Salzburg im Vorfrühling: Der Föhn treibt die Temperaturen auf fast 20 Grad, am Makartplatz blühen prächtige Magnolien. Touristen durchströmen die enge Altstadt und zahlen auf dem Mönchsberg stolze 12 Euro Eintritt zur Festung. Unten, in den noblen Läden, kosten die bemalten Ostereier acht Euro – pro Stück.

Nichts deutet auf eine politische Revolution hin. Und doch ist sie lautlos in Fahrt gekommen. In den 154 Wahllokalen der Stadt werden an diesem Sonntag die Schalter radikal umgelegt in Richtung Rot und dunkles „Dankl-Rot“: Kay-Michael Dankl, der charismatische Spitzenkandidat der KPÖ, holt die Splitterpartei wie schon 2021 in Graz auf die ganz große Bühne.

Die Stadt-KPÖ katapultiert Dankl aus dem Beinahe-Nichts auf 23 Prozent. Er selbst schneidet mit 28 Prozent noch besser ab. Bei der Stichwahl am Palmsonntag rittert Dankl nun gegen SPÖ-Chef Bernhard Auinger um den Einzug ins feudale Bürgermeisterbüro im Schloss Mirabell mit majestätischem Blick auf die Festung.

Der 35-jährige Dankl, ein gebürtiger Grazer, hat sich gemausert. Bei der letzten Wahl 2019 sammelte der einstige Grüne nur 2,3 Prozent der Stimmen ein. Seither ist er Jungvater geworden, in eine bessere Wohngegend umgezogen und hat zugleich das Thema Wohnen – nach Grazer Vorbild – zum Kassenschlager gemacht.

Der historisch massiv belastete Firmenname KPÖ ist freilich ein schwerer Mühlstein beim Höhenflug. Und so gab sich der smarte Kandidat im Wahlkampf alle Mühe, als Etikettenschwindler durchzugehen. Es gehe ums Soziale, nicht ums Kommunistische. Bei der Stimmabgabe ließ sich Dankl mit seinem Säugling als fast bürgerlich anmutender Familienmensch fotografieren.

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Dahinter schwelt freilich die Deutungshoheit über die Festspielstadt, in der die sozialen Lager – wie überall – auseinanderdriften. Das mondäne Salzburg bestehe nicht nur aus reichen Leuten, und er, Dankl, habe das Stadtbild abseits von Festspielprominenz und Milliardärsvillen erst sichtbar gemacht. So erzählt man es sich in einer klassizistischen Villa in der Elisabethvorstadt, wo die KPÖ ihr „Volksheim“ hat – ererbt von einem kinderlosen Parteigänger.

Im Kellerlokal, das ganz antikommunistisch „Jazz it“ heißt, lädt man am Abend zur rauschenden Wahlparty bei Radler, Cola, Käsebrot und Knoblauchstangerl. Fünf Bodyguards, die eigens drei Tage eingeschult wurden, bewachen den auf 350 Köpfe beschränkten Zutritt. Aber es sind viele Dutzend mehr, die hier heute jubeln wollen.

Bis auf ein paar abgeklärte Altkommunisten sind wohl die wenigsten ideologisch gefestigt, das Durchschnittsalter dürfte unter 25 Jahren liegen. Die Inschrift auf der Marmortafel beim Eingang, ein Zitat von Karl Marx über den Kampf der „Arbeiter“, ist fast zur Unleserlichkeit verblasst. Dafür erscheint gegen 17 Uhr die Polizei vor dem Haus und will wissen, ob man die Straße sperren soll. Ja, bitte, wenn Dankl kommt.

„Er ist genial“

Das Talent des KPÖ-Kapos wird auch bei den Sozialdemokraten neidvoll anerkannt. „Er ist genial“, sagt mit leuchtenden Augen ein Mann, der sich als „einfaches SPÖ-Mitglied“ vorstellt. Der zu teure Wohnraum sei in der Tat das wichtigste Thema: „Man muss nach Oberösterreich ziehen, um sich das Wohnen leisten zu können.“ Die abgewählte ÖVP habe das nicht erkannt, stattdessen vor „Links-Links-Grün“ gewarnt. „Aber das interessiert außerhalb der Politik keinen.“ Der ÖVP-Vormann Florian Kreibich fuhr das schlechteste ÖVP-Resultat seit 1945 ein. „Desaströs“, wie er zerknirscht eingestand.

Viele SPÖ-Funktionäre sind vom gemeinsamen linken Erfolg berauscht, immerhin 21 der 40 Gemeinderatsmandate halten künftig SPÖ und KPÖ. Mit den Grünen ist die linke Mehrheit noch größer. Noch wird die KPÖ an der SPÖ-Basis eher als Partner denn als Rivale gesehen. Dankl gab sich am Wahlabend ganz mild, er wolle auch ÖVP-Wähler ansprechen, die bereit seien für „eine andere Politik“. Während in Graz die KPÖ schon mehrfach ideologische Irrläufe aufs Parkett legte – Weissrussland-Fahrten, Unklares in Sachen Ukraine –, ist Dankl eher der Typ Populist. Nicht bei Russland geriet er ins Schwimmen, sondern in der wichtigsten kommunalen Verkehrsfrage, dem „S-Link“-Tunnelprojekt.

„Jetzt gilt’s: Stichwahl am 24. März“

SPÖ-Spitzenmann Auinger hingegen, der schon zwei Stichwahlen 2017 und 2019 gegen die ÖVP verloren hat, kurbelte bereits am Wahlabend für die Stichwahl: Es stehe jetzt wieder „null zu null“, er wolle für alle Salzburger da sein. Die roten Wahlplakate sind bereits mit einem gelben Streifen überklebt: „Jetzt gilt’s: Stichwahl am 24. März“.

Werden Auinger und Dankl nach der Stichwahl den Linksruck vollziehen und vereint die Mozartstadt zur Karl-Marx-Stadt machen? Werden Kommunisten die Salzburger Festspiele eröffnen? Die Option ist da, doch sehr wahrscheinlich ist sie nicht. Auinger gilt noch immer als Bürgermeister-Favorit, er sei „Konsenspolitiker“, sagt er. Der geschlagene FPÖ-Mann Paul Dürnberger hat bereits die indirekte Wahlempfehlung für den „weniger linken Bewerber“ abgegeben: „Alles, nur nicht Dankl“, lautet seine Losung. Siegt Auinger tatsächlich, „dann wird er sich für die ÖVP als Partner entscheiden“, sagt der steirische Ur-Kommunist und Polit-Stratege Franz-Stephan Parteder. Doch das könne die KPÖ als neue Sozialpartei nicht bremsen: „Für die Nationalratswahl nützt uns das.“