Bisher hatte der „Rot-blaue-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss“ mit Entschlagungen und Zeugenschwund zu kämpfen, nun sollen die Befragungen Fahrt aufnehmen. Am Mittwoch und Donnerstag sind mehrere prominente Köpfe geladen, zugesagt haben unter anderem FPÖ-Chef Herbert Kickl und die blaue Ex-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein.
Gleichzeitig gewinnt der Untersuchungsausschuss angesichts der Spionage-Enthüllungen rund um den mittlerweile festgenommenen Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott an Relevanz. Dem früheren Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wird vorgeworfen, geheime Informationen und Handydaten an Moskau weitergegeben zu haben.
Grüne und Neos fordern Russland-Untersuchungsausschuss
Grünen-Fraktionsführerin Meri Disoski spricht bei einer Pressekonferenz am Dienstag von einem „Russland-Kuschelkurs“ der FPÖ. Die zum U-Ausschuss gelieferten Akten würden zeigen, dass die Freiheitlichen „als verlängerter Arm des Kremls“ in Österreich agieren würden. „Die FPÖ arbeitet seit Jahren nicht für Österreich, sondern für Russland“, sagt Disoski und fordert einen gesonderten Russland-Untersuchungsausschuss. Einen solchen, der die Russland-Verbindungen von ÖVP, SPÖ und FPÖ beleuchten soll, wünschen sich seit längerem auch die Neos. In der SPÖ ist man zumindest nicht abgeneigt, vorausgesetzt, es handle sich um einen „soliden“ U-Ausschuss mit „abgeschlossenem Untersuchungsgegenstand“, erklärt eine Sprecherin gegenüber die Kleinen Zeitung.
Dass eine Spionage-Affäre im Zentrum der Befragungen stehen würde, zeichnete sich allein aus dem Einsetzungsverlangen des „Rot-blauen-Machtmissbrauchs-U-Ausschuss“, das die ÖVP im Alleingang eingebracht hatte, noch nicht ab. Darin ist ein besonders weitgefasster Untersuchungsgegenstand formuliert, die Volkspartei wollte sich auf die Suche nach Verfehlungen in SPÖ- und FPÖ-geführten Ministerien seit dem Jahr 2007 machen. Bisher stand aber vor allem die rund eineinhalbjährige Regierungsbeteiligung der FPÖ in der türkis-blauen Bundesregierung im Fokus. Viel Zeit, rote Ministerien unter die Lupe zu nehmen, dürfte der Fraktion um Andreas Hanger nicht mehr bleiben, planmäßig enden die Befragungen nämlich bereits im Mai.
Hartinger-Klein soll Akten vernichtet haben
Bevor sich die Abgeordneten am Mittwoch den Vorgängen im mittlerweile aufgelösten BVT widmen – geladen ist die frühere Leiterin des Extremismusreferats – steht die Sozialversicherungsreform unter Türkis-Blau im Mittelpunkt. Aussagen soll dazu neben Hartinger-Klein auch Rechnungshof-Präsidentin Margin Kraker. Der Rechnungshof hatte in einem Bericht kritisiert, dass die Zusammenlegung der Sozialversicherungen zu Mehrkosten anstelle der angekündigten „Patientenmilliarde“ geführt hatte. Gleichzeitig hatten die Prüfer auf zahlreiche Akten aus Hartinger-Kleins Sozialministerium keinen Zugriff. Diese wurden als Privatakten deklariert im Staatsarchiv deponiert und sind damit für 25 Jahre gesperrt. Die ÖVP hatte sich im Vorfeld der Befragungen beklagt, dass „im großen Stil“ Akten vernichtet worden seien. Bereits im März hatte die Volkspartei Hartinger-Klein zum U-Ausschuss geladen, damals folgte allerdings eine Absage.
Am Donnerstag sind neben FPÖ-Chef Kickl selbst auch noch dessen einstiger Kabinettschef Reinhard Teufel geladen, heute FPÖ-Klubobmann im niederösterreichischen Landtag. Ebenso aussagen sollen ein Kommunikationsmitarbeiter im blauen Parlamentsklubs sowie ein Jurist im Innenministerium. Dabei dürfte es vorrangig um Kickls Zeit als Innenminister und die Vorgänge im BVT gehen.
Fraglich bleibt allerdings, wie auskunftsfreudig die Personen aus dem Umfeld der FPÖ sein werden. In der ersten Befragungswoche hatte sich Kickls ehemaliger Generalsekretär Peter Goldgruber generell entschlagen, da er an der Verfassungsmäßigkeit des U-Ausschusses zweifelte. Am Dienstag zeigen sich die Fraktionen jedenfalls zuversichtlich, dass die Auskunftspersonen – insbesondere Kickl – tatsächlich aussagen werden. „Wenn jemand sagt, er ist Volkskanzler, dann ist die Erwartung, dass er sich aktiv an der parlamentarischen Aufklärung beteiligt“, befindet Disoski.
Vor Beginn der Befragungen am Donnerstag setzte der FPÖ-Abgeordnete Thomas Spalt zum verbalen Gegenangriff an, die Spionage-Affäre werde sich als „Boomerang“ für die ÖVP erweisen. Stattdessen werde die blaue Fraktion Rechnungshofpräsidentin Kraker zur „schamlosen Selbstbereicherung an Coronahilfen“ von ÖVP-Teilorganisationen und zum Konstrukt der Covidfinanzierungsagentur (COFAG) befragen, kündigte Spalt an.