Es war ein sonderbarer Termin, zu dem Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler die Chefredakteure vor ein paar Tagen ins Kanzleramt geladen hatten. Fast zwei Stunden wurde Bilanz gezogen, auch der Ausblick ins neue Jahr fehlte nicht. Kanzler und Vizekanzler versuchten, den Eindruck zu vermitteln, dass man trotz aller Differenzen ohnehin an ein und demselben Strang ziehe. Der Termin war als Hintergrundgespräch ausgewiesen, es durfte kein Zitat gebracht werden. Erlaubt war allerdings, über die vermeintliche Wohlfühlatmosphäre zwischen ÖVP und Grüne zu berichten. Wir entschieden uns, diese Frotzelei publizistisch zu ignorieren.

Noch dazu, wo der ausgerufene Weihnachtsfriede auf Sand gebaut ist. Nahezu zeitgleich sickerte durch, dass sich beide Parteien wegen des Klimaplans in den Haaren liegen. Wie sich jetzt herausstellt, handelt es sich dabei um weitaus mehr als um einen, wie es der Boulevard insinuiert, „Zickenkrieg“ zwischen Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Bekanntlich hatte Letztere das von Gewessler nach Brüssel entsandte Papier wieder zurückgeholt. Wegen Säumigkeit hat die Kommission ein Verfahren gegen Österreich eingeleitet.

„Green Deal“ trägt Unterschrift von Ex-Kanzler Kurz

Wie auch in Brüssel bestätigt wird, erfüllte nicht einmal der ursprüngliche Gewessler-Entwurf die Anforderungen. Bekanntlich hat sich EU in ihrem „Green Deal“ auf einen schrittweisen Ausstieg aus fossiler Energie bis 2050 verständigt. Konkret heißt es, dass Österreich in einem ersten Schritt seine Emission bis 2030 um 48 Prozent reduzieren muss, der Gewessler-Entwurf sieht allerdings nur ein Minus von 35 Prozent vor. Die ÖVP klagt, sie sei nicht eingebunden gewesen, die Grünen erwidern, die ÖVP habe Gewessler einfach hängen lassen und keine substanziellen Beiträge geliefert. Ob aus taktischen Gründen, weil man der Umweltministerin keinen Erfolg gönnt, oder auf Druck der Wirtschaft, sei dahingestellt.

Kanzler und Vizekanzler wären gut beraten, bald nach den Ferien in der Frage das Heft in die Hand zu nehmen und beim Klimaplan Nägel mit Köpfen zu machen, wohl unter Einbindung der Wirtschaft. Weil die ÖVP wegen des „Green Deals“ hadert: Dieser „Green Deal“ trägt übrigens die doppelte Unterschrift von Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Einmal auf EU-Ebene sowie im Koalitionsabkommen.

 

  | Nochstaatssekretär Florian Tursky
| Nochstaatssekretär Florian Tursky © APA/EXPA/JOHANN GRODER

Regierung dürfte im Frühjahr schrumpfen

Die ersten Regierungsmitglieder verlassen das sinkende Schiff, heißt es spöttisch in Wien. Selbst wenn Florian Tursky im Frühjahr bei der Gemeinderatswahl nicht zum Bürgermeister von Innsbruck gewählt wird, werde er sein Amt als Staatssekretär an den Nagel hängen, verkündete der Tiroler dieser Tage. Dem Vernehmen nach würde er nicht nachbesetzt werden, Staatssekretärin Claudia Plakom könnte die Agenden übergeben. Die Regierung bestünde dann nur noch aus 16 Mitgliedern. Sollte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler im Sommer zur EU-Kommissarin bestellt werden, wären es nur noch 15.