Die ÖVP-Forderung, wonach der Staatsschutz bei Nachrichten-Apps wie WhatsApp, Telegram oder Signal künftig mitlesen können soll, um Spionage und Anschlagspläne aufzudecken, wird konkreter. Um den grünen Koalitionspartner, der sich zuletzt skeptisch bis ablehnend zum türkisen Vorstoß gezeigt hatte, zu überzeugen, setzt die ÖVP offenbar auf strenge, richterliche Kontrolle. In einem Auszug eines aktuellen Gesetzesentwurfes der ÖVP, der der Kleinen Zeitung vorliegt und den Grünen übermittelt wurde, ist festgehalten, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) entscheiden soll, wessen digitale Nachrichten gelesen werden sollen.
Im Detail soll der Ablauf solcher Überwachungen so aussehen: Wenn die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) berechtigten Verdacht hegt, dass eine Person in Spionage, Terrorplanung oder andere schwere Delikte dieser Art involviert sein könnte und „alle anderen Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos“ wären, will man sich zuerst an den Rechtsschutzbeauftragten des BVwG wenden. Der soll dann binnen drei Tagen eine erste Einschätzung abgeben. Erst nach Ablauf dieser Frist oder einer entsprechenden Antwort wird ein Antrag gestellt. Und dann entscheiden die dortigen Richterinnen und Richter, ob die Überwachung zulässig ist. Laufende Kontrolle soll dann durch den unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium gewährleistet sein. Auch denkbar: Wenn sieben Tage lang keine ermittlungsrelevanten Informationen aus den Chats gesammelt werden, wird die Überwachung abgebrochen.
DSN trommelt für Freigabe, Justizministerium ablehnend
Die richterliche Absicherung zu Beginn soll aber wohl nicht nur die Grünen überzeugen, sondern auch im Staatsschutz selbst für Sicherheit sorgen. Denn die größtenteils rechtswidrige Hausdurchsuchung in der DSN-Vorgängerbehörde BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) wurde damals von einem Journalrichter telefonisch und mit offenbar unzureichender Aktenkenntnis genehmigt. Der Staatsschutz implodierte, der gute Rufe bei Partnerdiensten war dahin, eine komplette Neuaufstellung des Hauses folgte. In der DSN wird heute für eine Erweiterung der Überwachungsmöglichkeiten getrommelt, Österreich sei das letzte EU-Land ohne solcher Möglichkeiten, Kriminelle würden die „Blindheit“ des Staatsschutzes nutzen.
Die Grünen sehen das anders. Dort wird neben Datenschutz vor allem mit dem Umstand argumentiert, dass für eine solche Überwachung eine Schadsoftware auf die jeweiligen Telefone gespielt werden müsse, die Sicherheitslücken in deren Betriebssystemen nutzt. Zudem sei es widersinnig, dass nach dem Spionageskandal rund um Egisto Ott nun über eine Ausweitung der Staatsschutz-Befugnisse diskutiert werde. Im Grünen-geführten Justizministerium verweist man auf Nachfrage auf den Umstand, dass das aktuelle Papier erst kürzlich übermittelt worden sei und man Entwürfe grundsätzlich nicht kommentiere. „Allgemein kann aber gesagt werden, dass das Justizministerium das Ausnutzen und bewusste Offenlassen von Sicherheitslücken auf den Handys von Bürgerinnen und Bürgern ablehnt.“
Sollte sich die Regierung auf die Befugniserweiterung einigen, was angesichts der bereits im Herbst bevorstehenden Nationalratswahl wenig realistisch ist, läge ein effektives Mitlesen von digitalen Nachrichten aber wohl dennoch in weiter Ferne. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich am Ende der Verfassungsgerichtshof mit dieser Frage auseinandersetzen muss, ist zudem hoch. Und der hatte den ursprünglich geplanten „Bundestrojaner“ 2019 als verfassungswidrig aufgehoben.