Der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bleibt bis heute überzeugt, dass die Bundesregierung zu Beginn der Pandemie die richtigen Maßnahmen ergriffen hat. „Wir waren alle schockiert und mit einem unbekannten Virus konfrontiert. Wir sahen die Bilder aus Norditalien und China mit den vielen Todesfällen und unser vorrangiges Ziel war es, so viele Menschenleben wie möglich zu retten“, betonte Anschober in Bezug auf die schnellen und rigorosen Maßnahmen, wie den langen Lockdown im Zeitraum von März bis Mai.

Selbsterkenntnis und die Lehren aus den Anfangstagen der Pandemie

Nachdem ihm ein Zusammenschnitt seiner wiederholten Aussage „Die nächsten Wochen werden entscheidend sein“ bei zahlreichen Pressekonferenzen während der Pandemie vorgespielt wurde, wurde Anschober nach seinen eigenen Fehlern gefragt. Er gab zu, dass er zu Beginn nicht wusste, wie lange die Pandemie andauern würde und irrtümlicherweise dachte, dass sie bald vorbei sein würde. Daher legte er besonderen Wert auf die Mobilisierung und Solidarität der österreichischen Bevölkerung. Diese Bemühungen waren erfolgreich, aber die zunehmende Parteiverpolitisierung, insbesondere durch die FPÖ, führte zu einer Spaltung der Gesellschaft und einer geringeren kollektiven Unterstützung für die Maßnahmen. Daher habe er versucht, die Lage rhetorisch zuzuspitzen.

Bei der Analyse seiner eigenen Fehler nannte der 63-Jährige vor allem das Fehlen einer angemessenen Vorbereitung zu Beginn der Pandemie. Einige Experten hatten bereits Jahre zuvor eine große Pandemie vorausgesagt, wurden jedoch nicht ausreichend ernst genommen. Außerdem wurden einige Fragen, wie der Umgang mit Schulen und Altersheimen, zu stark vereinfacht dargestellt.

Kooperation in turbulenten Zeiten und die Herausforderung der Impfkommunikation

Die Zusammenarbeit mit dem Regierungspartner ÖVP und dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz funktionierte laut Anschober zu Beginn sehr gut. In der zweiten Phase der Pandemie wurde diese Kooperation aufgrund der zunehmenden Parteiverpolitisierung jedoch immer schwieriger.

Auf die Frage, ob die Impfung zu sehr als Allheilmittel dargestellt wurde, reagierte Anschober ablehnend. Er betonte, dass es ein Fehler gewesen wäre, dieses Mittel in einem impfkritischen Österreich zu diskreditieren. Er war jedoch überrascht von der anfänglich überwältigenden Impfbeteiligung, die fast in einen Wettbewerb darüber ausgeartet sei, wer zuerst geimpft werden könne. Langfristig fehlte jedoch laut Anschober der Politik der Fokus auf Gesundheitskompetenz, und der Diskurs über Pandemiemaßnahmen wurde zu lange den Gegnern überlassen. Er betonte die Notwendigkeit, die positiven Ergebnisse der Impfung in den Gemeinden zu präsentieren und den Dialog zu fördern, um die Gesundheitskompetenz in Österreich wieder zu stärken.

Anschobers Rückblick auf seinen Rücktritt

Anschober erklärte abschließend, dass er seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen, der von vielen als Tabu angesehen wurde, heute genauso entscheiden würde. Die Pandemie erforderte besonderen Einsatz, und er konnte nicht einfach Urlaub machen, während er Verantwortung trug. Er zeigte sich zufrieden mit seinem damaligen Nachfolger Wolfgang Mückstein und nutzte die Zeit nach seinem Rücktritt, um seine Gesundheit wiederherzustellen und ein Buch über seine Erfahrungen als Gesundheitsminister während der Pandemie zu schreiben. Dennoch gab er zu, dass er grundsätzlich gerne weitergemacht hätte.

Abschließend betonte Anschober erneut, dass er in der Anfangszeit der Pandemie genau so handeln würde wie damals. Gleichzeitig erkannte er an, dass die Regierung mehr in die Pflicht genommen werden sollte und insbesondere die Opposition stärker in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden sollte. Die SPÖ und die NEOS hatten sich stets kompetent und konstruktiv verhalten.