Der am Karfreitag wegen Spionageverdachts zugunsten Russlands verhaftete ehemalige Verfassungsschützer Egisto Ott hat die ihm unterstellte nachrichtendienstliche Tätigkeit zum Nachteil der Republik zurückgewiesen. „Insofern war er zum Kern der Vorwürfe vor dem Journalrichter nicht geständig“, bekräftigte Gerichtssprecherin Christina Salzborn gegenüber der APA. Ob es darüber hinaus zu einem Teilgeständnis gekommen ist, wie die „Krone“ zuvor berichtet hatte, ist unklar. Auch von einem „Deal“ mit der Staatsanwaltschaft könne keine Rede sein, erklärte deren Sprecherin.

Der Kärntner gilt seit Jahren als Schlüsselfigur, wenn es um mutmaßliche Spionage in Österreich zugunsten Russlands geht. Für Beobachter der Szene, wie etwa den Geheimdienstexperten und Historiker Dieter Bacher (Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies sowie Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung), ist weniger überraschend, dass Russland versucht hat, Zugriff auf andere Nachrichtendienste zu erhalten, als das Ausmaß, in dem dies im Falle Österreichs und des ehemaligen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gelungen sein dürfte. Man kann wohl unzweifelhaft von einem beachtlichen Erfolg Moskaus auf Kosten Österreichs sprechen. Das skandalumwitterte BVT, zu dessen Mitarbeitern bis 2017 Ott zählte, wurde 2021 abgewickelt und durch die nunmehrige Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) abgelöst.

Viel spricht dafür, dass Ott der Ukrainekrieg Russlands zum Verhängnis geworden ist. Dieser hat dazu geführt, dass seitdem in praktisch allen westlichen Staaten massiv an der Aufdeckung der internationalen Spionage- und Propaganda-Netzwerke Moskaus gearbeitet wird. Erst Informationen britischer Geheimdienste an ihre heimischen Kollegen haben zur Verhaftung Otts geführt. Diese erfolgten ursprünglich im Zusammenhang mit dem flüchtigen ehemaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, einem Österreicher, der seit Langem als verdeckter Kreml-Agent arbeitet und nun in Russland vermutet wird.

Es gebe keinen Deal mit Ott, sagt die Staatsanwaltschaft
Es gebe keinen Deal mit Ott, sagt die Staatsanwaltschaft © APA / Georg Hochmuth

Gefälligkeiten unter Kollegen in Geheimdiensten No-Go

Wie umfassend und konkret die Informationen aus London tatsächlich sind, ist nicht zuletzt auch für Österreich eine zentrale Frage. Diese haben offensichtlich ausgereicht, um U-Haft über Ott zu verhängen. Aber dieser konnte auf ein teils sogar hochrangiges Netz an Helfern und Unterstützern im ehemaligen BVT zurückgreifen – Martin Weiss etwa, Otts ehemaliger Vorgesetzter, entzieht sich in Dubai den heimischen Ermittlern. Dass Ott, Weiss und Marsalek eng zusammengearbeitet haben, dürfte fix sein – aber wer sonst noch?

Zwar muss nicht jeder und jede, der einem langjährigen Kollegen einen Gefallen außerhalb des strikten Dienstwegs erweist, ein Spion sein. Doch ein Geheimdienst mit einer solchen Gefälligkeitskultur unter „Kollegen“ ist ein Glücksfall für jedes einzelne schwarze Schaf im eigenen Betrieb und darüber hinaus für sämtliche ausländischen Nachrichtendienste mit einschlägigen Interessen. Zuallererst sind solche Zustände jedoch ein massives Sicherheitsrisiko für den davon betroffenen Staat. Von daher wird entscheidend sein, ob Ott tatsächlich zu einem umfassenden Geständnis bereit ist, in dem er auch über Mit- und Beitragstäter auspackt. Oder ob vielleicht die nun dank der Briten vorliegenden Informationen für sich genommen bereits ausreichen, umfassend Licht in diese verworrene Affäre zu bringen.

Ott war auch politisch bestens vernetzt

Am Dienstag kommende Woche tagt jedenfalls der Nationale Sicherheitsrat. Damit dürfte die innenpolitische Aufarbeitung der Affäre jedoch erst beginnen. Ott hatte insbesondere zu SPÖ (er soll sich selbst als aktives SPÖ-Mitglied bezeichnet haben), FPÖ (wegen intensiven Kontakten zum ehemaligen FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein kam es bei diesem einst zu einer Hausdurchsuchung) und dem ehemaligen Grünen-Politiker Peter Pilz, mit dem Pilz laut eigener Aussage noch für den Karfreitag ein Treffen ausgemacht haben will. Ebenso bestanden zu Neos informelle Kontakte. Aber auch die Kanzlerpartei ÖVP kann sich nicht sicher sein, ungeschoren aus der Affäre auszusteigen, befand sich Ott doch in den vergangenen zehn Jahren fast in einem Kreuzzug gegen ÖVP-Schützlinge in den Sicherheits- und Geheimdiensten.