Wirtschaftsminister Martin Kocher hat sich ein ambitioniertes Ziel bei der gesteuerten Arbeitsmigration aus Drittstaaten gesetzt: In den kommenden vier Jahren soll die Zahl der ausgestellten Rot-Weiß-Rot-Karten von zuletzt rund 8000 verdoppelt werden. Erreicht werden soll dies in erster Linie mit einer Verfahrensbeschleunigung, die letzte Reform liegt erst eineinhalb Jahre zurück. Der Rechnungshof sieht in einer aktuellen Prüfung jedoch weiteren Bedarf für Änderungen.

„Das System ist komplex und für Antragstellende schwer verständlich“, schreibt der Rechnungshof. Grund dafür sei unter anderem, dass es viele Kartenvarianten gibt - fünf bei der Rot-Weiß-Rot-Karte und die Blaue Karte EU – die schwer abgrenzbar seien. Bei den ausbildungs- und kenntnisbezogenen Anforderungen ortete das Prüforgan Überschneidungen, zudem würden sich auch die Zielgruppen überlappen. Hier sieht der Rechnungshof „Potenzial zur Vereinfachung“. Für Antragstellende sei es schwierig, zu erkennen, welche Variante sie beantragen sollen.

Überdurchschnittliches Bildungsniveau

Es gibt aber auch Lob: „Der deutliche Anstieg bei den Kartenerteilungen entsprach der gestiegenen Anzahl offener Stellen, das heißt dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt und der konjunkturellen Entwicklung.“ Die Prüfung deckte einen Zeitraum bis März 2023 ab, also bereits nach der Reform.

Am stärksten in Anspruch genommen wurde die Karte für Fachkräfte in Mangelberufen und die jene für sonstige (unselbstständige) Schlüsselkräfte. Die mit Abstand höchste Anzahl an Kartenerteilungen erfolgte 2022 in Wien. Das durchschnittliche Bildungsniveau der Bezieher lag über jenem der unselbstständig Beschäftigten in Österreich: 84 Prozent hatten einen zumindest mit der Matura vergleichbaren Bildungsabschluss. Zwei Drittel der Karten wurden an Männer ausgestellt. Die drei häufigsten Staatsangehörigkeiten waren Bosnien und Herzegowina, Indien und die Russische Föderation, berichtet der Rechnungshof.

Der Rechnungshof sieht die auf einem Punktesystem aufgebaute Konstruktion der Rot-Weiß-Rot-Karte als unflexibel – mit besonders hohen Qualifikationen in einem Bereich (zum Beispiel besonders hohem Einkommen) seien Defizite in anderen Bereichen kaum ausgleichbar. Fortgeschrittene Sprachkenntnisse führen in keiner Variante zu einer höheren Bewertung.

Reform hinterließ Gesetzeslücke

Kritisch sieht der Rechnungshof an der jüngsten Reform, dass es seither an einer gesetzlichen Grundlage fehlt, die Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte für Teilzeitstellen zu entsagen, wenn diese kein lebensunterhaltssicherndes Einkommen gewährleisten. Seit 2022 sei der Nachweis eines solchen gesicherten Lebensunterhalts nicht mehr erforderlich. Die Prüfer empfahlen der Regierung daher, gesetzlich ein gewisses Beschäftigungsausmaß vorzuschreiben.

Dies habe das Arbeits- und Wirtschaftsministerium bei der Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes auch angeregt, der Gesetzgeber aber damals nicht aufgegriffen. In seiner Stellungnahme teilte das Ministerium dem Rechnungshof mit, im Rahmen künftiger gesetzlicher Anpassungen weiter zu versuchen, diese gesetzliche Klarstellung zu verankern. Ein relevantes Problem dürfte Teilzeit derzeit nicht sein. Der Rechnungshof ermittelte, dass 99 Prozent, die 2022 eine Rot-Weiß-Rote-Karte erhielten, eine wöchentliche Normalarbeitszeit von mehr als 35 Stunden angaben. Die Reform trat allerdings erst Ende 2022 in Kraft.