Er hat wohl eine der erstaunlichsten Biografien der jüngeren deutsch-israelischen Geschichte hingelegt. „Ich bin in Berlin groß geworden. In meiner Grundschulzeit hat Religion keine Rolle gespielt. Ich kannte keinen jüdischen Feiertag, war nie in der Synagoge, wusste nicht einmal, was Shalom heißt“, erzählt Arye Shalicar bei einem Kaffee in Wien. Seine Eltern flüchteten aus dem Iran nach Deutschland: „Ich bin in einem persischen Haus aufgewachsen, mit Perserteppich, wir haben zu Hause Persisch geredet.“ Als Kind hatte er eine deutsch-persische Doppelidentität.

Mit 13 zog die Familie in Berlin um, da veränderte sich das Umfeld. Von seiner Umgebung wurde er permanent nach seiner Herkunft ausgefragt: „Von dem Tag an, wo ich sagte, meine Eltern sind jüdisch, hat sich meine Leben auf den Kopf gestellt: Ich war nicht mehr der Iraner, der Perser, der Deutsche, der Berliner, der Coole. Ich war nur noch der Jude. Sie haben mir das Gefühl gegeben, dass ich anders bin, ohne dass ich es wollte.“ In Deutschland versuchte er sich als Rapper, Hip-Hopper, Graffiti-Sprayer, ehe er nach Israel ging. Nach dem Überfall der Hamas wurde er als Armeesprecher reaktiviert – und ist im deutschen wie auch im österreichische TV omnipräsent. Heute kommuniziert er auf Deutsch, Englisch, Persisch und Türkisch.

Befreiung der Geiseln und Zerschlagung der Hamas als Ziele

Sechs Monate nach dem Überfall der Hamas zieht Shalicar im Gespräch mit der Kleinen Zeitung im Büro der Kommunikationsagentur Kapp Bilanz. „Wir haben uns große Ziele gesetzt: die Befreiung der Geiseln und die Zerschlagung der Hamas. Beide Zielen haben wir noch nicht erreicht.“ Zwar wurden 14.000 Hamas-Kämpfer, darunter viele Kommandanten getötet, in Gaza befänden sich immer noch 133 Geiseln. Auch existiere immer noch ein Teil der Terrorinfrastruktur. Ohne in Details gehen zu wollen, deutet Shalicar an, dass die Armee bald auch in Rafah in Aktion treten könnte. „Das ist ein noch relativ unberührter Hotspot.“

Skeptisch reagiert der Armeesprecher auf Spekulationen über eine baldige Waffenruhe. „Das hören wir seit dem 1. Dezember, und jedes Mal wird zurückgerudert.“ Ob nicht die Zeit reif sei für so einen Schritt? „Es liegt in der Hand der Terroristen. Sie haben den Krieg begonnen, sie können ihn zu Ende bringen.“ Es können nicht sein, dass sich Israel zuerst zurückziehe, um zu hoffen, dass dann eventuell Geiseln freigelassen werden. „Es müssen zuerst die Geiseln freigelassen werden. Erst dann kann es eine Feuerpause geben. Die Reihenfolge muss eingehalten werden.“ So würde jede Regierung der Welt, auch die österreichische, agieren, wenn eigene Staatsbürger von Terroristen festgehalten werden.

Den Einwand, dass Israel in Gaza unverhältnismäßig vorgehe, lässt Shalicar nicht gelten und verweist auf Mosul, wo die Amerikaner gemeinsam mit dem Irak im Laufe eines Jahres 4000 Kämpfer eliminiert haben und 11.000 Zivilisten ums Leben gekommen sind. „Gaza hat im Vergleich deutlich weniger zivile Opfer zu beklagen. Wir haben es hier mit einem asymetrischen Krieg zu tun.“ Dass das noch ein langer Kampf werde? „Das ist nicht unser Wunsch. Wir wollen nach Hause, natürlich mit allen Geiseln.“