„Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt“: Mit diesem legendären Satz soll der US-Komiker Groucho Marx einst per Telegramm dem berühmten „Friars Club“ in New York seinen Austritt mitgeteilt haben: Gut möglich, dass SPÖ-Chef Andreas Babler sogar über eine solche Form der Mitteilung glücklich wäre. Hauptsache, Alfred Gusenbauer ist nicht länger ordentliches Mitglied der SPÖ.

Formal ist Gusenbauer nur eines von 150.000 Mitgliedern. Aber der 63-jährigen Niederösterreicher ist nicht irgendwer in der SPÖ, sondern dieser eng verbunden und darüber hinaus ehemaliger Vorsitzender (2000 bis 2008) und Bundeskanzler (2007 bis 2008). Ihm ist 2006 gelungen, was Babler 2024 erst schaffen muss: die SPÖ aus der Opposition wieder zur stimmenstärksten Kraft zu machen.

Gusenbauer als lebender Widerspruch zu Bablers Versprechen

Babler will die SPÖ mit einem klassenkämpferischen Linkskurs an die Macht bringen. Er trifft damit einen Nerv der Zeit, vor allem in Teilen der eigenen Funktionäre, die sich nach einem Populismus sehnen, der die angeblichen oder tatsächlichen Privilegien von Millionären und Milliardären ins Visier nimmt. Da passt der eigene Ex-Kanzler schlecht ins Bild.

Warum, liegt auf der Hand: Die lukrative Geschäftsbeziehung Gusenbauers zu René Benko begann nur wenige Wochen nach seinem Rücktritt 2008. Bis vor kurzem agierte er neben dem Beirat auch in den Aufsichtsräten der wichtigsten Signa-Gesellschaften. Gleichzeitig stellte er Millionenhonorare für Beratungsleistungen in Rechnung und meldete nun rund 6 Millionen Euro an Forderungen an die Insolvenzmasse an. Für einen Aufsichtsrat, der die Geschäftsführung kontrolliert, eher ungewöhnlich. Zumal er als Aufsichtsvorsitzender von Hans-Peter Haselsteiners Strabag-Konzern fungierte, der selbst kein kleiner Investor bei Benko ist.

Richtig ist, dass auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz gut mit Benko im Geschäft war. Aber erstens ist Kurz das Problem von Karl Nehammer als ÖVP-Chef und zweitens haben die Türkisen kein Problem mit Millionengehältern und Konzernen. Auch die Neos werden irgendwann mit der Rolle ihres Großspenders Haselsteiner in der Causa beschäftigt werden.

Doch auch Babler hat bisher nicht viel mehr getan, als sich mit empörten Unterton von Gusenbauerzu distanzieren. Genau das machen ihm Kritiker zum Vorwurf – nicht nur in diesem Fall. Dabei fehlen ihm für echte Maßnahmen, zumindest in diesem Fall, die Mittel. Weil Parteien demokratisch verfasst sein müssen, ist es nicht leicht, missliebige Mitglieder loszuwerden. Dazu braucht es einen handfesten Verstoß gegen die Statuten. Viel Geld zu verdienen, zählt nicht dazu.

Kein Sympathieträger zu sein, ist kein Grund für einen Parteiausschluss

Ebenso wenig, kein Sympathieträger zu sein. Gusenbauer ist schon als Kanzler seiner Partei mit seiner Art der Besserwisserei auf die Nerven gegangen. Das dürfte sich, seit Interviews, in denen er Benkos Geschäftsmodell und die eigene Beratungsleistung in den Himmel lobte, nicht geändert haben. Richtig ist jedoch auch, dass Gusenbauer ein ungemein belesener Zeitgenosse ist, und er sich tatsächlich mit seiner Partei eng verbunden fühlt – das belegen auch Spenden. Zudem finanziert er ein Stipendium für Kärntner Studierende.

Bleibt die Frage, ob Gusenbauer der SPÖ schadet? Irgendwie mit Sicherheit, weil er eben ein Geschenk für Bablers Kritiker ist. Und umso mehr, wenn sich rechtliches Fehlverhalten herausstellen sollte. In der Politik sollte es aufs Tun ankommen. Hoffentlich. Andererseits ist Gusenbauer für Babler eine wiederkehrende Chance, sich von seinem Vorgänger abzugrenzen.

Ob der Ex-Kanzler seiner Partei aber auch echte Stimmen kostet, wird erst das Wahlergebnis zeigen. Gusenbauer ist ein Mosaikstein, vielleicht ein Eckstein, in den Bemühungen aller Parteien, die Konkurrenz für unglaubwürdig zu zeichnen, dass deren Worte nicht mit den Taten übereinstimmen. Wenn dies allerdings alle so machen – und alle halbwegs erfolgreich – dann neutralisieren sich die Effekte. Und ziehen die Glaubwürdigkeit von Politik insgesamt nach unten. Doch so ist eben dieses Geschäft.