In Deutschland sind die Bauern auf den Straßen, für Montag ist eine Großkundgebung in Berlin gegen die Kürzungspolitik der deutschen Ampel-Koalition geplant – und in Österreich? Hierzulande ist die Stimmung unter den Agrariern weniger emotional, aber Zukunftsängste sind dennoch allgegenwärtig.
Das hat zum einen mit der wirtschaftlichen Situation zu tun. 2022 stiegen die Nettounternehmensgewinne der landwirtschaftlichen Betriebe – bedingt durch die Folgen des Ukraine-Kriegs – um stolze 28,5 Prozent; doch die Freude währte nur kurz: 2023 kam der Absturz um 26,6 Prozent – die kriegsbedingten Preissteigerungen bei Getreide waren passé, dafür blieben die Kosten für Dünger und Diesel hoch.
Strukturwandel seit 100 Jahren
Zum anderen machen strengere Regeln beim Tierschutz den Betrieben das Leben schwer; erst kürzlich hat der Verfassungsgerichtshof eine Verkürzung der Übergangsfrist beim Verbot von Vollspaltenböden in der Schweinehaltung angeordnet. Hinzu kommen die strukturellen Folgen des Klimawandels – von zu viel und zu wenig Wasser über häufigeren Hagel bis zu Frost im Frühjahr.
Andererseits ist die Angst um die wirtschaftliche Existenz für die Bauern nicht neu: „Den Strukturwandel gibt es seit 100 Jahren“, sagt Franz Sinabell, Agrar-Experte des Wifo. 2023 gab es in Österreich nur noch 109.808 Bauernhöfe, 1995 waren es noch fast 200.000. Die Sorge, dass es grundsätzlich jeden Betrieb erwischen kann, ist begründet: „Jeder Betrieb muss überlegen, wie er überleben kann.“
Auch für den Präsidenten des ÖVP-Bauernbunds Georg Strasser kam der Einkommenseinbruch 2023 nicht überraschend. Was ihm mehr Sorgen bereitet, ist die langfristige Entwicklung, die auf eine Stagnation der Bauerneinkommen seit zehn Jahren hinausläuft. „Was wir brauchen, ist ein deutlicher Aufwärtstrend“, sagt Strasser.
Die Bergbauernförderung sowie das Agrarumweltprogramm ÖPUL (freiwillige Mehrleistungen für Klima- und Umweltschutz) wurden durch zusätzliche Mittel um je 8 Prozent erhöht und damit wert angepasst. Was die übrigen Bereiche angeht, sieht Strasser die Bauern von Entwicklungen der internationalen Märkte sowie den Kaufentscheidungen der Konsumenten abhängig: „Höchste Produktionsstandards in Sachen Tier- und Umweltschutz kann es nur mit fairen Preisen für unsere Produkte geben.“
Strengere Regeln für AMA-Gütesiegel
Aber es gibt noch einen weiteren entscheidenden Faktor: die heimische Politik. Auslöser für die Proteste in Deutschland waren kurzfristige und schlecht kommunizierte Kürzungen, etwa beim Diesel-Privileg und der Befreiung von Traktoren von der KfZ-Steuer. In Österreich ist die Mineralöl-Rückvergütung zwar schon seit zehn Jahren abgeschafft und die CO2-Abgabe wird über flächenbezogene Rückvergütungen refundiert, wie Wifo-Experte Sinabell erläutert. Doch es bleiben genügend Bereiche, wo Änderungen äußerst schmerzhaft werden, allen voran die Pauschalierung bei der Einkommensversteuerung, bei Pensionen oder Förderungen.
Kritik an diesen Vorteilen wird immer wieder laut, Änderungen scheiterten bisher verlässlich an der ÖVP. Umgekehrt zählen die Bauern zu deren treuesten Wählern. Entsprechend ist Strasser auch einer der Stellvertreter des Klubobmanns im Nationalrat. Von daher sind die schlechten ÖVP-Umfragewerte ein Damoklesschwert, könnte sie doch nach den kommenden Wahlen erstmals nach 38 Jahren nicht mehr in der Regierung sitzen. Das gelte es, so Strasser, „unbedingt zu verhindern“.
Mitentscheidend für die Akzeptanz von Subventionen wird aber auch die Glaubwürdigkeit bei umwelt- und tiergerechter Produktion sein. Das weiß Strasser, weshalb – nach negativen Aufregern – seit zwei Jahren an mehr Transparenz, strengeren Kontrollen und höheren Standards gearbeitet werde. Dazu gehört eine Reform des AMA-Gütesiegels, das bisher für Milch, Fleisch, Eier und Erdäpfel gilt und künftig auch für Getreide gelten soll. Damit will Strasser sicherstellen, dass „in Kaisersemmeln wirklich nur heimische Zutaten enthalten sind“.