Die namensgebende Covidfinanzierungsagentur war bisher kaum Thema im Cofag-U-Ausschuss gewesen. Am Mittwoch rückten die Coronahilfen für Unternehmen dann doch noch in den Fokus, befragt wurden Finanzminister Magnus Brunner, dessen Vorgänger Gernot Blümel (beide ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). In früheren Befragungswochen waren vor allem die Unternehmungen von Signa-Gründer René Benko im Mittelpunkt gestanden.
Benko selbst ließ sich am Mittwoch ein weiteres Mal entschuldigen und erschien tatsächlich vor einem Innsbrucker Gericht. Die SPÖ lud ihn für Donnerstag gleich noch einmal und kündigte an, die behördliche Vorführung Benkos beantragen zu wollen, die dann Ende Mai stattfinden könnte. Darauf will es Benko nun offenbar doch nicht ankommen lassen: Über seinen Anwalt sagte er am Mittwoch zu, Ende Mai vor dem Ausschuss aussagen zu wollen.
Vizekanzler Kogler erinnerte sich im U-Ausschuss an eine chaotische Anfangsphase der Pandemie. „Die Debatte war, was wir gesundheitspolitisch tun können, um möglichst viele Menschenleben zu retten“, sagte Kogler, „und irgendwo dazwischen ist dann die ABBAG-Novelle (Grundlage der Schaffung der Cofag, Anm.) dahergekommen.“ Man hätte vieles besser machen können, doch dass die Cofag konstruiert worden wäre, „um irgendwem vom Projekt Ballhausplatz zugutezukommen, kann man ihr nicht unterstellen“
Bei den Corona-Förderungen an Benko gebe es allerdings „massive Themen“, befand Kogler und bezog sich auf Medienberichte, wonach Benko üppige Förderungen für das „Chalet N“ erhalten habe. Dieses Luxusdomizil in Vorarlberg wurde offiziell als Hotel geführt, soll aber Benko und seinem Umfeld als privates Ferienhaus gedient werden. „Ich kenne keine Vorgabe, wo irgendwer etwas kriegen hätte sollen, weil er daheim wohnt, auch wenn es teuer ist“, sagte der Vizekanzler. „Dem ist nachzugehen.“
Blümel: „Verantwortung ist meine“
„Die politische Verantwortung für die Cofag ist meine“, sagte am frühen Nachmittag Blümel, der zu Beginn der Coronakrise Finanzminister war. Als man die Konstruktion für die Abwicklung der Coronahilfen schuf, habe „Chaos pur“ geherrscht, man habe noch wenig Wissen über das Coronavirus gehabt und habe auch noch nicht abschätzen können, wie lange die Ausnahmesituation andauern würde. Anfangs habe es noch keine Bedenken bezüglich einer möglichen Überförderung gegeben, die später vom Rechnungshof kritisiert wurde, gab Blümel an. Eher habe es Beschwerden gegeben, dass die Auszahlung der Hilfen zu kompliziert sei und zu lange dauere. „Erst nachdem der Umsatzersatz beschlossen worden ist, ist klar geworden, dass es in manchen Bereichen zu Überförderungen kommen könnte.“
„Ständig Verzweiflungsanrufe von Unternehmen“
Der FPÖ-Abgeordnete Wolfgang Zanger wollte wissen, ob es bei den Corona-Förderungen zu Interventionen bei Blümel gekommen sei. Das Wort Invention habe einen negativen Beigeschmack, meinte Blümel, „aber Verzweiflungsmeldungen von Unternehmen hat es ständig gegeben, denen sind wir, so oft es ging, auch nachgegangen.“ Doch die Entscheidung über Förderungen sei immer bei der Cofag gelegen.
Yannick Shetty (Neos) fragte, welche Rolle die Parteinähe bei der Besetzung der Cofag-Geschäftsführung gespielt habe. Immerhin werde einer der Geschäftsführer den Grünen zugerechnet, der andere und dessen Vorgänger der ÖVP. Den ehemaligen Cofag-Geschäftsführer Bernhard Perner habe er interimistisch bestellt, da dieser bereits Expertise aus der Abbaubeteiligungsgesellschaft des Bundes (ABBAG) gehabt habe, gab Blümel an. Der zweite Geschäftsführer, Marc Schimpel, der bis heute im Amt ist, sei von den Grünen vorgeschlagen worden. „Es war mir wichtig, dass auch der Koalitionspartner Vertrauen in diese Institution hat“, sagte Blümel, das sei am einfachsten herzustellen gewesen, in dem man den Grünen die Möglichkeit gegeben habe, eine geeignete Person vorzuschlagen. Ob die Kompetenz der ausgewählten Personen im Vordergrund gestanden sei, bohrte Shetty nach. „Das Erste ist immer die Kompetenz“, antwortete Blümel.
