Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) brachten am Montag einen der größten Rüstungsaufträge der letzten Jahrzehnte unter Dach und Fach. Diesmal profitieren die Landstreitkräfte davon, besonders die Jägertruppe. 225 Radpanzer „Pandur Evolution“ werden beginnend ab 2025 bis zum Jahr 2032 anrollen, der Vertrag mit dem Hersteller GDELS (früher Steyr Sonderfahrzeuge) in Wien-Simmering mit einem Volumen von rund 1,8 Milliarden Euro wurde im Rahmen einer Pressekonferenz unterschrieben.

„Jetzt beginnt eine neue Zeit im österreichischen Bundesheer“, sagte Nehammer vor der Vertragsunterzeichnung im GDELS-Werk. Man habe – „so ehrlich müssen wir sein“ – jahrzehntelang zu wenig getan für die militärische Landesverteidigung, nun befinde man sich in einem permanenten Prozess des Nachrüstens. Der nächste große Schritt sei der Beitritt zum Raketenabwehrschild „Sky Shield“, so der Kanzler, der einmal mehr Bedenken hinsichtlich der Neutralität zur Seite schob.

Ministerin Tanner sprach die 25-jährige Geschichte des Pandur-Radpanzers im Bundesheer an. 177 Exemplare wurden seit 1994 insgesamt beschafft. Eine gemeinsame Entwicklungskooperation habe zur Version A2 geführt, nun kommen zu den bestehenden drei Varianten neun weitere dazu. „Das ist das größte Paket, das wir jemals im Bereich der Landstreitkräfte investiert haben“, hielt Tanner fest. Zusätzlich zu der Investitionssumme von 1,8 Milliarden fließen weitere Mittel in den Logistikbereich. Die Ressortchefin sprach auch das Personalproblem an, die personelle Komponente würde jedoch parallel zum „Aufbauplan 2032“ mitgeplant, der Aufwuchs sei damit sichergestellt.

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Lücke wird geschlossen

Doch wozu braucht das Bundesheer die insgesamt rund 330 Mannschaftstransportpanzer (inklusive der 2016 eingeleiteten Beschaffung von 100 „Pandur EVO“)? Schon im Zustandsbericht über das Bundesheer von Übergangsminister Thomas Starlinger 2019 wurde der Bereich „geschützte Mobilität“ als eine der größten Lücken in der Ausstattung definiert. Ohne entsprechenden Schutz gegen Granatsplitter, Minen, Drohnen oder direkten Beschuss durch Infanteriewaffen fahren Soldaten heutzutage „nicht einmal mehr aus der Kaserne heraus“, wie es ein hoher Offizier ausdrückt. Kamen Österreichs Pandur-Radpanzer bisher vor allem in Auslandsmissionen (KFOR im Kosovo) zum Einsatz – und werden das auch weiterhin tun –, so spielen sie im neuen Konzept der militärischen Landesverteidigung eine tragende Rolle. Dieses basiert auf deutlich erweiterten Fähigkeiten in der Aufklärung sowie einer hohen Beweglichkeit der Truppen.

Dementsprechend sieht der „Aufbauplan 2032“ des Bundesheeres eine Vollausstattung aller drei Jägerbataillone der 3. Jägerbrigade („Schnelle Kräfte“) mit dem „Pandur EVO“ vor. Am weitesten fortgeschritten ist dieses Vorhaben beim Jägerbataillon 17 im steirischen Straß, das als Pandur-Kompetenzzentrum auch wesentlich an der Entwicklung des neuen Mannschaftstransportpanzers beteiligt war. Die anderen Verbände in Güssing (B) und Zwölfaxing (NÖ) sollen genauso mit ausreichend Panduren ausgestattet werden, in weiterer Folge das Miliz-Jägerbataillon Burgenland und das Pionierbattaillon 3 in Melk (NÖ).

Vielseitige Plattform

Der „Pandur EVO 6x6“ (3 Achsen) wird allerdings nicht nur in seiner Funktion als Mannschaftstransportfahrzeug für bis zu elf Soldaten mit ferngesteuerter und elektronisch stabilisierter Waffenstation zum Rückgrat der Jägertruppe. Das Bundesheer will ihn als vielseitig verwendbare Plattform für die wichtigsten Aufgaben im modernen Gefechtsfeld nutzen. Zwölf verschiedene Ausstattungsvarianten werden letztlich der Truppe zur Verfügung stehen. Die Flottenerweiterung umfasst konkret Sanitäts-, Panzerabwehr-, Funkaufklärungs-, Funkstör-, Beobachtungs-, Aufklärungs-, Granatwerfer-, Pionier- und Fliegerabwehrfahrzeuge.

Der Innenraum des neuen „Pandur EVO“ bietet noch mehr Platz und ist über eine Rampe statt wie bisher über Hecktüren erreichbar.
Der Innenraum des neuen „Pandur EVO“ bietet noch mehr Platz und ist über eine Rampe statt wie bisher über Hecktüren erreichbar. © APA / Roland Schlager

Nicht zuletzt die Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg haben die Planer im Verteidigungsministerium davon überzeugt, dass für Militärkonvois eine begleitende Fliegerabwehr unverzichtbar ist. Die Wiedererlangung dieser Fähigkeit strebt man in einer Kombination mit dem Pandur an. Die Rede war zuletzt vom System „Skyranger“ von Rheinmetall, das in dem Fahrzeug integriert werden könnte. Dabei erhält die Besatzung über die Sensorik an Bord ein eigenständiges Luftlagebild, kann aber auch jenes des Goldhaube-Systems eingespielt bekommen. Langfristig sollen alle vier Landbrigaden mit Begleitschutz-Fliegerabwehr ausgestattet werden.

Made in Austria

Die relativ hohen Anschaffungskosten für die 225 „Pandur EVO“ – mit 1,8 Milliarden Euro befindet man sich in der Größenordnung der Eurofighter – sind wohl auf diese hochkomplexe Zusatzausstattung sowie die inkludierten Logistik-, Ersatzteil- und Werkzeugpakete zurückzuführen. Aber auch die Inflation trieb die Kosten zuletzt gewaltig nach oben. Immerhin bleiben mehr als 70 Prozent der Wertschöpfung in Österreich, an die 220 heimische Firmen liefern GDELS bei diesem Projekt zu. Wichtige Komponenten der Panzerwanne werden etwa in der Maschinenfabrik Liezen geschmiedet. Mit den nun notwendigen Baumaßnahmen in den Kasernen wird das Gesamtvolumen wohl deutlich über zwei Milliarden Euro liegen.