Grüß Göttin. Auf diese umstrittene Kunstinstallation an der Autobahnausfahrt Innsbruck-Mitte folgen die Mahnmale des einstigen Erster-Seins: Fußballstadion, Eissporthalle, Olympia-Erinnerung. Doch der Wacker, einst zehnmal Meister, spielt heute in der vierten Kicker-Liga und die Haie haben erneut das Play-Off im Eishockey verpasst. Der Weg zu den Ersten führt mittlerweile vorbei an Alpenverein und Skiverband, den wohl einzigen Massenorganisationen, die nicht in Wien residieren: Im Rathaus regiert der erste direkt gewählte grüne Bürgermeister Österreichs, Georg Willi. Seine Vorvorgängerin Hilde Zach war die erste Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt. Und am 14. April wird Innsbruck die erste Kommune mit einer Prozenthürde für den Einstieg in den Gemeinderat.
Denn die Stadt ist nahezu unregierbar geworden. Bei der Wahl 2018 gewannen zehn Listen Sitze. Durch Spaltungen und Austritte hat der 40-köpfige Gemeinderat inzwischen elf Fraktionen plus drei freie Mandatare. Die drei stärksten Gruppen sind jeweils zu siebt. Eine Viererkoalition ist bereits zur Halbzeit gescheitert. Die Suche nach immer neuen Mehrheiten führt vor allem zu Blockaden.
Prozent-Hürde soll Listen-Wildwuchs verhindern
Hätte zuletzt schon die Vier-Prozent-Schwelle bestanden, wären nur sechs Listen eingezogen. Mit dieser Perspektive orchestrierte Willis Vorgängerin Christine Oppitz-Plörer die Wiedervereinigung der ÖVP. Ihre Abspaltung Für Innsbruck (FI) hatte von 1994 bis Willi den Bürgermeister gestellt. Staatssekretär Florian Tursky soll als gemeinsamer Spitzenkandidat den Posten zurückerobern. Doch die Strategin hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Johannes Anzengruber, der als ÖVP-Vizebürgermeister die Pacht der städtischen Arzler Alm aufgeben musste, konterkariert die schwarze Reunion prompt durch Gründung einer eigenen Liste. Pikanterie am Rande: Seine Nr. 2 Mariella Lutz ist die Lebensgefährtin von FPÖ-Chef Markus Lassenberger. Der wiederum gilt als Favorit für eine Stichwahl gegen Willi.
Tursky hingegen droht nun der persönliche Super-GAU von Platz 4 hinter Anzengruber. Der frühere Büroleiter von Ex-Landeshauptmann Günther Platter war als Staatssekretär vor allem als Heilmittel gegen die Innsbrucker Achillesferse der Tiroler ÖVP erfunden worden. Umweg-Bekanntheit via Wien hätte der erste Schritt sein sollen. Zu wenig Präsenz in Innsbruck gilt jetzt als größtes Handicap für einen, der dann auch frühzeitig als LH-Reserve ausschiede. Es mehren sich bereits die Stimmen, dass der vermeintliche Übergangsmann Anton Mattle für eine zweite Periode im Landhaus antreten soll.
Die Bundes-Volkspartei hat Tursky früher als geplant zurückgeschickt, um nicht von der absehbaren Niederlage erfasst zu werden. Nach dem Verlust von Salzburg stellt sie in Eisenstadt als einziger Landeshauptstadt den Gemeindechef. Ausgerechnet die Bürgermeister-Partei ÖVP wird bei einem Innsbruck-Debakel betonen, wie wenig die kommunale mit der nationalen Ebene vergleichbar ist. In ihrem Salzburger Unglück bleibt zumindest das Glück, dass die KPÖ auf Bundesebene wohl eher der SPÖ schadet. Innsbruck bietet weder mit Grün, Blau noch mit einem Ex-Schwarzen solchen Trost. Dort das Stechen zu verpassen, wäre die denkbar schlechteste Ouvertüre für EU- und Nationalratswahl.
Geeint wirkt allein die FPÖ
Trotz der erschwerten Bedingungen treten in Innsbruck 13 Listen an. Anders als 2018 gehört die KPÖ auch dazu. Anders als in Salzburg hat sie in Innsbruck keine Chance. Es wäre schon eine Sensation, wenn sie die Einstiegshürde meistert. Anders als in Salzburg ist aber auch die SPÖ kein besonderer Faktor. 1994, als sie hier das einzige Mal die relative Mehrheit hatte, pokerte sich der spätere Landeshauptmann Herwig van Staa mit seiner VP-Abspaltung an die Spitze. 2018 war der rote Prozentanteil gerade noch zweistellig. Ein umgekehrter Rekord zu jenem der mit 24 Prozent voran gelegenen Grünen. Doch die haben sich gespalten, während die Sozialdemokraten zwei Klubmitglieder verloren.
Die FPÖ gilt auch deshalb als Favorit auf Platz 1 im Gemeinderat, weil sie als einzige etablierte Partei wirklich geeint wirkt. Beim Bürgermeister-Match hingegen hat Georg Willi trotz schlechter Leistungsbilanz leichte Titelverteidiger-Vorteile. Denn er verfügt auch 64-jährig noch über eine ähnlich parteiübergreifend wirkende Lieblingsschwiegersohn-Aura wie KPÖ-Star Kay-Michael Dankl in Salzburg, dem Stadtrivalen um die höchsten Mieten Österreichs. Doch in Innsbruck kümmert sich die SPÖ-Nummer 2, Benjamin Plach, intensiv um das kommunistische Monothema Wohnen und vertritt es auch die Liste Fritz mit ihrer Landesvorsitzenden Andrea Haselwanter-Schneider. Ohne Einsatz der Chefin scheint die neue Prozenthürde aber nicht zu überwinden. Darum muss – im Gegensatz zur roten Spitzenkandidatin Elli Mayr – auch Ex-Nationalrätin Julia Seidl mit den Neos zittern.
Sicher scheint in Innsbruck jedoch, dass keine Frau in die Bürgermeister-Stichwahl kommt, um die es einen Vierkampf mit Startnachteilen vorerst für die gemeinsame Liste von ÖVP und FI gibt, während sie nach langer Konkurrenz gemeinsam versuchen, FPÖ oder Grüne als Nummer 1 im Gemeinderat zu verhindern. Die Konkurrenz fürchtet vor allem den sichtbar massiven Geld- und Personaleinsatz der Volkspartei (Auftakt im Congress mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel). Die Außenseiter üben unterdessen einen anderen Stil: Mit dem Titel „Frauenpower: sachlich, kompetent, fair“ postete Haselwanter-Schneider ein Bild von Mayr, Seidl und sich selbst auf Facebook. Bezüglich politischer Frauenmacht fehlen auf dem Foto nicht von ungefähr Oppitz-Plörer und Stadtratskollegin Uschi Schwarz. Die Grüne war verantwortlich für die Aufstellung von „Grüß Göttin“. Das Schild wird immer wieder von Vandalen übermalt.