Als Nationalstaat „mit einer kleinen Nadel zu wedeln“ werde nicht reichen, sagt Vizekanzler Werner Kogler (Grünen). Um Hass und Hetze in den sozialen Medien zu bekämpfen, „müssen wir gemeinsam in der EU eine große Lanze schmieden“. Ebendiese „große Lanze“ wird mit Samstag wirksam. Denn am 17. Februar 2024 treten die Begleitgesetze der EU-Mitgliedstaaten zum „Digital Services Act“ in Kraft. Mit diesem – so die Hoffnung der Staatengemeinschaft – soll die Verbreitung von gefährlichen Inhalten und Desinformation auf Online-Plattformen eingedämmt werden, auch gegen Hass im Netz soll es mehr Handhabe geben. Betroffen sind Soziale Netzwerke wie Facebook aber auch Online-Händler wie Amazon. Einen „Meilenstein im Kampf gegen Hass im Netz“ sieht auch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP).
Frage und Antwort zum Digital Services Act
„Effektiv, rasch und kostengünstig“ soll die Verfolgung von Hass und Desinformation im Netz künftig sein, kündigt Justizministerin Alma Zadic an. „Damit wollen wir insbesondere Frauen schützen, die im besonderen Ausmaß von Hass und Hetze im Internet betroffen sind“, so die grüne Ministerin gegenüber der Kleinen Zeitung. So ist im österreichischen Begleitgesetz etwa festgeschrieben, dass Gerichte die Löschung von Postings künftig per E-Mail verlangen dürfen – bisher musste die Anordnung postalisch zugestellt werden. Wer Opfer von erheblicher Ehrenbeleidigung auf einer Social-Media-Plattform wird, soll Anspruch auf Schadenersatz haben. Überwachen wird die Einhaltung des Gesetzes in Österreich die Kommunikationsbehörde KommAustria.
Hohe Strafen bei Verstößen
Bereits 2022 hat der Digital Services Act das Europäische Parlament passiert, das österreichische Begleitgesetz wurde im Dezember 2023 im Nationalrat beschlossen. Die strengsten Auflagen gelten EU-weit für Plattformen, die in der Europäischen Union monatlich mehr als 45 Millionen Nutzerinnen und Nutzer haben. Unter anderem müssen Soziale Medien Meldeverfahren für illegale Inhalte etablieren, online Marktplätze müssen sicherstellen, dass sichere Waren und Dienstleistungen auf ihren Websites angeboten werden. Halten sich die Konzerne nicht an die Regeln, drohen saftige Strafen: Bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes können Verstoße kosten.
Kritik gab es im Vorfeld von einigen Bürgerrechtsbewegungen, zusammengeschlossen zur Plattform „European Digital Rights“. Sie bewerteten nach dem Beschluss auf EU-Ebene die Maßnahmen teilweise als überschießend und befürchten zu starke Einschränkungen sowie eine Ausweitung der rigiden Regeln auf kleinere Plattformen.
Die beiden ÖVP-Staatssekretäre Susanne Kraus-Winkler (Tourismus) und Florian Tursky (Digitalisierung) drängten am Freitag erneut auf eine Online-Klarnamenpflicht. Diese könnte auf Basis des Digital Services Act durchgesetzt werden, regte Tursky bei einer Pressekonferenz an, wobei auch kleinere Plattformen von den Regeln umfasst sein sollten. Gefordert hatte die ÖVP die Abkehr von Online-Anonymität zuletzt im Zusammenhang mit Online-Bewertungen bei Hotels und in der Gastronomie. Tourismusverbände hatten zuvor über mutmaßliche Fake-Rezensionen geklagt. Der Koalitionspartner erteilte der Forderung allerdings eine Absage.