Der Ermittlungsakt in der Spionageaffäre hat den Weg ins Parlament gefunden, in dem gerade zwei U-Ausschüsse tagen. Für Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty hat sich bei erster Durchsicht das Bild verfestigt, dass die FPÖ-Kontakte mit dem ehemaligen Staatsschützer Egisto Ott enger waren als von den Freiheitlichen angegeben.
Ähnlich sieht das auch Meri Disoski, grüne Fraktionsführerin im „Rot-blauen-Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“. Die bekannten Verbindungen zwischen Ott und den Freiheitlichen „gehen immer weiter rauf in der Parteihierarchie“, sagt sie im Gespräch mit der Kleinen Zeitung, diese würden auch Vertraute des ehemaligen Innenministers und heutigen FPÖ-Chefs Herbert Kickl betreffen. Die FPÖ sei „bis in die höchste Ebene von russischen Spionen unterwandert“.
Kickl: „Kenne diesen Herrn Ott nicht“
In der Vorwoche hatte der heutige FPÖ-Parteichef Herbert Kickl im U-Ausschuss unter Wahrheitspflicht gesagt: „Ich kenne diesen Herrn Ott nicht, ich habe ihn nicht gekannt und kein Interesse, ihn kennenzulernen“, sagte Kickl. Die Behauptung, dass der damalige Sicherheitssprecher im Nationalrat, Hans-Jörg Jenewein, seine „rechte Hand“ gewesen sei, sei „schlicht und ergreifend falsch“.
Auf Basis des Ermittlungsaktes, in dem eindeutige Chat-Nachrichten zu lesen seien, vermuten die Neos, dass einerseits Ott und Jenewein in „Dauerkontakt“ standen, wie Shetty sagte, und andererseits Jenewein als Fraktionsführer im BVT-Ausschuss aus dem Kabinett des damaligen Innenministers Kickls mit Akten versorgt wurde. „Er hat Akten angefordert, die er über den U-Ausschuss nicht bekommen hat“. Laut Dokumenten, die der Kleinen Zeitung vorliegen, dürften die entsprechenden Akten Jenewein zwar vorgelegen sein, waren allerdings durch eine Art Wasserzeichen als vertraulich gekennzeichnet. Der FPÖ-Politiker scheint eine Kickl-Mitarbeiterin gebeten zu haben, ihm die Dokumente ohne eine solche Kennzeichnung zukommen zu lassen, um diese in der Öffentlichkeit verwenden zu können. Insgesamt sind jedenfalls zahlreiche Chat-Kontakte zwischen Jenewein und der Kabinettsmitarbeiterin dokumentiert, neben vertraulichen Akten geht es auch um mögliche „Vorbesprechungen“ mit Auskunftspersonen.
Ott soll an parlamentarischer Anfrage mitgearbeitet haben
Auch Disoski spricht von „regen Kontakt“ zwischen Jenewein und Kickls Mitarbeiterin und bezweifelt, dass diese ohne das Wissen des Innenministers stattgefunden haben. „Handelte die Mitarbeiterin in Kickls Auftrag? Wird uns der FPÖ-Chef weiterhin weismachen wollen, dass er über die Vorgänge in seinem Kabinett nicht Bescheid wusste?“, fragt sie. Zusätzlich verweist sie auf Kontakte zwischen Ott und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Ott soll an einer parlamentarischen Anfrage Hafeneckers mitgearbeitet haben, für die Grüne ein weiteres Indiz für enge Kontakte zwischen dem festgenommenen Ex-Verfassungsschützer und der FPÖ-Spitze. Hafenecker bestreitet die Vorwürfe: Dass in die Erarbeitung parlamentarischer Anfragen Dritte eingebunden werden, sei ein „normaler Vorgang“, dass Ott an der Anfrage mitgewirkt habe, sei ihm „nicht bekannt“.
Als „größten Skandal“ sieht Shetty, dass nach dem Ausscheiden Jeneweins aus dem Nationalrat im Jahr 2019 dieser von Ott ein Jobangebot erhalten habe, bei Wirecard als Lobbyist zu arbeiten. Ob das Angebot angenommen wurde, sagte der Neos-Abgeordnete nicht. Jenewein, der mittlerweile auch aus der FPÖ ausgetreten ist, hat auf eine Anfrage der Kleinen Zeitung nicht reagiert. Jan Marsalek, der mutmaßlich Kopf der Spionage-Zelle um Ott und Ex-BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss, der auch als Berater für den einstigen Zahlungsdienstleiter Wirecard tätig war, sei zudem im „engsten Austausch“ mit Johann Gudenus gestanden, sagte Shetty auf dem Pressetermin.
Kickl soll noch einmal im U-Ausschuss aussagen
Die Neos wollen von allen anderen Parteien nun im Vorfeld der kommenden Wahl die Unterschrift unter einen „Pakt zur Aufklärung“, dass es unabhängig von der Zusammensetzung des Nationalrates ab Herbst, eine parlamentarische Aufklärung zur „Verflechtung der Verwaltung und der Parteien mit Russland“ gibt. „Es braucht diese Kontrolle“, sagte Shetty, der aber nicht näher spezifizierte, ob eine Untersuchungskommission oder ein Untersuchungsausschuss diese Aufklärung leisten soll.
Einen „Russland-Untersuchungsausschuss“ fordern auch die Grünen. Zudem kündigt Disoski an, FPÖ-Chef Kickl ein weiteres Mal im aktuell laufenden U-Ausschuss befragen zu wollen.