Dass ÖVP-Obmann Karl Nehammer für seinen „Österreichplan“ Unterstützung von seinen türkisen Regierungskollegen erhält, ist wenig verwunderlich. So gesehen war es nicht überraschend, dass auch Wirtschaftsminister Martin Kocher die steuer- und arbeitsmarktpolitischen Vorschläge in dem Programm teilt, auch wenn der ehemalige IHS-Chef kein ÖVP-Mitglied ist. Bei einem Hintergrundgespräch am Mittwoch offenbarte Kocher aber auch differenzierte Sichtweisen zum Programm.

Ein Vorschlag Nehammers war von Kocher selbst gekommen. Zumindest hatte der Ökonom in einem Blog-Eintrag vor einigen Wochen einen Senkungspfad bei Lohnnebenkosten von 0,5 Prozent pro Jahr gefordert, der sich dann auch im ÖVP-Plan wiederfand. Das sei zwar ambitioniert, aber machbar, sagte der Minister und verwies auf eine bereits wirksame Senkung in genau diesem Ausmaß in den vergangenen zwei Jahren.

Konkret nannte der Minister den Familienlastenausgleichsfonds und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Im ersten Fall müsste der Zuschuss aus dem Budget entsprechend erhöht werden, da es sich um garantierte Familienleistungen handelt. Im zweiten Fall gebe es deshalb einen Spielraum, „weil wir automatisch aufgrund der demografischen Entwicklung weniger Arbeitsuchende haben werden“. Im aktuellen Bundesfinanzrahmen bis 2026 sind Überschüsse bei der Arbeitslosenversicherung von 1,3 Milliarden Euro prognostiziert.

Bei dem Pressetermin erläuterte Kocher seine grundsätzlichen Überlegungen dazu, die vor allem mit dem Arbeitskräftemangel zu tun haben. „Beim nächsten Wirtschaftsaufschwung wird er noch spürbarer“, sagte er. Angesichts der demografischen Entwicklung wird sich das Problem auch nicht so schnell erledigen. Da die Erwerbsquote bereits bei 77,5 Prozent liege, sei der Plafonds bei der Beschäftigung nicht mehr weit entfernt, so Kocher.

Kocher ortet Zielkonflikt bei Einkommensteuer

Gleichzeitig sinkt die Anzahl durchschnittlich geleisteter Arbeitsstunden. Von 2019 auf 2022 nahm sie laut Kocher von 31,5 auf 30 Stunden ab. „Die hohe Teilzeitquote ist dafür ein Hauptgrund.“ Deshalb hält der Ökonom die im ÖVP-Programm bis 2030 angerissene Stoßrichtung, mit Entlastungen die Vollzeit anzureizen, für wichtig. Die Lohnnebenkosten sieht er dafür als größeren Hebel im Vergleich zu weiteren Maßnahmen bei der Einkommensteuer, bei der man bereits „an gewisse Grenzen“ stoße.

Im „Österreichplan“ ist aber auch dazu etwas vorgesehen, nämlich eine Reduktion der ersten Tarifstufe von 20 auf 15 Prozent. Da die zweite Stufe bei 30 Prozent bliebe, wäre der Sprung erheblich. Könnte das nicht dem ausgegebenen Vollzeit-Ziel entgegenwirken? „Man will damit Geringverdiener entlasten, aber der nächste Schritt wäre dann eben sehr hoch. Darin steckt ein Zielkonflikt“, sagte Kocher.

Vollzeitarbeit will die ÖVP auch mit der steuerlichen Befreiung von Überstunden fördern. Das hält Kocher für eine gute Idee, man müsste sich aber ansehen, ob es da Obergrenzen geben soll. Und man müsste auch aufpassen, dass es nicht zu viele Überstunden werden, da dies möglicherweise einem anderen Ziel entgegenwirkt, das im ÖVP-Programm enthalten ist: dem längeren Arbeiten und späteren Pensionsantritt. „Ich halte einen Anreiz für Überstunden auch für falsch, sondern es geht darum, jene zu belohnen, die Überstunden leisten müssen.“