Der 17. Mai 2019 ist wohl den meisten in Österreich in Erinnerung. Am frühen Abend veröffentlichen die deutschen Medien „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ Ausschnitte einer heimlichen Aufnahme, die als „Ibiza-Video“ weltweit bekannt wird. Zu sehen sind Heinz-Christian Strache sowie Johann Gudenus, die zum Zeitpunkt der Aufnahme 2017 noch nicht Vizekanzler und FPÖ-Klubobmann waren, wie sie in einer Villa auf der spanischen Party-Insel mit einer vermeintlichen Oligarchen-Nichte unter anderem über Vereinskonstruktionen zur Umgehung der Regeln zur Parteienfinanzierung oder eine Übernahme der „Kronen Zeitung“ plaudern.

In den darauffolgenden Tagen geht alles sehr schnell. Strache und Gudenus treten zurück, die ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz drängt auch auf den Rückzug von Innenminister Herbert Kickl. Die FPÖ winkt ab, sämtliche blaue Ministerinnen und Minister werfen das Handtuch. Im Herbst sollen Neuwahlen stattfinden, bis dahin will Kurz mit einer rein türkisen Übergangsregierung weitermachen. Doch diese überlebt nur wenige Tage, am 27. Mai 2019 wird sie mittels Misstrauensvotum im Nationalrat abgesetzt – der erste und bislang einzige erfolgreiche Misstrauensantrag in der Geschichte der Zweiten Republik. Währenddessen feiert der Party-Hit „We‘re going to Ibiza“ der „Vengaboys“ aus dem Jahr 1998 sein Comeback in den österreichischen Charts.

Neos vermissen Reformen

Fünf Jahre später sieht Niki Scherak, stellvertretender Klubobmann der Neos, Österreich „immer noch meilenweit von sauberer Politik entfernt“. So seien etwa Parteispenden „am Rechnungshof vorbei“ weiter möglich, das Informationsfreiheitsgesetz, das 2025 in Kraft tritt, geht dem pinken Abgeordneten nicht weit genug. „,Ibiza‘ ist heute noch genauso möglich wie damals“, resümiert Scherak.

Die SPÖ nutzt den Jahrestag, um gegen eine etwaige Neuauflage einer Regierungszusammenarbeit von ÖVP und FPÖ zu mobilisieren. „Blau-Schwarz steht für Skandale, Korruption und Politik für die Superreichen“, wird SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim in einer Aussendung zitiert. Eine solche Koalition sei eine „Gefahr für die Demokratie und die Medienfreiheit“ und „schadet dem Land und den Leuten und dem Ansehen Österreichs.“

Zwei Drittel halten Strache-Rücktritt für gerechtfertigt

„Vor fünf Jahren hat es einen Einblick gegeben in die blaue Welt der Politik gegeben“, sagt ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker bei einer Pressekonferenz am Freitag. „Eines festzustellen: Die freiheitliche Partei ist für mich die Alte geblieben, da hat sich wenig verändert.“ Er verweist auf Ermittlungen gegen Herbert Kickl, den blauen EU-Spitzenkandidaten Harald Vilimsky, den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer sowie den steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek. Allerdings habe das Ibiza-Video auch auf die Volkspartei „mehr Auswirkung gehabt hat, als wir vor fünf Jahren vermutet hätten“, meint Stocker. „Wir haben darunter auch gelitten, wir haben auch Schaden genommen.“

Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek sind übrigens zwei Drittel der 500 befragten Österreicherinnen und Österreicher der Meinung, dass Straches Rücktritt gerechtfertigt war, 19 Prozent geben an, dass der Vizekanzler nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos nicht zurücktreten hätte müssen. Unter jenen, die sich als FPÖ-Wähler deklarieren, empfinden 42 Prozent den Rücktritt als notwendig, 45 Prozent sind gegenteiliger Meinung.