Am Mittwoch gingen die ersten Befragungen zum „Cofag-Untersuchungsausschuss“ über die Bühne. Den Anfang machte der Leiter der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, am Nachmittag folgte die Befragung einer ehemaligen Finanzbeamtin. Die beiden großen Oppositionsparteien wollen untersuchen, ob es in der österreichischen Verwaltung eine Bevorzugung von ÖVP-nahen Milliardären gegeben habe und diese Tipps aus dem Finanzministerium bekommen haben, wie sie bei Corona-Förderungen oder bei Steuerangelegenheiten besonders günstig aussteigen können.
Eine Rolle im U-Ausschuss wird Investor Sigi Wolf spielen. Mit dessen Steuer-Causa war unter anderem jene Finanzbeamtin befasst, die den Abgeordneten am Mittwochnachmittag Rede und Antwort stand. Sie habe in dieser Sache 2019 Anzeige erstattet, gab sie vor den Abgeordneten an. Steuerliche Vertreter des Investors hätten nach einem angeschlossenen Prüfungsverfahren versucht, beim Finanzamt auszuloten, ob es eine Nachsicht geben könnte. Obwohl die Einschätzung mehrmals negativ ausgefallen war, sei die Nachsicht dann doch gewährt worden, ohne Wissen der zuständigen Fachabteilung, erinnerte sich die Beamtin. Es sei ihre Verpflichtung gewesen, in einem solchen Fall Anzeige zu erstatten. Inhaltlich sei sie in Wolfs Steuerangelegenheiten nicht involviert gewesen.
Beamtin „schockiert“ von Reaktion von Ex-Finanzminister Müller
Der damalige Finanzminister Eduard Müller (Übergangsregierung um Brigitte Bierlein) sei daraufhin „sehr laut“ geworden, erinnert sich die Befragte. „Er hat uns gefragt, ob wir deppert geworden sind, dass wir Anzeigen machen.“ Das habe sie schockiert.
Die SPÖ fragte weiters zu einem verbotenen Deal zwischen Wolf und einer Finanzbeamtin. Die damalige Finanzamtsleiterin in Wiener Neustadt soll Wolf einen Steuernachlass gewährt haben, Wolf soll sich im Gegenzug beim früheren Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, dafür eingesetzt haben, dass sie dieselbe Funktion in Baden bekleidet. Die befragte Beamtin habe „ein ganz normales Verfahren“ wahrgenommen, sie wisse von keinen Interventionen.
Zu einer Geschäftsordnungsdebatte und einer längeren Stehung führte die Frage von Fraktionsführerin Nina Tomaselli (Grüne) nach Wahrnehmungen der Auskunftsperson zur Besetzung des Finanzamts Braunau – die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft ermittelt in diesem Zusammenhang gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger und Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling. Das sei nicht Teil des Untersuchungsgegenstandes, befand die ÖVP-Fraktion. Es gehe dabei auch um KTM-Chef Stefan Pierer, entgegnete Krainer. Verfahrensrichterin Edwards forderte Tomaselli zunächst auf, einen eindeutigen Konnex zum Untersuchungsgegenstand herzustellen, schließlich wurde die Frage für unzulässig erklärt. Fragen ohne Verbindung zum Untersuchungsgegenstand würden den Ausschuss „ad absurdum führen“, bemängelte ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger.
Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty fragte nach die Frau, ob sie häufig beobachtet hätte, dass Firmen ihren Sitz von Wien nach Innsbruck verlegt hätten, um beim Finanzamt Innsbruck steuerlich besser auszusteigen – diesen Verdacht hegen die Neos bei Benkos Signa. Wahrnehmungen zu einem „Steuerparadies Innsbruck“ habe sie nicht, sagte die Beamtin aus.
Peschorn betonte Zweifel bei Entstehung von Cofag
Den Anfang hatte am Vormittag Wolfang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, gemacht. Dieser hatte bereits in der Vergangenheit scharfe Kritik an der Covid-Finanzierungsagentur (Cofag) geübt, über die Corona-Hilfen für Unternehmen abgewickelt werden. Auch am Mittwoch betonte er seine Zweifel rund um die Corona-Förderungen.
Der 13. März 2020 sei der entscheidende Tag gewesen, sagte er zu Beginn der Befragung. Von diesem Tag an sei klar gewesen, dass Maßnahmen zur Abfederung der Corona-Einschränkungen nötig sein würden, erinnerte sich die Auskunftsperson. Er habe sich bemüht, eine rechtliche Grundlage für die Betroffenen zu schaffen. Doch schnell sei klar geworden, dass die nächsten Monate von einer Vielzahl von Verordnungen geprägt sein würden. „Wem nützt Unklarheit?“, fragte Peschorn.
„Drängen uns mit unserer Expertise nicht auf“
Auch die Finanzprokuratur sei bei der Entstehung der Cofag zunächst nicht eingebunden gewesen, dann im April 2020 kurz um eine Stellungnahme gebeten worden. Danach habe es wieder keine Einbindung gegeben. „Wir drängen uns mit unserer Expertise nicht auf, sind aber zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit, diese zu liefern“, betonte Peschorn.
