglich wäre. Dass Schilling selbst zurücklegt, wird ebenfalls für äußerst unwahrscheinlich gehalten.
Jedoch könnte Schilling ihr Mandat nicht annehmen und auch nicht nach Brüssel gehen. Das wäre nichts Neues. Auch Werner Kogler hatte sich 2019 nach der erfolgreichen Wahl entschieden, sein EU-Mandat nicht anzunehmen. Stattdessen bereitete Kogler seine Partei als Spitzenkandidat auf die Nationalratswahl vor, die er ebenfalls erfolgreich bestritt.
Schilling könnte es ihm gleichtun, wenn auch aus anderen Gründen. Was bleibt, ist der Listenplatz. Schilling wurde Ende Februar offiziell auf den ersten Listenplatz der Grünen für die Europawahl gewählt. Diese Liste bleibt bestehen, Schilling wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Listenerste einen Platz im EU-Parlament haben, sofern sie sich nicht selbst dagegen entscheidet. Die Wählerinnen und Wähler können Schilling jedenfalls Vorzugsstimmen geben.
Es wäre auch nicht das erste Mal. Nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos erhielt HC Strache, der als Solidaritätskandidat auf Platz 42 der FPÖ-Liste stand, 37.000 Vorzugsstimmen. Für ein Direktmandat reichten rund 33.000, doch der abgetretene Vizekanzler entschied sich schließlich, das Mandat nicht anzunehmen. Eine Entscheidung, die er später wohl bereute.