In einer mit Spannung erwarteten Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die derzeit angewendeten Regeln für die Sicherstellung von Mobiltelefonen gegen das Recht auf Privatleben verstößt. Grundrechtseingriffe müssen verhältnismäßig sein. Die Schwere des Eingriffs darf nicht größer sein als die Bedeutung des Ziels, das erreicht werden soll, so der VfGH.
Laut den Höchstrichtern ist der Eingriff in den Datenschutz und das Privatleben besonders intensiv, weil eine Sicherstellung bereits bei einem Anfangsverdacht auf eine leichte Straftat möglich ist; zudem kann eine Sicherstellung auch gegenüber einem nicht verdächtigten Dritten erfolgen (das heißt, es kann etwa der Datenträger einer Person sichergestellt werden, allein weil sie einen Verdächtigen kennt); schließlich sind auch sämtliche Personen betroffen, deren Daten auf dem sichergestellten Datenträger gespeichert sind.
Keine Verhältnismäßigkeit
Nach Auffassung des VfGH ist die Verhältnismäßigkeit aus folgenden Gründen nicht gewahrt: Im Unterschied zu anderen Gegenständen ermögliche der Zugriff auf einen Datenträger nicht nur ein punktuelles Bild über das Verhalten von Betroffenen, sondern einen umfassenden Einblick in wesentliche Teile des bisherigen und aktuellen Lebens.
Einen Vergleich mit der Sicherstellung anderer Gegenstände sehen die Höchstrichter als verfehlt an, weil die ermittelten Daten mit anderen Daten verknüpft und abgeglichen werden können; unter Umständen können auch gelöschte Daten wiederhergestellt werden. Für Betroffene einer Sicherstellung ist nach Überzeugung der Richter zudem nicht ersichtlich, wie und vor allem welche gespeicherten Daten (etwa auch extern auf einer Cloud) ausgewertet werden bzw. ob sie mit anderen Daten verknüpft werden.
Die derzeit geltenden Rechtsmittel reichen nicht aus, um den erforderlichen Rechtsschutz der Betroffenen gegen die Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsorgane zu garantieren. Die Betroffenen haben nämlich keine Kenntnis von der tatsächlichen Vorgangsweise der Sicherheitsbehörden (Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei) bei der Auswertung und vom Umfang der ausgewerteten Daten.
Regierung strebt schnelle Reparatur an
Die aktuelle Regelung tritt spätestens am 1. Jänner 2025 außer Kraft. Erfolgt eine Reparatur des Gesetzes früher, könnte es auch schneller gehen. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) kündigte jedenfalls eine „zeitnahe“ Umsetzung an. Wichtig sei, dass eine neue Regelung die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung wahre und Ermittlungen nicht gefährde. Man habe daher schon im Vorfeld intensive Gespräche mit den Strafverfolgungsbehörden geführt.
Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) drückt aufs Tempo: „Es ist unser gesetzlicher Auftrag, dies umgehend zu korrigieren.“ Die Handydatensicherstellung müsse jetzt rasch auf neue Beine gestellt werden, weil: „Ein Handy ist kein Briefbeschwerer.“
Armenak Utudjian, der Präsident der Österreichischen Rechtsanwälte, begrüßt das Erkenntnis. Er fühlt sich in seiner Einschätzung bestätigt, dass die derzeitige Rechtslage grundrechtswidrig ist: „Ich halte es für bedauerlich, dass der Zeitraum seit der Präsentation unseres konkreten Reformvorschlags vor einem Jahr nicht genutzt wurde, um eine Neuregelung in die Wege zu leiten. Umso rascher müssen die Bundesregierung und der Gesetzgeber jetzt aktiv werden. Wir sind selbstverständlich gerne bereit, daran mitzuarbeiten“, so Utudijan zur Kleinen Zeitung.
Kärntner Manager brachte Regelung zu Fall
Ausgangspunkt des Verfahrens war die Beschwerde eines Kärntner Managers. Ihm wurde im Zuge einer Untreue-Ermittlung sein Handy abgenommen uns ausgelesen. Er sei zwar Betriebswirt, aber wie von der Staatsanwaltschaft in seinem Fall vorgegangen wurde, „das hat in mein Rechtsverständnis nicht hinein gepasst“, sagt der Manager im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Dass er in allen Punkten straffrei blieb, „zeigt, dass das Verfahren gegen mich eine andere Motivation hatte“. Dass nun auch eine rechtspolitische Weiterentwicklung erfolgte, „freut mich als Staatsbürger. Abgesehen davon, dass ich keine verfänglichen Inhalte am Handy haben kann, zeigte das Verfahren ja auch, dass sich das Höchstgericht offenbar erstmals mit dem Wesen Handy und seinen potenziellen Inhalten beschäftigt hat.“
Durch das VfGH-Erkenntnis steht nun fest: Eine so weitgehende Maßnahme wie eine Sicherstellung von Datenträgern erfordere, dass ein Richter sie genehmigt. Nur so könne überprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sicherstellung und Auswertung vorliegen und ob die Sicherheitsbehörden ihre Befugnisse überschreiten. Das Gericht habe im Fall der Bewilligung der Sicherstellung auch festzulegen, welche Datenkategorien und Dateninhalte aus welchem Zeitraum zu welchen Ermittlungszwecken ausgewertet werden dürfen.
Der vom VfGH als erforderlich gesehene Richtervorbehalt bei der Bewilligung der Sicherstellung stellte, so der VfGH, noch keinen ausreichenden Rechtsschutz für Betroffene dar. Der Gesetzgeber müsse bei der Neuregelung der Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der Betroffenen gegeneinander abwägen und in Ausgleich bringen.