FPÖ-Fraktionsführer Hafenecker erkundigte sich später nach Koglers Verhältnis zu Schimpel. Dieser habe früher im Grünen Klub gearbeitet, erinnerte sich der Vizekanzler, sei aber kein Parteimitglied. Als Cofag-Geschäftsführer habe ihn ein Mitarbeiter aus dem Kabinett von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler vorgeschlagen, Schimpel sei „höchst kompetent“ gewesen. Entstamme Schimpel also dem „grünen Umfeld“, wollte Hafenecker wissen. „Die Bezeichnung halte ich für völlig zutreffend“, antwortete Kogler.
Blümel ist ein „gebranntes Kind“
Blümel wurde wiederum zu seinem Verhältnis zu Benko befragt. „Er hat ja immer wieder diese Törggelen veranstaltet, wo Gott und die Welt eingeladen waren“, erinnerte sich der frühere Minister. Bei einer solchen Veranstaltung habe er den Signa-Gründer wohl kennengelernt und „ihn dann immer wieder bei verschiedenen Gelegenheiten gesehen“. Es habe keinen intensiven Kontakt gegeben, aber er könne es nicht ausschließen, dass es auch Treffen im privaten Rahmen mit Benko gegeben habe, sagte Blümel. Daran, ob es dabei etwa um Steuerangelegenheiten oder die Änderung des Insolvenzrechts während der Pandemie ging, „habe ich keine konkreten Erinnerungen“.
Blümel betonte immer wieder, dass er Bedenken habe, „unter Wahrheitspflicht“ Dinge auszuschließen. „Ich bin ein gebranntes Kind, was U-Ausschüsse betrifft“, sagte der Ex-Minister, er habe Sorge, dass fehlende Erinnerungen zu Anzeigen fühlen könnten.
Brunner verteidigt Coronahilfen
Den Anfang hatte am Vormittag Finanzminister Magnus Brunner gemacht und die Einrichtung der Cofag verteidigt. Man nehme die Kritik, die etwa der Rechnungshof an der Konstruktion geübt hatte, ernst, doch die Hilfen seien notwendig gewesen, „um eine drohende Massenarbeitslosigkeit abzuwenden“. Ab Juni werde die Cofag nun aufgelöst, Aufgaben wie die Abwicklung von Rückforderungen werde künftig die Finanzverwaltung übernehmen. Allerdings sei die Cofag vor seiner Zeit als Finanzminister geschaffen worden, „ich habe das leider nicht mitbekommen und auch nicht mitbegleitet.“ Jedenfalls habe er keine Wahrnehmungen zu unsachlichen Interventionen.
Ausstehend sei noch die Anpassung einer Richtlinie zur sogenannten Konzernbetrachtung bei den Coronahilfen, hier hatte der Rechnungshof unter anderem massives Überförderungspotenzial geortet. Konkret geht es darum, dass in Konzernen, in denen jede Filiale formal als eigenes Unternehmen geführt wird, ursprünglich auch jede einzelne Filiale Corona-Förderungen beantragen konnte. Dazu habe man dem Koalitionspartner einen Entwurf vorgelegt, Vizekanzler Kogler habe dem noch nicht zugestimmt, gab Brunner an.
Kogler bestätigte das am Nachmittag. Man müsse „verdammt aufpassen, dass nicht eine weitere Ungleichheit manifestiert wird bei bester Absicht zur Lösung“, sagt Kogler. Man sei deshalb noch auf der Suche nach einem Kopromiss, der EU-rechts- und verfassungskonform sei.
Tomaselli fragt weiter zu Benko
Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli interessierte sich weiterhin mit den Steuerangelegenheiten von René Benko. „Ich hoffe, dass wir heute den letzten Puzzlestein vom Finanzminister überreicht bekommen, nämlich die gesamte Steuerzeche von Benko und der Signa.“ Bisher habe man nur einzelne Akten und „Fragmente“ zu nicht bezahlten Steuern des insolventen Ex-Milliardärs erhalten, „aber wir können doch ein Bild zeichnen, dass die Steuerzeche, die Rechnung beim Wirt, sehr, sehr lang ist“.
