Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sieht ihre Partei bereit dafür, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Für die Nationalratswahl im heurigen Jahr sei man jetzt schon „gut aufgestellt“ und „entschlossen, Verantwortung zu übernehmen“, sagte sie im APA-Interview. Ein vorgezogener Wahltermin würde die Pinken nicht am falschen Fuß erwischen, so Meinl-Reisinger: „Wir sind wie die Pfadfinder: allzeit bereit!“
Regulär wird der Nationalrat im Herbst gewählt. Zuletzt gab es Spekulationen, dass die ÖVP mit einem Vorziehen des Urnengangs auf Mai liebäugle. „Dann müssten wir halt die Listenerstellung vorziehen“, so Meinl-Reisinger. Aber wenn man sich ansehe, wie sich die Regierungsfraktionen in den Untersuchungsausschüssen gegenseitig anschütten und bei wichtigen Reformen Stillstand herrsche, wäre es wohl wirklich besser, die Bürgerinnen und Bürger nicht länger warten zu lassen.
Kandidaten in dreistufigem Verfahren ausgewählt
Die Listenerstellung werde bei den Pinken nach dem gewohnten, dreistufigen System ablaufen, mit Online-Vorwahl, Parteivorstand und Mitgliederversammlung. Aktuell seien die Vorwahlen für März angesetzt, die Liste soll dann am 20. April stehen.
Zudem starte man schuldenfrei in das Wahljahr, betonte Meinl-Reisinger. Man werde die insgesamt sechs Urnengänge mit EU- und Nationalratswahl sowie je zwei Landtags- und Gemeinderatswahlen „gut bestreiten“ können. „Und was ich versprechen kann, ist, dass wir das natürlich wieder transparent machen werden, dass die Einnahmen und Ausgaben offengelegt werden“, so die Neos-Chefin. Jede Steuerzahlerin und jeder Steuerzahler habe das Recht, dass die Parteien Rechenschaft darüber ablegen, was diese mit dem Geld machen.
ÖVP, SPÖ und Grüne „wirken ausgebrannt“
„Wir haben uns in den letzten Jahren sehr gewissenhaft professionalisiert und so aufgestellt, dass wir gesagt haben, wir sind bereit, auch Verantwortung zu übernehmen, und zwar mit ganz konkreten Lösungen für die Menschen in Österreich“, betonte die Neos-Chefin. Dies sei in der hiesigen Politik zuletzt „aus dem Blick geraten“. Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne, aber auch die SPÖ wirkten „ausgebrannt“.
Den Neos gehe es darum, den Standort Österreich und die Wettbewerbsfähigkeit wieder zu stärken, die Bildung nach vorne zu bringen und vor allem die Menschen steuerlich zu entlasten. Als wichtigste Maßnahme nannte Meinl-Reisinger, die Steuerquote auf 40 Prozent zu senken. Absolutes No-Go für die Pinken sind weitere Steuererhöhung: „Zusätzliche Steuern kommen mit uns nicht infrage.“ Die Mitte sei ohnedies „extrem unter Druck“.
Schnittmengen auch zur FPÖ
Schnittmengen erkenne sie zu allen Parteien, auch zur FPÖ, erklärte die Neos-Chefin. Zwar könne man sich keine Koalition mit den Freiheitlichen vorstellen, „aber inhaltlich gibt“s auch da Schnittmengen“, so Meinl-Reisinger: „Die FPÖ spricht viele Themen richtig an.“ Allerdings fehle ihr der Wille zur Zusammenarbeit, zudem würden die Freiheitlichen keine Lösungen präsentieren: „Also, zu schreien, was das Problem ist, ist eine Sache, aber wir bieten auch Lösungen. „Zudem lehnt sie die freiheitlichen Visionen wie „Festung Österreich„ oder den „Öxit„ ab.
Andererseits hält Meinl-Reisinger nichts von einer wie von Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler ins Spiel gebrachten „Allianz der konstruktiven Kräfte“, um Herbert Kickl als Kanzler zu verhindern: „Ich glaube, dass ‚alle gegen Kickl‘ noch kein Problem löst.“ Derartige Ansagen würden Kickl immer stärker machen. „Das ist doch genau die Batterie, an die er sich anstecken will“, so Meinl-Reisinger: „Ich möchte es gerne umdrehen und sagen, wo sind denn die Punkte, wo die FPÖ bereit wäre zur Zusammenarbeit.“
Van der Bellens Ankündigung „nicht klug“
Auch die „apriori Äußerung“ von Bundespräsident Van der Bellen vor einem Jahr, wonach er sich offen lasse, Kickl als Kanzler anzugeloben, hält Meinl-Reisinger „nicht für klug“. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass es keinen Automatismus gibt, dass die stärkste Partei den Kanzler stellt, sondern dass auch diese eine Mehrheit suchen muss. „Es braucht von allen Seiten einen Willen zur konstruktiven Zusammenarbeit.“
Als Ziel für die EU-Wahl formuliert Meinl-Reisinger zwei Mandate. Die weit größere Frage sei aber, ob man den „Kipppunkt“ aufhalten könne, schließlich stünden die Nationalisten in vielen Ländern vor einer Stärkung. „Da mache ich mir große Sorgen.“ Die Kandidatenliste für die EU-Wahl fixieren die Neos am 27. Jänner bei einer Mitgliederversammlung in Rankweil in Vorarlberg. Meinl-Reisinger hat sich bereits hinter den Abgeordneten Helmut Brandstätter als Spitzenkandidaten gestellt. Er stehe „massiv“ für die pinke Europa-Position, sagte die Neos-Chefin: „Und er steht glaubwürdig dafür, dass diese Freiheit und unser Modell, unser “European way of Life‘, für die nächste Generation bewahrt bleibt.“