Die Salzburger Altstadt ist ein Juwel. Doch es funkelt nicht. In manchen Häusern brennt abends gar kein Licht mehr, und zwar schon länger nicht mehr, in anderen ist vereinzelt Leben auszumachen. Links der Salzach hatten in den 1970ern noch mehr als 4.000 Menschen gewohnt, mittlerweile sind es nur mehr 2.500. Tendenz fallend.
Das Weltkulturerbe ist eine ewige Baustelle, obwohl sich baulich kaum etwas verändert, ja auch nicht verändern darf. Die engen Gassen, die mittelalterlichen Häuser sind gleichsam Segen und Fluch für die Stadt, bringen einerseits Touristen und damit Einnahmen, andererseits Touristen und damit Busse, Massen und indirekt ein ewiges Erstarrungsgebot.
Das strikte Altstadterhaltungsgesetz bedingt, dass eine Anpassung der Wohnungen an gegenwärtige Bedürfnisse schwierig, teuer, manchmal auch unmöglich ist. Sie bleiben leer. Vor der Gemeinderats- und Bürgermeister-Direktwahl am 10. März ist der Leerstand wieder zum Thema geworden. Die Stadt-ÖVP, die seit 2019 die Mandatsmehrheit und den Bürgermeister stellt, spricht von lediglich 2,8 Prozent leeren Wohnungen, SPÖ, KPÖ und Grünen misstrauen den Zahlen und fordern eine lückenlose Erhebung.
„Das Wohnungsproblem wird die Altstadt nicht lösen“, sagt Bernhard Auinger, Vizebürgermeister und Spitzenkandidat der SPÖ. Im historischen Stadtteil verdichten sich aber die drei großen politischen Problemfelder, mit denen die Stadt seit Jahren konfrontiert ist und die auch bei dieser Wahl im Zentrum stehen: Verkehr, Wohnungsnot, Tourismus. Deren wechselseitiger Bezug macht Lösungen nicht einfacher.
Die Kehrseite politischen Handels
Die Komplexität offenbart sich beispielhaft beim konsensualen Kampf gegen Übertourismus. Um der Zehntausenden Busse Herr zu werden, wurden Parkgebühren erhöht und Slot-Systeme entwickelt. Das hat zwar eine Reduktion gebracht, die Stadt-Neos mit Spitzenkandidat Lukas Rupsch fuhren aber den Bussen im Nonntal nach und deckten auf, dass viele nur herumkurven statt zu parken, während die Besucher die Getreidegasse durchwandern. Also noch mehr Verkehr.
Die Kehrseiten politischen Handelns zeigen sich auch beim Wohnen, dem überragenden Thema dieser Wahl. Den Ausbau des gemeinnützigen Wohnbaus, der in Salzburg nur eine untergeordnete Rolle spielt, fordern alle Parteien. Nur wo? Brachen gibt es wenige, Hochbauten passen nicht zum Stadtbild und fast das gesamte Grünland wurde schon vor Jahrzehnten per Deklaration immerwährend geschützt. Das Zauberwort des Wahlkampfes heißt deshalb Nachverdichtung, doch es wird meist von Begriffen wie „mit Augenmaß“ (SPÖ), „sensibel“ (Grünen) und „verträglich“ (FPÖ) begleitet.
Wohnen als überragendes Thema
Warum, ergibt eine simple Nachfrage zum Stadtteil Lehen. Dort wurde vor mehr als zehn Jahren ein riesiger, aber ebenerdiger Supermarkt errichtet. Mittendrin. Wäre es nicht eine gute Idee, diesen zu überbauen? Die von der Kleinen Zeitung befragten Kandidaten winken sofort ab. Nicht in Lehen! Der Bezirk sei ohnehin sehr dicht besiedelt. In der Tat wirkt Salzburg nirgendwo so städtisch wie nördlich des Mönchsbergs. Doch irgendein Aber findet sich immer – und im veränderungsaversen Salzburg gibt es sehr viele davon.
Wie dringlich das Wohnungsthema mittlerweile geworden ist, erzählen die Immobilien-Inserate. Unter 20 Euro pro Quadratmeter ist kaum Wohnraum zu haben, wobei die sich leerende Altstadt noch vergleichsweise günstig ist. Im Durchschnitt geben Haushalte die Hälfte ihres Einkommens fürs Wohnen aus. „Durchschnitt heißt, dass es Haushalte gibt, die dafür 70 Prozent ausgeben. Das ist jenseits von Gut und Böse“, sagt Kay-Michael Dankl, Kandidat der KPÖ Plus.
Wohnen ist Dankls Thema. Zwar kommt keine Partei um dieses Thema herum, aber selbst bei der SPÖ wird es im Wahlprogramm mehr erwähnt als betont. Wohnen sei Dankl, sagt Auinger lapidar. Das zeigt sich auch auf dem Wochenmarkt, wo die Spitzenkandidaten aufgefädelt stehen und Broschüren feilbieten. Für Dankl wird die Verteilaktion zur Sprechstunde. „90 Prozent der Fragen kommen zum Wohnen“, sagt er.
Die Dominanz des Themas gibt dem Kommunisten Chancen auf die Stichwahl, wobei das Rennen zwischen ihm, Auinger und dem neuen ÖVP-Stadtchef Florian Kreibich knapp werden dürfte. Die Nachfolge des scheidenden ÖVP-Bürgermeisters Harald Preuner, der altersbedingt nicht mehr antreten wollte, ist offen. Erlebt die konservative Stadt einen Knalleffekt? Die ÖVP plakatiert drastisch: „Es geht um alles“.
Im Vorjahr ist Salzburger erstmals geschrumpft, dafür wächst der angrenzende Flachgau dynamisch und hat die Stadt einwohnermäßig überholt. Auch das bedingt mehr Verkehr. Florian Kreibich spricht von 57.000 Einpendlern pro Tag. Abhilfe soll der S-Link schaffen, eine Schnellbahn, die die Stadt unterirdisch durchqueren und bis Hallein führen soll.
Die SPÖ war aufgrund der Milliarden-Kosten früh dagegen, die anderen Parteien dafür. Bei einer Einwohnerbefragung fiel das Projekt mit 58 Prozent Nein-Stimmen aber klar durch. Die KPÖ zögert seither und fordert alternative Konzepte. Kreibich sagt: „Ich kenne keine“. Die FPÖ war auch dafür und ist es als Partei noch immer, doch der blaue Spitzenkandidat Paul Dürnberger geht kurz vor der Wahl auf Distanz. „Persönlich bin ich skeptisch. Der Bürger soll entscheiden“. Eine Umfrage im Land ist auch geplant, an die wollen sich alle Parteien halten.
Der S-Link wird am Wahltag vermutlich auch eine Rolle spielen. Felsenfest hinter dem Projekt stehen mittlerweile nur die ÖVP und die Grünen mit Bürgermeisterkandidatin Anne Schiester. Es wäre in der versteinerten Stadt ein Mega-Projekt, geradezu eine Revolution. „Bei uns ist immer sehr viel abgelehnt worden“, klagt Kreibich. Der S-Link würde bis zur Stadtgrenze weitgehend unterirdisch fahren. Denkbar, dass gerade diese Unsichtbarkeit das große Vorhaben in Salzburg ermöglicht.