Trotz der Warnungen der heimischen Militärs vor der mangelnden Wehrfähigkeit des Bundesheeres angesichts der sich eintrübenden Sicherheitslage in Europa sieht Bundeskanzler Karl Nehammer keinen Grund, an der Dauer des Grundwehrdienstes etwas zu ändern. „Die Bereitschaft, das Vaterland mit der Waffe zu verteidigen, ist ein wichtiger Bestandteil einer wehrhaften Demokratie. Sechs Monate sind genug“, so Nehammer im Interview mit der Kleinen Zeitung.
Die Wiedereinführung von Milizübungen sieht Nehammer skeptisch – allerdings aus Rücksicht auf die Wirtschaft: „Für den Arbeitsmarkt wäre ein solcher Schritt nachteilig. Angesichts des Arbeitskräftemangels würde das aktuell zusätzlich unsere Wirtschaft belasten. Man kann sich freiwillig verpflichten. Das Bundesheer muss derzeit sein Auslangen finden.“ Der ÖVP-Chef ist ja selbst Milizoffizier. „Meine Rolle ist ruhend gestellt worden, seit ich Teil der Bundesregierung bin.“
An der Neutralität hält der Kanzler fest, räumt allerdings ein, dass diese kein Wundermittel sei: „Nur eine wehrhafte Demokratie kann ihre Neutralität auch schützen. Daher braucht es die Verteidigungsbereitschaft und Wehrfähigkeit, die wir als Land auch selbst bereitstellen müssen.“ Er spreche lieber von Verteidigungsfähigkeit als von Kriegstauglichkeit – bei der jüngsten Präsentation des Berichts über aktuelle Bedrohungsszenarien hatten höchste Militärs die „Kriegsfähigkeit“ des Bundesheers eingefordert.
Kanzler sieht Leitkultur als Gegenmittel gegen nationalistisches Modell
Nehammer verteidigt im Gespräch in seinem Büro seine im „Österreichplan“ der ÖVP aufgestellte Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung der Leitkultur. „Ich will nicht, dass die Radikalen das Thema Leitkultur besetzen, sagen, wie man sich hier zu verhalten hat, und dann daraus ein nationalistisches Modell machen. Wir müssen der von Hass getriebenen Diskussion ‚Wir gegen die anderen‘ Einhalt gebieten.“ Stattdessen sollten die Spielregeln aus der Mitte der Gesellschaft definiert werden.
Wie die Leitkultur verankert werden könnte, lässt er offen: „Wer zu uns kommt, kommt freiwillig. Wem es bei uns nicht passt, soll woanders hingehen.“ Österreichs Gesellschaft sei vielfältig, fordere Respekt, Toleranz sowie die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein. „Wir müssen uns überlegen, was wir tun, wenn Menschen unseren Wertekodex ablehnen. Das ist ein komplexes Unterfangen. Es ist notwendig, weil sonst das Grundverständnis nachlässt, dass wir Menschen aus anderen Kulturen aufnehmen, um hier zu arbeiten.“
Auch Kogler sei bereit, das Land mit der Waffe zu verteidigen
Nehammer rechtfertigte das in Wels heraufbeschworene Duell mit FPÖ-Chef Herbert Kickl: „Ich bin Amtsinhaber, er fordert mich heraus. Das ist auch bei einem Boxkampf so.“ Kickl könne kein Partner sein, weil mit ihm „kein Staat zu machen“ sei. Dieser lebe „die dunkle Erzählung, die Verschwörung. Wenn jemand sagt, er nimmt den Begriff ‚rechtsextrem‘ wie einen Orden an, den er sich stolz umhängt, dann nimmt er sich aus dem Spiel“.
Dass sein „Österreichplan“ leichter mit der FPÖ als mit anderen Parteien realisierbar sei, will Nehammer nicht gelten lassen. „Wer hätte uns zugetraut, dass wir mit einem links-alternativen Partner die kalte Progression abschaffen und die Körperschaftssteuer senken?“ Grünen-Chef Werner Kogler sei „auch bereit, das Land mit der Waffe zu verteidigen. Es gibt immer Momente, wo man sich dann trifft“.