Die Spionage-Affäre um den ehemaligen Staatsschützer Egisto Ott weist Richtung Moskau. Laut der Festnahme-Anordnung, über die der „Falter“ am Mittwochabend berichtete, hat der Kärntner „systematisch nicht für die Öffentlichkeit bestimmte geheime Tatsachen und Erkenntnisse, sowie personenbezogene Daten aus polizeilichen Datenbanken zum Zweck der Übermittlung an Jan Marsalek und an unbekannte Vertreter der russischen Behörden gesammelt“.

Involviert war Ott offenbar in russische Aktivitäten gegen den Aufdecker Christo Grozev, der bis Anfang des Vorjahres in Wien lebte. Laut einem Bericht des „Standard“ brachen mittlerweile in Großbritannien inhaftierte Agenten in der Bundeshauptstadt in die Wohnung des Journalisten ein und raubten dessen Laptop sowie einen USB-Stick. Dem vorausgegangen war dem Bericht zu Folge, dass Ott mit Vorlage seines Polizeiausweises (laut „Falter“ im Meldeamt in Spittal an der Drau) die Meldeadresse von Grozev abgefragt, offenbar dessen Wohnsitz fotografiert und diese Informationen an den früheren Wirecard-Manager Jan Marsalek weitergeleitet hatte, der mittlerweile in Moskau für russische Dienste wie den Inlandsgeheimdienst FSB arbeiten dürfte.

Unter dem Vorwand, Extremisten zu beobachten, habe Ott in Wahrheit im Auftrag Russlands Regimegegner ausspioniert, die in Europa Schutz suchten, mutmaßt dann auch die Staatsanwaltschaft. Dabei handelt es sich laut dem „Falter“-Bericht etwa um einen ehemaligen Mitarbeiter des russischen Geheimdiensts FSB, der in Montenegro Asyl erhalten hatte. Auch ein russischer Geschäftsmann, der in Großbritannien lebte, sei Zielperson gewesen. Gleiches gilt für ein Mitglied der Wahlkommission der Stadt Moskau. In Verbindung mit Ott steht demnach Marsalek, der mithilfe Moskaus untergetaucht sein dürfte.

Gridling: Substrat war damals „sehr dünn“

Als das BVT erstmals Informationen aus dem Ausland bekam, dass der ehemalige Verfassungsschützer Egisto Ott möglicherweise für Russland tätig sein könnte, sei daraufhin gegen ihn intern ermittelt worden. Das erklärte der ehemalige Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Peter Gridling am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Der Vorwurf habe anfangs allerdings nicht verdichtet werden können, so Gridling.

Kritik, dass man im Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zu spät reagiert hätte, ließ er nicht gelten. Damals 2017 sei das Substrat aber noch „sehr dünn“ gewesen. Immerhin habe es Belege gegeben, dass Ott klassifizierte Dokumente auf seinen privaten Account überspielt habe. Damit sei eine neuerliche Sicherheitsprüfung möglich gewesen, in deren Folge Ott nicht mehr für das BVT tätig sein habe können. Das bedeute, dass man im ersten belastbaren Moment Konsequenzen gezogen und Ott entfernt habe, stellte Gridling in der „ZiB2“ klar.

Allein zwischen 2015 und 2017 soll Ott mindestens 382 offenbar illegale Abfragen in der EKIS-Datenbank (Elektronisches Kriminalpolizeiliches Informationssystem) mit erfundenen Aktenzahlen gemacht und diese dann verkauft haben. Warum das niemanden aufgefallen sei, beantwortet Gridling folgendermaßen: „Es ist schwierig zum jeweiligen Zeitpunkt zu sagen, ob es diese Aktenzahl überhaupt gibt, oder nicht. Der Beamte muss selbst in das System einsteigen und eine Aktenzahl angeben. Welche er angibt und ob diese tatsächlich exisitiert, steht nur in den Protokolldaten, wird aber nicht zusätzlich überprüft. Für stichprobenartige Überprüfungen wäre außerdem das Innenministerium zuständig.“

Keine Info zu Nebenbeschäftigungen

Nach seiner Suspendierung sei Ott im Innenministerium verblieben, bestätigt Gridling - er verweist dabei auf den Rechtsstaat:. „Jedes Verfahren braucht seine Zeit und es muss untersucht werden, wie schwerwiegend es ist. Und erst wenn es eine Verurteilung von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe gibt, ist eine Auflösung des Dienstverhältnisses möglich“, so Gridling.

Hinsichtlich der möglichen Nebenbeschäftigungen von BVT-Mitarbeitern beim deutschen Finanzdienstleister Wirecard sagte Gridling, dass er von keinen genehmigten Nebenjobs bei Wirecard gewusst habe. Beim ehemaligen Abteilungsleiter im BVT, Martin Weiß, habe sich die Frage der Nebenbeschäftigung bei Wirecard erst nach dessen Karenzierung gestellt.

„Nie genug Ressourcen“

Dass es einen Hinweis aus dem Ausland brauchte, um dem Verdacht gegenüber Egisto Ott nachzugehen, führte Gridling nicht auf die fehlende Stärke der Spionageabwehr in Österreich zurück: „Da stellt sich schlichtweg die Frage, gelingt es, die Verdachtsmomente zu beweisen“. Das sei in Spionagefällen schwierig, weil Hinweisgeber oftmals nicht vor Gericht aussagen möchten oder die Hinweise oft vage seien. Die Ressourcen in der Spionageabwehr müsse auf die ganze Bandbreite von Bedrohungen abgestellt werden. „Wenn wir in Österreich ein Terrorismusproblem haben, müssen die Ressourcen in diesem Bereich eingesetzt werden“, sagt Gridling. Es gäbe grundsätzlich „nie genug Ressourcen“. Vor allem, wenn sich Bedrohungslagen verändern, stoße man in der Spionageabwehr an seine Grenzen.

Peter Gridling war von 2008 bis 2020 Direktor des BVT.