„Nach bald 50 Jahren Mitgliedschaft in dieser Partei kann ich Ihnen sagen: Es gibt nichts Antikommunistischeres als die SPÖ“: Der Satz klingt wie ein eingefrorener Posthornton aus dem Kalten Krieg, tatsächlich ist er jedoch noch kein Jahr alt. Die kategorische Feststellung zum Selbstverständnis der SPÖ fiel im April 2023, gesagt von keinem Geringeren als dem ehemaligen Wiener Bürgermeister Michael Häupl – und zwar in einem Doppelinterview mit der damaligen SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner im Standard. Und Häupl weiter: „Wenn man sich in der Geschichte vertieft, sieht man, dass die Ablehnung der SPÖ gegenüber der kommunistischen Diktatur viel deutlicher ausgefallen ist als bei vielen anderen.“
Tatsächlich war die SPÖ gerade in den ersten Jahrzehnten nach 1945 mindestens so entschlossen antikommunistisch wie die ÖVP, deren Warnungen vor der dunkelroten Gefahr aus dem Osten damals in keinem Wahlkampf fehlen durften. Eine zentrale Rolle spielte dabei Franz Olah (1910-2009), der bis zum ÖGB-Präsidenten und einem so mächtigen wie gefürchteten Innenminister aufstieg, um später umso tiefer zu fallen.
Gemeinsam mit den USA gegen die dunkelrote Gefahr
Im maßgeblich von der KPÖ betriebenen „Oktober-Streik“ 1950, der anschließend zum kommunistischen Putschversuch aufgebauscht wurde, sorgten Bau- und Holzgewerkschafter auf Geheiß ihres Chefs Olah recht handfest dafür, dass der Ausstand in Wien schnell wieder aufgelöst wurde. Einer der Hauptgründe für dieses eigenmächtige Eingreifen war, dass die sowjetische Besatzungsmacht der Wiener Polizei untersagte, einzuschreiten. Aufgeschreckt von dieser Erfahrung sorgte Olah mit seinen engen Kontakten zu den USA und insbesondere zum Geheimdienst CIA dafür, dass die bereits 1947 gegründete paramilitärische Geheimorganisation „Österreichischer Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein“ als Widerstandsorganisation für den Fall einer kommunistischen Machtübernahme weiter ausgebaut wurde.
Olah musste Zeit seines langen Lebens dreimal ins Gefängnis: zunächst als illegaler Sozialist unter dem Dollfuß-Regime, dann schickten ihn die Nazis als Österreich-Patriot ins KZ Dachau und schließlich verurteilte ihn „seine“ Republik 1970 zu sieben Monaten Gefängnis, nachdem er den SPÖ-internen Machtkampf – insbesondere gegen Justizminister Christian Broda, der 1945 von der KPÖ zur SPÖ wechselte – verloren hatte und wegen zweckwidriger Verwendung von Gewerkschaftsgeldern verurteilt wurde. Nutznießer dieser Gelder waren Hans Dichands Kronen Zeitung sowie der Express, der von Fritz Molden und dem legendären ORF-Generaldirektor Gerd Bacher gegründet wurde.
1966 verlor die SPÖ mit Bruno Pittermann die Nationalratswahl und die ÖVP holte erstmals eine absolute Mehrheit. Dafür verantwortlich: Einerseits Olah, der mit einer eigenen Partei der SPÖ wertvolle Stimmen wegnahm, und andererseits Pittermanns Weigerung, sich im Wahlkampf von den Kommunisten zu distanzieren, die ihren Anhängern geraten hatten, dieses Mal SPÖ zu wählen. Die ÖVP nutzte das geschickt, um die Furcht vor einer rot-dunkelroten Allianz in Österreich zu schüren. Auf Pittermann folgte Bruno Kreisky und unter dem späteren roten Sonnenkönig schwenkten die Sozialdemokraten, die sich damals noch Sozialisten nannten, wieder auf Antikommunismus-Kurs.
SPÖ-Antikommunismus als Kind des Kalten Krieges
In der Gegenwart ist davon allenfalls noch die Erinnerung geblieben – und oft nicht einmal diese. Für den linken Intellektuellen und SPÖ-Kenner Robert Misik ist das keine Überraschung. Der Antikommunismus der SPÖ müsse als Widerstand gegen einen autoritären Bolschewismus im Kalten Krieg verstanden werden, der in unmittelbarer Nachbarschaft Österreichs stalinistische Putsche wie 1968 in der Tschechoslowakei organisiert habe. „Solche Verhältnisse will in der heutigen KPÖ kein Mensch“, was für Misik das mittlerweile entspannte Verhältnis zwischen SPÖ und KPÖ erklärt.
Die KPÖ sei deshalb „eine demokratische Linkspartei, die sich in Salzburg als Idee nicht von der SPÖ unterscheide“; in Graz, so fügt Misik hinzu, sei das jedoch angesichts einiger noch intakter kommunistischer Milieus doch noch anders. Von daher finde er „die höfliche und wertschätzende Wahlauseinandersetzung“ zwischen den Salzburger Bürgermeister-Kandidaten von SPÖ und KPÖ, Bernhard Auinger und May-Michael Dankl, durchaus vernünftig und sympathisch – „gerade in einer Zeit, in der sich ohnehin alle ständig gegenseitig in die Gosch‘n hauen“.
Dass der Antikommunismus nicht nur in der SPÖ, sondern durchaus auch in der Gesamtbevölkerung auf dem Rückzug ist, zeigt sich auch anhand einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek für ATV. Demnach ist die KPÖ für 8 Prozent sehr geeignet und für immerhin 25 Prozent eher geeignet, Teil einer Bundesregierung zu sein. Und am größten ist die Zustimmung ausgerechnet unter SPÖ-Sympathisanten.