Die Grüne Abgeordnete und Sprecherin für Außenpolitik, Menschenrechte, Migration und LGBTIQ-Rechte, Ewa Ernst-Dziedzic, wird bei der Nationalratswahl im Herbst nicht mehr antreten. Im Gespräch mit der APA kündigte sie ihren Rückzug aus der Parteipolitik an. Bereits am Freitag wird sie die LGBTIQ-Agenden des grünen Klubs übergeben.
Schon zuvor hatte sie sich auf X (früher Twitter) geäußert: „Österreich steht am Kipppunkt zum autoritären Staat. Mein Gradmesser für die schwarz-grüne Koalition war immer, eine Diskursverschiebung nach Rechtsaußen zu verhindern. Mein Fazit: Mit rein öko-konservativer Politik kommt man dagegen nicht an“, schreibt Ernst-Dziedzic in einem längeren Posting.
Grundrechte und Freiheitsrechte müsste dabei, so die Abgeordnete, stets Dreh- und Angelpunkt aller politischen Entscheidungen sein, denn „anders ist ein Abdriften ins Autoritäre und in eine Politik der Ausgrenzung nicht zu verhindern. Ohne radikale Sozialpolitik werden eine ökologische Wende und Klimagerechtigkeit nicht gelingen“.
Auch schon früher gab es Spannungen zwischen Dziedzic und der grünen Klubführung. Anfang 2021 verlor sie ihre Rolle als Stellvertreterin von Klubobfrau Sigrid Maurer. Damalige Medienberichte, wonach Dziedzic wegen ihrer kritischen Flüchtlingspolitik abgelöst werde, wies sie jedoch zurück.
Nun erklärte sie zur APA: „Im schnelllebigen Politikalltag fehlt die Zeit für Reflexion, man muss permanent reagieren. Ich möchte mich nach 16 Jahren in Funktion abseits der Parteipolitik weiterentwickeln und Dingen widmen, für die als Politikerin die Zeit fehlt“, begründet sie ihren Ausstieg. Ruhen will sie in den kommenden Monaten aber nicht: Einen Antrag zu einem internationalen Abkommen zur Regulierung von Waffensystemen, der in einem internationalen Abkommen münden soll, ein Gesetz, um in Österreich den „Zivilen Friedensdienst“ zu etablieren und eine „Demokratie Enquete“ will Ernst-Dziedzic noch umsetzen.
Kampf gegen „Orbanistan“ als politische Mission
„Ich habe, so pathetisch das klingt, immer versucht, demokratieverstärkende Initiativen zu setzen“, betonte Ernst-Dziedzic. Man warne nicht umsonst immer wieder vor „Orbanistan“ und der Beschneidung von Menschenrechten. „Ich glaube, dass die schwarz-grüne Koalition dem einen Riegel vorgeschoben hat. Aber so ehrlich muss man sein, dass es nicht gelungen ist, nach Rechtsaußen nachhaltig abzudichten. Wenn man sieht, dass die FPÖ derzeit auf Platz Eins liegt, ist es uns nicht gelungen, die Menschen davon zu überzeugen, dass mit Demokratiefeinden kein Staat zu machen ist.“ Auch in Zukunft wolle sie aufzeigen, „was dazu führt, das Österreichs Demokratie beschnitten wird“.
Wer ihr in dieser Rolle, und damit auch in der LGBTIQ-Intergroup, der ersten überparteilichen Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS nachfolgen wird, will die Partei am Freitag bekanntgeben. Auch ihre weiteren Sprecherinnen-Funktionen im Grünen Klub will Ernst-Dziedzic in den kommenden Wochen, noch bevor der EU-Wahlkampf in die heiße Phase geht, zurücklegen. Mandatarin wird sie bis zum Ende der Legislaturperiode bleiben.
Um ihre persönliche Zukunft macht sie sich keine Sorgen. „Ich bin ein Mensch, dem nie langweilig war und ich war bisher keinen Tag arbeitslos“. Mehr Zeit widmen will sie künftig auch ihren Sprachkenntnissen, etwa durch einen kürzlich begonnenen Russischkurs.
Begonnen hat Ernst-Dziedzics politische Karriere vor 16 Jahren als Fachreferentin. Bevor die Politologin im Oktober 2019 in den Nationalrat einzog, war sie unter anderem Bezirksrätin in Wien und dann von 2015 bis 2019 Bundesrätin. In dieser Funktion war sie gemeinsam mit David Stögmüller auch die einzige Vertreterin der Grünen im Parlament, nachdem diese 2017 aus dem Nationalrat flogen und erst 2019 wieder eingezogen sind. Parteiintern war sie unter anderem im erweiterten Bundesvorstand und bis 2020 Vorsitzende der Grünen Frauen Österreichs. Derzeit ist sie Vorsitzende der „Grünen Andersrum“, der Teilorganisation, die sich für die Gleichstellung der LGBTIQ-Community einsetzt.