Am Dienstagabend tagte der Nationale Sicherheitsrat. Anlass waren die Enthüllungen rund um Egisto Ott, den ehemaligen Mitarbeiter im Verfassungsschutz, der für Russland spioniert haben soll. Politiker, Parteien und Militärs diskutierten deshalb über eine neue Sicherheitsstrategie, im aktuellen Papier von 2013 ist noch die Rede von Russland als strategischem Partner. Vor Beginn der Sitzung des Gremiums übten Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) scharfe Kritik an der FPÖ, diese wies dies zurück. Neue Erkenntnisse drangen danach nicht nach außen. Die SPÖ will nun die sogenannte DSN-Kontrollkommission einschalten, die Neos signalisierten Zustimmung.
Es müsse eine „lückenlose“ Aufklärung sichergestellt werden, forderte Karner auch im Interview mit Armin Wolf in der ZiB2. Kritik übte er im Zusammenhang mit der Affäre an der FPÖ. Eine mögliche Verantwortung der ÖVP, die seit 24 Jahren - mit kurzer Unterbrechung - den Innenminister stellt, ließ er nicht gelten. Zu den Ermittlungen zu Ott sagte der Innenminister: „Das ist nicht meine Aufgabe“.
Auch im Netz wurde das Interview heftig diskutiert - die User waren sich über das Verhalten von Innenminister Karner einig:
Warum es sieben Jahre gedauert hat, bis Ott verhaftet wurde, blieb unklar. Ebenso wie fast alle anderen Themen, die im teilweise bizarren Interview zur Sprache kamen. Karner erklärte lieber ausführlich den korrekten Titel des Bundespolizeidirektors und warf Wolf „Täter-Opfer-Umkehr“ vor, als kritische Fragen zu beantworten.
Zu den Vorwürfen, es gebe zu wenig Personal für die Spionageabwehr, betonte Karner, dass es eine Personaloffensive auch für das DSN - Nachfolgeorganisation des BVT - gegeben habe und nun für russische Spionage „ausreichend Personal zur Verfügung steht“.
Innenminister Karner in der ZiB2:
Geheimhaltungspflicht im Nationalen Sicherheitsrat
Einberufen wurde das Gremium durch den formal zuständigen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf Initiative der Grünen. Die im Sicherheitsrat besprochenen Inhalte unterliegen der Geheimhaltungspflicht - ein Fakt, auf den auch Karner noch einmal hinwies. Karner betonte am Dienstagnachmittag, es stünden schwere Vorwürfe im Raum - Spionage, der Verrat von österreichischen Staatsgeheimnissen an Russland sowie Vorwürfe wie Amtsmissbrauch. Die von ihm geforderte lückenlose Aufklärung sei auch Teil der notwendigen Beratungen.
Erstmals hatte sich zuvor am Dienstag auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Affäre. Bei einer Pressekonferenz mit seiner Schweizer Amtskollegin Viola Amherd sagte er, er lese "mit Interesse" die Berichte über die Spionageaffäre. "Seien wir doch froh, dass etwas aufgedeckt wurde", sagte er auf eine Frage der APA. Der Fall zeige, dass "Mächte außerhalb der Europäischen Union" nicht nur durch Spionage Einfluss zu nehmen versuchen, sondern auch indem sie Stimmungen erzeugen. "Das kann schon nervös machen", so Van der Bellen, der zugleich betonte, dass die Klärung der Vorwürfe "Sache des Gerichts" sei. Befragt zu den Kontakten Otts mit seinem eigenen langjährigen Weggefährten Peter Pilz sagte der Bundespräsident, er habe in diesem Zusammenhang noch keinen Kontakt mit Pilz gehabt. "Ich habe ihm im Jänner zum Geburtstag gratuliert. Das war es dann auch", sagte der frühere Grüne Bundessprecher.
Weitere Details zur Causa Ott wurden bekannt
Indes wurden am Dienstag weitere Details zur Causa Ott bekannt. Wie die APA erfuhr, soll Egisto Ott im Jahr 2022 die Wohnung seines Ex-Schwiegersohns in Wien-Floridsdorf zur Übergabe von widerrechtlich in seinen Besitz gelangten Diensthandys von Spitzenbeamten des Innenministeriums und eines SINA-Laptops mit geheimen, hochsensiblen nachrichtendienstlichen Daten eines EU-Staates an Vertreter des russischen Geheimdienst genutzt haben, ohne dass der Ex-Schwiegersohn davon wusste.
Ott soll einen Schlüssel zur Wohnung des Mannes besessen und dort Personen getroffen haben, die der ehemalige Wirecard-Vorstand und mutmaßlich für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB tätige Jan Marsalek nach Wien geschickt hatte, während der Ex-Schwiegersohn arbeiten war. Ott soll im August bzw. November 2022 in derselben Wohnung von Abgesandten Marsaleks Geld für seine Dienste für Russland entgegengenommen haben - beim zweiten Mal 20.000 Euro -, nachdem er sichergestellt hatte, dass sich sonst niemand in dieser befand.
Die Diensthandys des ehemaligen Innenministerium-Kabinettschefs Michael Kloibmüller und zweier weiterer Spitzenbeamter hatte ein ehemaliger Beamter des Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Juli 2017 zur Datenrettung bekommen. Sie waren bei einem Bootsausflug des Innenministeriums ins Wasser gefallen. Der IT-Techniker übergab sie in weiterer Folge aus Gründen, die die Wiener Staatsanwaltschaft untersucht, Ott. Denn auch gegen den IT-Techniker ist ein Ermittlungsverfahren anhängig. Wie die Sprecherin der Wiener Anklagebehörde, Nina Bussek, am Dienstag auf APA-Anfrage bestätigte, wird gegen den Ex-BVT-Beamten wegen Veruntreuung ermittelt.
Warnungen vor russischen Infiltrationen?
Der "Kurier" berichtete indes, ein mittlerweile pensionierter Beamter des einstigen Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Wien für neun Monate - bis Ende Mai 2023 - suspendiert worden. Ein Strafverfahren gegen ihn wurde eingestellt, ein disziplinarrechtliches Verfahren soll aber noch anhängig sein.
Aus Chats zwischen Marsalek und dem mutmaßlichen Anführer eines bulgarischen Spionagenetzwerkes geht hervor, dass der SINA-Laptop, der von Wien nach Moskau gebracht wurde, vom Iran gekauft werden sollte. Das berichteten der „Kurier“ und der ORF-“Report“ am Dienstagabend.
Laut der Wochenzeitung „Falter“ hatte es intern im BVT wiederholt Warnungen vor russischen Infiltrationen gegeben. So warnte bereits 2016 - noch unter dem damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) - ein für Spionage zuständiger Beamter seine Vorgesetzten, dass der russische Nachrichtendienst seine Aktivitäten in Österreich und der EU „in einem enormen Ausmaß“ intensiviert habe und mit den bestehenden Ressourcen in Österreich kaum eine Basisbearbeitung der hohen Zahl an Fällen erfolgen könne. Zwei Jahre später - unter Kickl - warnten BVT-Beamte abermals, dass es verstärkte Anwerbeversuche von russischen nachrichtendienstlichen Personal in Österreich gebe, und beklagten, dass die Spionageabwehr gegenüber Russland „mit nur drei Mitarbeitern zu bewältigen“ sei.