Die Schlange ist lang. „Die wollen doch nicht alle zu der Veranstaltung?“, fragt eine Frau ungläubig. Doch, wollen sie. Bierpartei-Gründer und Musiker Dominik Wlazny hat via Social Media zur „großen Versammlung“ der Parteimitglieder geladen. Hunderte sind dem Ruf ins „Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz“ im 15. Wiener Gemeindebezirk am Freitagabend gefolgt.
„Mehr Möglichkeiten für die Jugend mitzugestalten, einen besseren Zugang zu Kassenpsychologen, billigeres Essen in den Mensen der Unis und ein universelles Wahlrecht für EU-Bürger.“ Ein junger Mann in der Schlange hat konkrete Vorstellungen, welche Themen er im Laufe des Abends aufs Tapet bringen will. Die meisten bleiben weniger konkret. Bildung und Migration sind einer Frau die wichtigsten Anliegen, die eigens aus Graz angereist ist. Sie ist in der Erwachsenenbildung tätig, „da erlebt man einiges“, sagt sie. Das Stichwort Bildung fällt immer wieder, auch Umverteilung und Armutsbekämpfung stehen bei den Wartenden hoch im Kurs. „Und eine menschliche Politik“, fügt ein Mann hinzu. Im Laufe des Abends werden die Anwesenden an mehreren Tischen bei zünftiger Atmosphäre und ausreichend Bier konkrete Themen erarbeiten, mit der die Bierpartei in die kommende Nationalratswahl gehen soll, auch organisatorische und strukturelle Fragen sollen geklärt werden. Dieser Prozess ist allerdings ausschließlich Parteimitgliedern zugänglich, Medienvertreter werden nach einer kurzen Ansprache Wlaznys nach draußen gebeten.
„Ein Drittel“ der 20.000 Parteimitglieder erreicht
Dieser wird im Speisesaal des Schutzhauses mit viel Applaus empfangen. Kürzlich hat die Bierpartei angekündigt, bei der heurigen Nationalratswahl antreten zu wollen, vorausgesetzt es finden sich 20.000 Parteimitglieder oder ein entsprechender Betrag an Spenden. „In nur zwei Wochen haben wir ein Drittel dieses Ziels erreicht“, verkündet Wlazny, auch bekannt als Turbobier-Sänger Marco Pogo. „Jetzt müssen wir den FC Simmering fit für die Bundesliga machen!“ Die Menge jubelt. Es gelte, Freiwillige zu finden, die unter anderem beim Einsammeln von Unterstützungserklärungen oder der Organisation von Stammtischen in allen Bundesländern helfen sollen. Auch Expertinnen und Experten, die ihr Know-How einbringen möchten, seien gefragt, erklärt Wlazny.
Umfragen räumen der Bierpartei Chancen ein, tatsächlich die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in den Nationalrat zu überspringen. Bei der Bundespräsidentenwahl konnte Wlazny immerhin gut acht Prozent der Stimmen für sich gewinnen. Vor allem bei Jungen hat der 37-Jährige gepunktet. Am Freitagabend sind alle Altersgruppen vertreten, Männer mittleren Alters dürften in der Mehrheit sein. „Ihr habt die Chance, euch einzubringen, mitzumachen und das zarte Pflänzchen Bierpartei mitzugestalten“, ruft ihnen Wlazny von der Bühne aus zu.
„Teil einer Reformbewegung“
Dass die Bierpartei offenbar ihre Anhänger findet, dürfte einigen anderen Parteien Kopfzerbrechen bereiten. Vor allem das Umfeld der SPÖ reagierte verschnupft auf den angekündigten Antritt in den sozialen Netzwerken, man befürchtet Nachteile für den eigenen Parteichef Andreas Babler. Doch die meisten auf der Veranstaltung sind politisch nicht eindeutig zu verorten. Viele haben früher grün gewählt, einige die ÖVP. „Aber die sind mir einfach nicht progressiv genug“, erklärt ein junger Teilnehmer. Der Großteil der Anwesenden sind ohnehin bekennende Wechselwähler, die bisher nirgends so recht ihre politische Heimat gefunden habe. „Ich hab alles schon gewählt, SPÖ, FPÖ, Neos ... wirklich quer durch die Bank“, erzählt eine Frau. Nur vereinzelt bekennen sich Menschen dazu, schon länger keine gültige Stimme mehr abgegeben zu haben.
Was die – teils erst vor wenigen Tagen beigetretenen – Parteimitglieder eint, ist die Sehnsucht nach etwas Neuem. Einen „frischen Wind“ wünschen sich fast alle im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Das weiß auch Dominik Wlazny. „Ihr könnt jetzt mit Stolz verkünden, ‚ich bin Teil einer Reformbewegung‘“, ruft er in die Menge. Tosender Applaus füllt das Schutzhaus.