Nach der Festnahme des ehemaligen Verfassungsschützers Egisto Ott wegen Spionageverdachts am Freitag vor einer Woche hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Samstag eine „lückenlose Aufklärung“ versprochen. Derzeit stehe man allerdings noch am Anfang der Ermittlungen, betonte er im Ö 1-„Mittagsjournal“.

„Die Ermittlungen sind ja voll im Gang, vor wenigen Tagen hat ja die Verhaftung stattgefunden. Offensichtlich ist eine hohe kriminelle Energie dahintergestanden, wo es noch viele Bereiche aufzuklären gilt“, sagte der Ressortchef zu den Vorgängen rund um Ott. Zur Festnahme geführt hatten von britischen Strafverfolgungsbehörden sichergestellte Chatverläufe zwischen dem geflüchteten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der mithilfe Moskaus untergetaucht sein dürfte, und einem inzwischen in Großbritannien festgenommenen russischen Spion.

Kickl habe BVT „zertrümmert“

Diese Chats belasten Ott und dessen ehemaligen Vorgesetzten, den damaligen Leiter der Spionage-Abteilung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Martin Weiss, der sich mittlerweile nach Dubai abgesetzt hat. Aus den Chats geht hervor, dass Ott „systematisch“ den russischen Geheimdienst mit geheimen, streng vertraulichen Tatsachen und Erkenntnissen aus dem Verfassungsschutz sowie personenbezogenen Daten aus Polizeidatenbanken versorgt haben dürfte, wie aus der Festnahmeanordnung hervorgeht.

Auf den Verdacht angesprochen, dass Russland hinter der Razzia im (mittlerweile aufgelösten und durch die DNS ersetzten) Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) am 28. Februar 2018 stehen könnte, sagte Karner im ORF-Radio am Samstag, es gebe mehrere Verdachtslagen, die Staatsanwaltschaft sei Herrin des Verfahrens. „Faktum ist, dass es eine rechtswidrige Razzia gab im BVT, und Faktum ist, dass es eine einzige Partei gab, die einen Freundschaftsvertrag mit Russland hatte“, sprach er die FPÖ an, unter deren damaligem Innenminister Herbert Kickl die Hausdurchsuchung im BVT durchgeführt wurde. Kickl habe das BVT „zertrümmert“, kritisierte Karner.

Angesichts dessen, dass Ott auch noch nach seiner Suspendierung und auch nach seiner Zeit in Untersuchungshaft weiter Informationen für Russland gesammelt haben dürfte, kann sich Karner auch Änderungen im Disziplinarrecht für Beamte vorstellen. Man könne hier „Überlegungen“ anstellen.

Kritik von SPÖ und FPÖ

Kritik an Karners Aussagen kam am Samstag von der SPÖ: „Die ÖVP hat die katastrophalen Zustände, unter denen das Marsalek-Netzwerk mit Ott und Weiss im BVT operieren konnte, zu verantworten. Karl Nehammer hat damals als Generalsekretär die Zerstörung des BVT durch Kickl unterstützt und heute will Karner nichts mehr davon wissen“, sagte SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner.

Die FPÖ wies die Vorwürfe Karners zurück: „Die ÖVP agiert derzeit nach dem bekannten Sprichwort ‚Der Dieb schreit: Haltet den Dieb!‘“, so FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung. Die „ÖVP-Versuche“, die eigenen Verantwortlichkeiten auf die Freiheitlichen abzuwälzen, seien „unglaubwürdig und durchschaubar“: „Der Innenminister kann diesen Skandal nicht von sich und seiner Partei abkoppeln. Der Hauptverdächtige in dieser Causa machte unter ÖVP-Innenministern Karriere und konnte anscheinend sogar weitermachen, obwohl bereits der Spionageverdacht evident war“, sagte Amesbauer.