Innsbruck wird wieder „bürgerlich“, aber nicht klassisch „ÖVP-bürgerlich“: Der neue Bürgermeister heißt Johannes Anzengruber (JA - Jetzt Innsbruck). Der von seiner Partei ausgeschlossene Ex-ÖVP-Vizebürgermeister setzte sich in der Stichwahl am Sonntag gegen Amtsinhaber Georg Willi klar mit 59,59 Prozent der Stimmen durch. Willi kam auf 40,41 Prozent und muss damit nach nur einer Amtszeit seinen Sessel räumen. Die Koalitionsfrage blieb indes vorerst offen. Bei der Wahlparty am Abend tanzten die beiden Kontrahenten der vergangenen Wochen jedenfalls Hand in Hand Sirtaki.
Zuvor hatte bereits Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) per Aussendung gratuliert. Er sprach von einer „beeindruckenden Wahl zum neuen Bürgermeister“. Er sei überzeugt, dass man die Chancen und Herausforderungen „in guter Zusammenarbeit“ gemeinsam stemmen und nutzen werde können. Knapp gratulierte der bereits am 14. April ausgeschiedene „das Neue Innsbruck“-Frontmann und Ex-ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky. Mit der Wahl Anzengrubers sei der „Grundstein für einen Neuanfang in Innsbruck gelegt“: „Wichtig ist nun, dass es ein neues Miteinander im Innsbrucker Gemeinderat gibt.“
Anzengruber zeigte sich in einer ersten Reaktion „überwältigt“. „Ich werde mit Herzblut Innsbruck in eine gute Zukunft führen“, versprach der neue Bürgermeister gegenüber der APA. Der Wahlkampf sei „phänomenal, aber beinhart“ gewesen. Stichwahl-Herausforderer Willi erhielt indes Anzengrubers Dank für einen „fairen, und sachlichen Wahlkampf“. Morgen beginne er mit Koalitionsgesprächen, gab der ehemalige, 44-jährige ÖVP-Vizebürgermeister und Ex-Almwirt einen Ausblick. Beginnen werde er dabei - wie vor der Stichwahl bereits angekündigt, mit der stärksten Fraktion, also den Grünen. In der virulenten Koalitionsfrage hielt sich Anzengruber damit vorerst weiter bedeckt. Er wollte sich nicht für die von Willi favorisierte und wohl wahrscheinlichste Variante einer Mitte-Links-Dreierkoalition bzw. „Caprese-Koalition“ aus seiner Gruppierung, den Grünen und der SPÖ aussprechen. Diese kommt auf 22 von 40 Mandaten im Gemeinderat. Im Raum steht auch noch eine - unwahrscheinlichere Mitte-Rechts-Viererkoalition aus Anzengruber, der FPÖ, „das Neue Innsbruck“ und der Liste Fritz, die aber letztere bisher ausschloss.
Ebenso unklar blieb, ob „das Neue Innsbruck“ von Ex-ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky sowie die FPÖ Ressortverantwortung im Stadtsenat bekommen sollen. All das werden wohl erst die kommenden Tage und Wochen zeigen. Für Mitte Mai ist die konstituierende Gemeinderatssitzung mit der Angelobung des Bürgermeisters avisiert.
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Willi: „Hoffe, wir werden gut zusammenarbeiten“
Der unterlegene, nunmehrige Ex-Bürgermeister Willi gratulierte Anzengruber indes und zollte dessen Leistung „Respekt“. „Ich hoffe, wir werden gut zusammenarbeiten“, gab Willi zu Protokoll und erinnerte daran, dass seine Grüne Liste in der Gemeinderatswahl als stärkste Fraktion hervorgegangen und Anzengrubers „JA - Jetzt Innsbruck“ auf Platz zwei gelandet war. „Ich möchte Vizebürgermeister werden“, betone Willi auf Nachfrage erneut, in der Stadtpolitik bleiben zu wollen. Man werde nun eben „in neuen Rollen“ gemeinsam für die Stadt arbeiten, meinte Willi zu seinem Nachfolger beim Handshake unter Blitzlichtgewitter.
Dass er die Stichwahl nicht für sich entscheiden konnte, führte der ehemalige Stadtchef darauf zurück, dass es im Wahlkampf offenbar nicht gelungen sei ausreichend zu kommunizieren, welche Projekte man noch „in der Schublade“ habe. Anzengruber habe besser mobilisieren können. Er wähnte auch auf der Straße eine „andere Stimmung“. Außerdem habe Anzengruber „das Momentum des Neuen“ und einen „guten Wind“ auf seiner Seite gehabt. Einen „Trend fürs Superwahljahr“ wollte Willi vom Wahlergebnis indes nicht ablesen.
Bei der Bürgermeisterdirektwahl vor zwei Wochen hatte „Titelverteidiger“ Willi mit 22,89 Prozent noch die Nase vorn gehabt. Anzengruber kam damals auf 19,37 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag übrigens bei 51,46 Prozent und ging damit gegenüber dem ersten Durchgang am 14. April stark zurück (60,5 Prozent). Sie lag aber immer noch höher als bei der Stichwahl 2018, als nur 43,74 Prozent der Stimmberechtigten zu den Urnen schritten.
„Fortschrittskoalition oder Rückwärtsgang mit vollem Karacho“
Gratulationen an den „eindeutigen Sieger“ Anzengruber kamen von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der zu Willis Unterstützung in die Landeshauptstadt gereist war. Nun sei die Frage, ob es eine „Fortschrittskoalition“ gebe oder „Rückwärtsgang mit vollem Karacho“, spielte Kogler auf eine rechnerisch mögliche Mitte-Rechts-Viererkoalition an. Die Grünen seien immerhin stimmenstärkste Fraktion im Gemeinderat geworden, erinnerte Kogler. Folgen oder Konsequenzen für die Bundesgrünen wollte der Grünen-Chef aus dem Innsbrucker Ergebnis und dem Verlust des einzigen Bürgermeistersessels in einer Landeshauptstadt nicht abgelesen wissen. Mit einem Ergebnis wie in Innsbruck wäre man immerhin „überall vorne mit dabei“. Außerdem verwies Kogler auf die „Zersplitterung“ und die 13 antretenden Listen sowie Bewerber im ersten Durchgang. Beides sei ein „Innsbruck-Spezifikum“.
Auch die ÖVP, mit der Anzengruber schwerst im Clinch lag, gratulierte Anzengruber im Laufe des Wahlabends. „Die Innsbruckerinnen und Innsbrucker haben sich heute für eine bürgerliche Politik entschieden und der Fortsetzung des grünen Experiments eine Absage erteilt“, kommentierte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker das Wahlergebnis in einer Aussendung. Mit dieser Entscheidung sei „der erste Schritt für einen Neuanfang in Innsbruck gesetzt“ worden.