Brunner konnte die Frage nach einer Gesamtsumme nur vage beantworten. Es dürfte um einen „geringen, zweistelligen Betrag gehen“, sagte der Finanzminister. „Einen geringen, zweistelligen Millionenbetrag“, korrigierte er. Offene Steuerverfahren seien außerdem nicht Teil des Untersuchungsgegenstandes, merkte die Verfahrensrichterin an. Tomaselli versuchte trotzdem, Details zu erfragen. Sie zählte Steuerfälle auf, die im U-Ausschuss bereits behandelt wurden: der Signa-Privatjet, eine Immobilientransaktion in der Wiener Innenstadt, das Schlosshotel Igls, zwei Yachten und eine Villa am Gardasee. Ein Innsbrucker Finanzbeamte habe zudem angegeben, „dass alleine bei ihm in Innsbruck fünf bis zehn Millionen Euro vakant sind“. Sie komme somit auf mehr als zwanzig Millionen Euro Steuerschulden und wolle wissen, ob all das bereits in dem von Brunner genannten Betrag enthalten sei. „Das sind die Dinge, die bereits in den laufenden Insolvenzverfahren angemeldet wurden, es kommt immer mehr zutage“, antwortete Brunner. Für Verwirrung sorgte, dass er später von „einer niedrigen zweistelligen Millionensumme pro Insolvenzverfahren“ sprach, immerhin haben zahlreiche Signa-Gesellschaften Insolvenz angemeldet. Er wisse nicht, wie viele es insgesamt sind und könne damit auch die Steuerschulden Benkos und der Signa nicht genauer beziffern, sagte Brunner schließlich.
Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty berichtete Brunner von einer Whistleblower-Meldung, die 2022 anonym bei der WKStA eingegangen sei: Ein Hinweisgeber behauptete, Benko habe bei der IT-Abteilung der Signa eine Applikation zur persönlichen Übersicht über „Zuwendungen an Dritte“ in Auftrag gegeben. Strafrechtlich sei das nicht weiter verfolgt worden, da die Vorwürfe bereits verjährt gewesen seien. Er höre davon zum ersten Mal und habe keine Wahrnehmungen dazu, gab Brunner an.
Lücken bei der Besteuerung von Superreichen
Die SPÖ-Fraktion interessierte sich für eine Reihe von Berichten, die einige Finanzbeamte aus der Großbetriebsprüfung in den Jahren 2017 und 2018 erstellt hatten. Laut der Abgeordneten Michaela Schmidt habe sich das Finanzamt angesehen, wie gut die Besteuerung von „High Networth Individuals“, also besonders vermögender Personen, funktioniere. Man sei damals zum Schluss gekommen, dass man bei der Besteuerung vieler der dreißig reichsten Österreicher hinterherhinke, der Großteil der Privatstiftungen in mehr als 20 Jahren nicht geprüft worden sei. Die Ersteller der Berichte hätten laut Schmidt einige Reformvorschläge gemacht, um die Unternehmungen von Superreichen in Zukunft besser kontrollieren zu können. Er kenne den Bericht nicht, sagte Brunner aus und verwies auf bereits erfolgte Strukturreformen in der Finanzverwaltung. „Es ist mir nicht zu Ohren gekommen, dass es die Notwendigkeit für weitere Änderungen gibt, ich würde mich aber gerne mit der Leiterin der Großbetriebsprüfung zusammensetzen“, so Brunner.
Die Befragung Brunners endete mit einer Geschäftsordnungsdebatte. Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty wollte noch eine Frage stellen, da die zuvor vereinbarte Befragungszeit von zwei Stunden bereits überschritten war, hätte das die Zustimmung aller Fraktionen erfordert. Die ÖVP winkte ab, die anderen Fraktionen reagierten verärgert, da man an anderen Ausschusstagen mehrmals die vereinbarte Befragungszeit überschritten hatte.
Benko vor Gericht in Innsbruck erschienen
Vor Start der Befragungen hatte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker den U-Ausschuss als „ersten Schritt der Aufarbeitung der Coronaproblematik“ bezeichnet. Die Coronahilfen seien nur wegen „unverhältnismäßigen“ Coronamaßnahmen der Bundesregierung notwendig geworden, gleichzeitig sei mit der Cofag eine „verfassungsrechtliche Fehlgeburt“ außerhalb der parlamentarischen Kontrolle geschaffen worden. Man habe es mit der Einhaltung der Richtlinien bei den Förderungen „nicht so genau genommen, vor allem, wenn ÖVP-Politiker beteiligt waren“, vermutete Hafenecker. ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger widersprach: Im Rückblick gebe es Dinge, die man bei den Coronahilfen besser machen hätte können, doch die Cofag habe streng nach Richtlinie Förderungen ausbezahlt „und Hunderttausende Förderanträge professionell abgewickelt“.
Am Donnerstag, dem letzten regulären Befragungstag im Ausschuss, sind ein hochrangiger Beamter aus dem Finanzministerium sowie Ulrich Zafoschnig, einer der beiden Cofag-Geschäftsführer, geladen. Gleichzeitig hatten die Abgeordneten zuletzt mit einer Absagewelle zu kämpfen: Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer sagte ebenso ab wie die Unternehmer Sigi Wolf und Wolfgang Pierer.