Es ist verwunderlich, dass sich bisher noch kein Journalist oder Publizist in Buchform der Person von FPÖ-Chef Herbert Kickl angenommen hat. Vielleicht sagt ein Aspekt der am Montag erscheinende Biografie alles über die Persönlichkeit des Protagonisten aus. Rechtzeitig vor der Wahl haben sich zwei ausgewiesene Kenner des blauen Lagers, Gernot Bauer und Robert Treichler (beide Profil), der Mühe unterzogen, hinter die Fassade des Kärntners zu blicken. Anders als bei anderen Biografien, etwa jener von Claudia Reiterer und Nina Horaczek über Strache, verweigerte Kickl das Gespräch mit den Autoren. Zu tief sitzt das Misstrauen. Im Unterschied zu Dutzenden ehemaligen und aktuellen Kickl-Wegbegleitern, die Auskunft gaben.
Kickl wuchs in einfachen Verhältnissen in Radenthein in einem unpolitischen Elternhaus („Blutgruppe null“) auf, der Großvater hatte sich allerdings 1933 bereits den Nazis angeschlossen. Kickls Vater spielte Fußball und zählt zu den wenigen Österreichern, die einmal einen Toto-Zwölfer gewonnen haben. Kickl war ein guter Schüler und fiel in der Klasse nicht nur durch seine Formulierungskunst und seinen Widerspruchsgeist, sondern auch sein Faible für Military-Look auf. Inspiriert von John Lennon legte er sich Nickel-Brillen zu. Beim Heer ging er zu den Gebirgsjägern, brach aber vorzeitig die einjährige Ausbildung ab. Auch das Philosophiestudium beendete er nie.
Kickl wettert zwar gegen das politische System, lebt aber seit 30 Jahren vom politischen System - ab 1995 als Angestellte der blauen Parteiakademie, später als Generalsekretär, Abgeordneter, Klubobmann, Minister. Politisch sozialisiert hatte ihn Jörg Haider, dem er als Reden- und Gagschreiber diente. Kickl ist - ähnlich seinem Vater - eher ein Einzelgänger, gehörte nicht zur Buberlpartie und dockte auch nicht bei den Burschenschaften an. In der FPÖ war Kickl nie für die erste Reihe bestimmt, er selbst meinte einmal, er sei lieber „im Maschinenraum als beim Kapitänsdinner.“
Die Autoren beschreiben Kickl als „grau, beherrscht, ohne Eskapaden, asketisch, rational.“ Schon vor zehn Jahren zählte er im Nationalrat zu den Bestverdienern, damals kassierte er als einfacher Abgeordneter, der allerdings auch im Sold der Wiener FPÖ stand, bereits mehr als ein Minister oder Landeshauptmann. Anders als viele anderen Politiker hält er sein Privatleben unter Verschluss. Erst 2018 heiratete er seine langjährige Lebensgefährtin Petra, die in der Volksanwaltschaft arbeitet. Sein Sohn versuchte sich als Autorennfahrer. Zur Hochzeit war niemand aus der Partei eingeladen. Kickl ist Extremsportler, nahm an mehreren Ultraläufen in Europa teil.
Das letzte Kapitel des lesenswerten Buches mit dem etwas überzeichneten Titel „Kickl und die Zerstörung Europas“ (Zsolnay-Verlag, 260 Seiten) widmet sich der Frage, wie weit Kickl als etwaiger Kanzler Österreich umbauen würde. Anders als 2000 und 2017 bereitet sich die FPÖ strategisch darauf vor - in Form von Arbeitsgruppen (von Norbert Nemeth) und mit einem blauen Headhunter (Ex-ÖBB Vorstand Schiefer). Kickl würde, so die Autoren, als eine der ersten Maßnahme den ORF an die Kandare nehmen., Steuern senken, den Asylkurs verschärfen. Vielen Wünschen sind rechtliche Grenzen gesetzt. Sofern Kickl je ins Kanzleramt einzieht.