Schon im Vorfeld hatte Peschorn kritisiert, man habe rund um die Cofag auf „Beraternetzwerke“ zurückgegriffen. Es handle sich dabei um Anwaltskanzleien, die etwa schon bei der Abwicklung der Hypo Alpe Adria tätig waren, präzisierte Peschorn auf Nachfrage von SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer. Es habe wohl einen „Reflex“ gegeben, auch bei den Corona-Förderungen auf diese Personen zurückzugreifen.
Auch zu René Benkos Signa äußerte sich Peschorn, der die Interessen der Republik in den Insolvenzverfahren des Konzerns vertritt. Das Firmenkonstrukt sei „gelebte Intransparenz“, sagte Peschorn vor den Abgeordneten. Das komplexe Konglomerat sei nicht wie ein Konzern geführt worden, habe keine Konzernbilanz im Firmenbuch hinterlegt. Eine solche hätte wohl Einblicke in die tatsächliche wirtschaftliche Situation von Benkos Imperium gegeben.
Peschorn hat nur einmal mit Benko telefoniert
FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker thematisierte den Verkauf des Gebäudes der Postsparkasse an die Signa und die darauffolgende Anmietung der Immobilie durch die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) für 99 Jahre. 120 Millionen Euro seien laut Hafeneckers Berechnungen so in die Tasche der Signa geflossen. Peschorn gab an, über den Deal in den Medien erfahren zu haben.
Mit Benko, den Peschorn meist als „der Tiroler“ bezeichnete, habe er nur ein einziges Mal telefonischen Kontakt gehabt, gab er an. Es sei damals um Kika-Leiner gegangen, Benko habe nach Steuerstundungen gefragt. Peschorn habe ihn darauf hingewiesen, dass diese rechtlich nicht möglich sei.
Tomaselli: „Benko hat sich mit Glanz und Glamour über die Steuergesetze gestellt“
Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli interessierte sich unter anderem für Benkos Privatjet und dessen Villa in Igls, sie ortete rund um Benko ein „steuerliches Perpetuum Mobile“, bei dem Gewinne mit Verlusten jener Gesellschaft gegengerechnet wurden, die für die Vermietung des Signa-Privatjets zuständig war. Deshalb müsse Benko nun vier Millionen Euro Einkommensteuern nachzahlen. Peschorn gab an, ihm seien die entsprechenden Unterlagen noch nicht bekannt.
Benko habe sich „mit viel Glanz und Glamour über die Steuergesetze gestellt“, resümierte Tomaselli später. Dass es eine Sonderbehandlung für Milliardäre gegeben haben, sei „noch klarer, als es davor war“, befand auch Krainer. Bei einem letzten Verfahren im Jahr 2017 habe man Benko mit seiner Konstruktion gewähren lassen, dass er nun Steuern nachzahlen müsse, sah er als Beleg dafür, dass „die ÖVP nicht mehr auf Seite von Benko sitzt, sondern Beamte ihre Arbeit machen lässt.“
Keine Angaben zu Rückzahlungen von Corona-Förderungen
Auf die von der Finanz eingetragene Vormerkung eines Pfandrechts auf die Villa angesprochen, meinte Peschorn, der Schritt der pfandrechtlichen Sicherstellung sei „sehr rasch und sehr früh“ erfolgt. Zu Benkos Einkommenserklärung – dieser habe 2019 bei der Signa knapp 26 Millionen Euro verdient – meinte Peschorn, alle müssten sich an die Abgabengesetze halten. Aber: „Ich führe keine Steuerverfahren.“
Keine Angaben konnte Peschorn zum Stand möglicher Rückforderungen von Corona-Förderungen an die Signa machen. Ab 1. Juli solle die Cofag abgewickelt sein und die Rückforderung den Finanzämtern obliegen. Derzeit sei aber noch die Cofag zuständig, nicht die Finanzprokuratur.
Am Donnerstag werden die Befragungen fortgesetzt. Geladen sind zwei Finanzbeamte, die ebenfalls Wahrnehmungen zu Benkos Signa haben dürften. Den Abschluss der ersten Befragungswoche macht schließlich Marc Schimpel, einer der beiden Geschäftsführer der Cofag.
Ärger um Sichtschutz zwischen Journalisten und Abeordneten
In der Woche darauf startet der „Rot-blaue-Machtmissbrauchsuntersuchungsausschuss“, den die ÖVP eingesetzt hat. Auch ist Peschorn als erste Auskunftsperson geladen. Vorsitzender beider Ausschüsse ist Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), am Mittwoch ließ er sich allerdings durch seinen Parteikollegen Friedrich Ofenauer vertreten.
Für Ärger bei Medienvertreterinnen und -vertretern und zum Teil auch bei den Fraktionen sorgte ein Paravent, der vor zwischen den Abgeordneten und den Journalistinnen und Journalisten aufgestellt wurde – es geht darum, der aufgestellt wurde, um die Sicht auf die Bildschirme der Abgeordneten abzuschirmen. Die Medienarbeit aus den Untersuchungsausschüssen werde massiv behindert, bemängelte die Vereinigung der Parlamentsredakteure.