Als vor vier Jahren erstmals in Österreich eine Bundesregierung aus ÖVP und Grünen angelobt wurde, sorgte das international für Aufmerksamkeit. Die „New York Times“ berichtete ausführlich über diese „unwahrscheinliche Regierung“, die italienische „Corriere della Sera“ sah ein „Referenzmodell für die Zukunft“, vor allem aber in Deutschland regte die konservativ-grüne Koalition die Fantasie politischer Beobachter an. Kaum ein Kommentar in den Medien, der dieser Verbindung nicht Charme und Vorbildwirkung attestierte. Sogar die linke „taz“ blickte damals „hoffnungsvoll“, wie sie schrieb, nach Österreich.

Die Zusammenarbeit von ÖVP und Grünen war zwar Folge spezifischer Geschehnisse wie der Ibiza-Affäre in Österreich, bediente aber auch einen Zeitgeist. Das gesamte Jahr 2019 war unter dem Eindruck extremer Wetterereignisse und Naturkatastrophen gestanden, darunter auch einer Dürre- und Hitzewelle in Europa. Die Fridays-for-Future-Bewegung war auf ihrem Höhepunkt, bei der EU-Wahl im Sommer konnten die europäischen Grünen ihre Mandatszahl um fast 50 Prozent erhöhen. Dass der Klimawandel – nun aber wirklich! – einschneidende Maßnahmen verlangt, war damals breiter Konsens. Im Dezember beschloss die EU-Kommission unter der neuen Präsidentin Ursula von der Leyen den „Green Deal“.

Es war daher naheliegend, dass in einer solchen Gemengelage den Grünen eine politische Rolle zugeschrieben und zum Teil auch gewünscht wurde. Kurz nach der Wahl wollten in Österreich 63 Prozent die Grünen in der Regierung sehen, obwohl sie nur knapp 14 Prozent erreicht hatten. Auch in Deutschland war in jener Zeit Schwarz-Grün die beliebteste Koalitionsform. „Keine Partei ist mit einem Thema derart stark verknüpft wie die Grünen mit dem Thema Umwelt“, sagt der Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien. Nicht einmal die FPÖ erreicht mit der Migration diese Werte.

Einer Verbindung mit den Konservativen, wie es sie in Österreich und Deutschland auf Länderebene bereits davor gab, wurde zugetraut, dieses zentrale Thema in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. „Die Grünen benötigen natürlich für ihre Agenden Mehrheiten, die sie selbst nicht erreichen können“, sagt Ennser-Jedenastik. Da es in den meisten EU-Staaten und auch im EU-Parlament eine starke konservative politische Kraft gibt, ist eine solche Koalition schon arithmetisch eine Option, auch wenn Mehrheiten nur mit den Grünen selten sind. In Österreich war das bisher erst zweimal der Fall (2002, 2019).

Doch der Reiz, den die türkis-grüne Regierung in Deutschland auslöste, basierte auch auf der These, dass progressive Parteien Veränderungen zwar anstoßen können, aber eben konservative Mitte-Parteien benötigen, um in der breiten Bevölkerung auf Akzeptanz zu stoßen und die Veränderung auch durchsetzen zu können. Die „Deutsche Welle“ formulierte es vor vier Jahren so: „Wird eine vernünftige Klimaschutzpolitik auch von Konservativen mitgetragen, dann verliert dieser Kulturkampf an Bedeutung.“

Eine These, die Ennser-Jedenastik nur teilweise unterstützt. Zwar würden Themen größere Relevanz erhalten, wenn sie von jenen übernommen werden, die sich bisher nicht dazu äußerten. Oder anders formuliert: Wenn die Grünen für einen Ausstieg aus fossiler Energie werben, hat dies einen geringeren Effekt, als wenn es auch Konservative tun. Doch der Politologe ist skeptisch, dass konservative Volksparteien heutzutage noch eine Vermittlungsfunktion für gesellschaftlichen Wandel ausüben. „Die ÖVP versteht sich nicht als Übersetzerpartei.“

Kompromissmaschinerie funktionierte bei Klimaschutz

Beim Klimaschutz lief das türkis-grüne Zusammenspiel in den ersten Jahren aber relativ rund. Auch Ennser-Jedenastik sieht diese Bundesregierung als die „umweltpolitisch aktivste“: Klimaticket, Ökosteuern, Erneuerbaren-Ausbau, zuletzt das Raumwärme-Gesetz zum Heizungstausch. Generell habe die Kompromissmaschinerie der Koalition gut funktioniert, ergänzt er.

Die vier Jahre offenbarten allerdings auch die Grenzen des regulatorischen Spielraums einer derartigen Konstellation. Bei öffentlichen Investitionen war die Einigkeit größer als bei Verboten. Das zeigte sich vor allem im vergangenen Jahr. Beim Raumwärme-Gesetz brachten die Grünen das bereits paktierte verpflichtende Aus fossiler Heizungen am Ende doch nicht durch. Übrigens unter anderem auch wegen der Debatte in Deutschland, bei der die CDU gegen ein ähnlich gelagertes Gesetz erfolgreich mobilisiert hatte.

Kontroversen kehrten zurück

Die Genese des Heizungsgesetzes in Deutschland betont auch die Zäsur im Verhältnis der Konservativen unter Friedrich Merz zu den Grünen. Auch die ÖVP ist in Sachen Klimaschutz rhetorisch merklich vom Koalitionspartner abgerückt, etwa in Karl Nehammers Kanzlerrede vom März 2023. Das Thema sei kontroversieller geworden, sagt auch Ennser-Jedenastik.

In Deutschland wie in Österreich scheint der Kulturkampf in Sachen Klima zwischen progressiven und konservativen Kräften zurück, wobei auch die Klimakleber zu einer Polarisierung beitragen dürften. Eine Fortsetzung dieses „Versuchslabors“, wie es die „Süddeutsche“ vor vier Jahren formulierte, ist in Österreich mangels Mehrheit unrealistisch. In Deutschland sind CDU und Grüne in Umfragen dagegen nicht weit von den 50 Prozent entfernt. Inhaltlich liegen aber wieder Welten dazwischen. Im Sommer bezeichnete Merz die Grünen als Hauptgegner seiner Partei.