Es waren ambitionierte Ziele, die sich die EU-Staaten nach mehrjährigen Beratungen 2022 gesetzt haben. Bis 2030 will man die Anzahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen um 15 Millionen reduzieren. Auf Österreich heruntergebrochen bedeutet dies 200.000 armutsgefährdete Personen weniger. Der am Dienstag nach vierjähriger Pause wieder erschienene Sozialbericht der Regierung offenbart Nachholbedarf.
Von 2018 bis 2022 hat sich zwar die Zahl der Sozialhilfebezieher verringert, von 310.700 auf 250.000, doch bilden diese nur einen Teil der viel größeren Gruppe der armutsgefährdeten Personen ab. Die EU verfolgt eine mehrdimensionale Berechnung, bei der das Einkommen nur ein Faktor ist.
17,5 Prozent sind armutsgefährdet
Für Österreich wies die Statistik Austria 17,5 Prozent als armutsgefährdet aus – gegenüber 16,8 Prozent vor vier Jahren. Der Anstieg sei durch die Schwankungsbreite nicht signifikant, dem Zielwert von 13,4 Prozent ist man aber nicht nähergekommen. Andererseits gab es mehrere erhebliche Krisen. „Mit den Maßnahmen konnten wir das untere Einkommensdrittel kompensieren“, so Sozialminister Johannes Rauch (Grünen).
Unter den insgesamt 1,5 Millionen armutsgefährdeten Personen befinden sich aber auch 300.000, die einer Erwerbsarbeit nachgehen. Sie gelten als „working poor“. Bei Selbständigen liegen sogar 17 Prozent unter der Einkommensschwelle der Armutsgefährdung (60 Prozent des Medianeinkommens).
Diese Berechnung hat sich international durchgesetzt, bedingt aber, dass Länder mit hohem Medianeinkommen (aber auch höheren Lebenshaltungskosten) tendenziell schlechter abschneiden. Den geringsten Anteil von Erwerbsarmut weisen daher Länder wie Slowenien und Tschechien aus. Im EU-Vergleich liegt Österreich dennoch recht gut. Jüngere Maßnahmen der Regierung, darunter die Valorisierung von Sozialleistungen, haben sich noch nicht in den Zahlen niedergeschlagen.
Forderung nach mehr Mittel für das AMS
In einer gemeinsamen Studie mehrerer Institute (Wifo, Forba, WU Wien), die mit dem Sozialbericht präsentiert wurde, werden der Politik auch Empfehlungen mitgegeben. Verwiesen wird auf mehrere Untersuchungen, die die hohe Bedeutung des Erwerbseinkommens zur Armutsvermeidung darlegen.
Vor allem bei Frauen stünde einer höheren Erwerbsbeteiligung oft unbezahlte Arbeit im Haushalt im Wege, zudem könne ein schlechter Gesundheitszustand (Vollzeit-)Erwerbsarbeit verhindern. „Auch fehlende, nicht anerkannte oder nicht mehr nachgefragte Qualifikationen können zu Arbeitslosigkeit oder prekären Arbeitsverhältnissen führen“, heißt es. Und weiter: „In letzter Instanz trägt der Staat die Verantwortung, angemessene, öffentlich finanzierte Arbeitsplätze im Rahmen einer Arbeitsplatzgarantie für langzeitarbeitslose Menschen zu schaffen.“
Vorgeschlagen wird zudem eine bessere gesetzliche Regulierung von Leiharbeit und Subunternehmertum, mehr Mittel für das AMS und Kontrollbehörden, um Arbeits- und Sozialrechte besser durchsetzen zu können sowie ein notfalls gesetzlich verankerter Mindestlohn, sollte die Anhebung niedriger Löhne über der Armutsschwelle durch Kollektivvertragsverhandlungen ohne Erfolg bleiben.