Die Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl beklagt anlässlich des bevorstehenden Frauentags am 8. März Rückschritte in der Frauenpolitik. Weder bei der Verteilung der unbezahlten Arbeit, noch bei der Kinderbetreuung oder der Einkommensverteilung gebe es Fortschritte, kritisiert sie. „Wir brauchen dringend eine Frauenpolitik, die diesen Namen verdient“, so Anderl am Montag bei einer Pressekonferenz und forderte Maßnahmen wie den Ausbau der Kinderbetreuung, Lohntransparenz und eine Qualifizierungsoffensive.
„Nach wie vor leisten Frauen den Großteil der unbezahlten Arbeit, erziehen die Kinder und pflegen die Angehörigen“, bilanzierte die AK-Chefin. Die Frauenpolitik in Österreich führe nach vielen Kämpfen, die auch viele Erfolge gebracht hätten, nun wieder „ein Schattendasein“, kritisierte sie. Dabei sei es „keine Hexerei und keine Raketenwissenschaft“, so Anderl und appellierte an Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) hier schneller aktiv zu werden.
23 Minuten mehr Sorgearbeit
Die ungleiche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit beginne bereits im Kindesalter, wo Mädchen täglich 23 Minuten mehr Sorgearbeit übernehmen würden als Buben, erklärte die Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der AK Wien, Eva-Maria Burger, unter Verweis auf die Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria. Vorab-Auswertungen des AK-Wiedereinstiegsmonitorings würden außerdem bestätigen, dass bei acht von zehn Paaren weiter ausschließlich die Mutter in Karenz geht.
Zwar habe sich die Wiedereinstiegsquote von Frauen, die vor der Geburt überwiegend beschäftigt waren, bis zum zweiten Geburtstag des Kindes in den vergangenen Jahren klar verbessert, zugleich gehe aber die Väterbeteiligung nach einem Anstieg bis 2017 kontinuierlich zurück. Während 2017 noch 15.095 Männer Kinderbetreuungsgeld bezogen, waren es 2021 nur 11.718.
Dazu kommt, dass die Väter nur sehr kurz in Karenz gehen. Der überwiegende Teil nimmt lediglich zwei Monate in Anspruch. Länger als drei Monate bleiben nur drei Prozent der Männer bei den Kindern, zwischen drei und sechs Monaten sind es zwei Prozent. Länger als sechs Monate geht nur ein Prozent der Väter in Karenz.
Frühe Betreuungsplätze
Um die Situation zu verbessern fordert die Arbeiterkammer, dass die von der Bundesregierung versprochenen 4,5 Milliarden für den Ausbau der Kinderbetreuung rasch bei Gemeinden und Familien ankommen. Einmal mehr sprach sich Anderl für einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag des Kindes aus, für Öffnungszeiten, die eine Vollzeitbeschäftigung ermöglichen, sowie für eine Aus- und Weiterbildungsoffensive in der Elementarpädagogik.
Um die unbezahlte Sorgearbeit in den Familien gerechter zu verteilen, brauche es einen höheren Mindestanteil des Kinderbetreuungsgeldes für Väter. Zudem solle eine faire Aufteilung in den Familien finanziell unterstützt werden. Wenn beide Elternteile nach der Karenz ihre Arbeitszeit für mindestens vier Monate auf 28 bis 32 Wochenstunde erhöhen bzw. reduzieren, sollen pro Elternteil und Monat 250 Euro Pauschale ausbezahlt werden - maximal bis zum 4. Geburtstag des Kindes.
Ausbau der Pflege
Zur Schließung des nach wie vor bestehenden Gender Pay Gaps drängt die Arbeiterkammer weiter auf die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz. Ein Ausbau der Pflege soll Frauen entlasten, die nach wie vor oft automatisch die Pflege von Angehörigen übernehmen. Der Pflegeberuf müsse durch bessere Entlohnung und Rahmenbedingungen attraktiver gemacht werden, so Anderl.
Unterstützung für ihre Forderungen erhielt sie am Montag von SPÖ und Gewerkschaft. „Frauenpolitik soll endlich wieder auf die Überholspur kommen“, meinte die SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner in einer Aussendung und sprach sich ebenfalls für eine geteilte Karenz für beide Eltern, einen Rechtsanspruch auf einen gratis ganztägigen Kinderbildungsplatz, eine rasche Umsetzung der EU-Lohntransparenzrichtlinie sowie höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege aus.
Die ÖGB-Frauen warfen der Regierung Untätigkeit vor. „Es liegen Konzepte für eine mit dem Job vereinbare Kinderbetreuung und ein familienfreundliches Arbeitszeitmodell auf dem Tisch. Man fragt sich, warum die Bundesregierung unsere Konzepte nicht endlich umsetzt und die Frauen in unserem Land entlastet“, so ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende Korinna Schumann laut Aussendung. Zudem forderte sie ein Aufbrechen der Rollenbilder, denn „selbst in Familien, in denen Frauen mehr bezahlte Arbeit leisten als Männer, erledigen Frauen den Großteil der unbezahlten Arbeit“.