Sieben repräsentative Umfragen mit der Sonntagsfrage für die Nationalratswahl wurden seit März veröffentlicht, und siebenmal stand die FPÖ auf Platz eins. Dabei ist für die Partei von Herbert Kickl durchaus nicht alles eitel Wonne, zumindest wenn man die klassischen Medien verfolgt. Es ist vor allem die kremlfreundliche Russlandpolitik der FPÖ, die auf massive Kritik stößt. Dann ist da die Finanzaffäre im Grazer FPÖ-Klub. Und mit Hans-Jörg Jenewein pflegte sogar der ehemalige blaue Sicherheitssprecher wiederholt Kontakte zum in U-Haft sitzenden Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott.

Dann sind da die Vorwürfe, die rund um Kickl selbst und dessen Rolle als damaliger Innenminister bei der Razzia 2018 im später aufgelösten Verfassungsschutz kreisen. Weiters Verdachtsmomente, die auf Pläne hinweisen, im damals ebenfalls FPÖ-geführten Außenministerium einen eigenen Geheimdienst aufzubauen. Schließlich soll mit dem flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sogar der Kopf eines russischen Spionagenetzwerks in dieser Zeit im Innenministerium auf Besuch gewesen sein.

Es ist insbesondere die ÖVP, die aus vollen Rohren gegen ihren ehemaligen Koalitionspartner schießt. Erst am Montag bezeichnete die Kanzlerpartei Kickl erneut als „Sicherheitsrisiko für Österreich“. Auf diese Weise versucht die ÖVP im Superwahljahr einen fast unmöglichen Spagat: Ganz sicher keine Koalition mit Kickl persönlich, aber mit der FPÖ unter Umständen vielleicht doch. Das türkise Ziel dahinter ist verständlich: Man will zumindest einen Teil der Hunderttausenden Stimmen, die in der Ära von Sebastian Kurz von der FPÖ zur ÖVP gewandert und nun wieder in den blauen Hafen heimgekehrt sind, erneut zur Rückkehr bewegen. Allein: Diese Strategie zeigt bisher nicht den geringsten Erfolg. Die Zwei-Firmen-Theorie der ÖVP in Sachen FPÖ – hier der böse Kickl, da die koalitionsfähige Rest-FPÖ – scheint zu scheitern.

Ist die FPÖ also eine Teflon-Partei geworden, an der jeder Vorwurf und alle Kritik folgenlos abperlt?

Nur wer ohne Sünde ist, soll mit Steinen werfen

Zumindest derzeit hat es diesen Anschein. Das hat zum einen mit den Fakten zu tun: Was eine – jedenfalls aus heutiger Sicht im Licht des Ukrainekriegs – ungebührliche Nähe zu Russland angeht, weisen auch ÖVP und SPÖ ausreichend Sünden am jeweiligen Kerbholz auf. Ähnliches trifft auf deren Verantwortung für die Zustände im ehemaligen Verfassungsschutz zu.

Hinzu kommt, dass sich die aktuellen Vorwürfe im Zusammenhang mit der Spionageaffäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Relevanz beantworten lassen. Die meisten Vorwürfe beruhen auf öffentlich gewordenen Chats. Dass die FPÖ seit Jahren die Nähe zu Putins Russland sucht, ist offensichtlich. Dafür gibt es Belege und Hinweise, allen voran das Kooperationsabkommen mit dessen wenig demokratischer Partei, von dem Kritiker behaupten, es sei nach wie vor in Kraft, was die FPÖ aber dementiert. Von Ermittlungen der Justiz gegen Kickl oder die FPÖ in der Russland-Causa ist derzeit nichts bekannt, und Jenewein ist aus der FPÖ ausgetreten.

Möglicherweise der größte Trumpf der FPÖ in den Augen ihrer Unterstützer ist aber das Gefühl – und für sehr viele sogar die felsenfeste Überzeugung –, dass die FPÖ schon zweimal gegen die meisten öffentlich gewordenen Stimmen recht behalten hat: bei der Kritik an einer weitgehend unkontrollierten Massenmigration sowie an der Politik im letzten Drittel der Pandemie, die neben einer Impfpflicht auch einen Lockdown für Ungeimpfte brachte. Für ihre Anhänger übertrumpfen diese beiden Ereignisse die zahlreichen Irrungen und Wirrungen der FPÖ, von der Kärntner Hypo Alpe Adria über die Ibiza-Affäre bis zur Kameraderie mit rechtsextremen Rändern,