Im Wiener Straflandesgericht nahm heute ein ehemaliger Finanzminister vor dem Richter Platz. Hartwig Löger (ÖVP) sollte als Zeuge Auskunft darüber geben, wie die Staatsholding Öbag bei ihrer Neuaufstellung besetzt und wie damals über Aufsichtsrat und Chefposten entschieden wurde. Und welche Rolle der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ebenfalls ÖVP) und sein Kabinettschef, Bernhard Bonelli, dabei gespielt haben. Löger beklagte dabei immer wieder fehlende Erinnerung, klar erinnern konnte er sich jedoch, dass von Kurz „kein Druck“ in Sachen Öbag-Bestellung ausgeübt worden war. Am 25. Jänner wird der Prozess fortgesetzt, dann ist mit Gernot Blümel erneut ein ehemaliger ÖVP-Finanzminister als Zeuge geladen.
Der 7. Prozesstag zum Nachlesen
Der Richter hat die Verhandlung eröffnet, Löger betritt im grauen Anzug den Saal. Er nickt in die ungefähre Richtung von Kurz und dann ins Auditorium. Der Richter weist ihn auf die Wahrheitspflicht hin und darauf, dass gegen ihn im Casag-Verfahren ermittelt wird. Auf Anraten seiner Anwälte werde er sich deshalb entschlagen, falls es zu einer Überschneidung mit dem Verfahren kommt. Er führt auf Bitte des Richters seinen beruflichen Werdegang aus, nach einem Unfall habe er seinen „Traumberuf“ als Jetpilot aufgeben müssen und sei durch Zufall in den Versicherungsbereich gekommen. Er schildert, wie er im Dezember 2017 von Kurz gefragt wurde, Finanzminister zu werden, und erklärt, nie Mitglied einer Partei gewesen zu sein – „und aufgrund meiner Erfahrungen werde ich auch kein Mitglied einer Partei mehr“. Kurzes Gelächter im Saal.
Er schildert, wie er Schmid, Kurz und Bonelli kennengelernt hat. Ihm sei damals wichtig gewesen, eine funktionierende Grundlage im Ministerium zu haben, was die Zusammenarbeit betrifft. Er habe damals ein Doppelbudget zu präsentieren gehabt, nicht viel Zeit zum Einarbeiten. Schmid sei damals sein Hauptansprechpartner gewesen, es habe klare Strukturen gegeben. Von einem Sideletter zur neuen Öbag habe er nichts gewusst.
Werde Sideletter „mein Leben lang nicht vergessen“
Er erinnert sich, dass Schmid „von Beginn an signalisiert hat, dass er sich beruflich weiterentwickeln wollte“, und er habe aus Medien erfahren, dass es ein Interesse von Schmid am Öbag-Chefposten gebe. Ihm gegenüber habe er das auch „durchaus deklariert“, interimistisch hätte dieser das aber nicht machen wollen. Eine Erinnerung daran, dass Schmid ihm gesagt hätte, Kurz’ Unterstützung für die Öbag zu genießen, habe er nicht.
„Ich werde dieses Dokument mein Leben lang nicht vergessen“, sagt Löger, als ihm der Richter den Sideletter vorlegt. Er habe diesen erst im Zuge der Ermittlungen bewusst wahrgenommen. Zur Erinnerung: Darin wurde zwischen ÖVP und FPÖ festgehalten, wie unter anderem der Vorstand der neuen Öbag bestellt werden sollte.
Dann hält der Richter Löger die ersten Chats vor, in diesem Fall zwischen ihm und Schmid. Darin sind allerlei Details zu möglichen Kandidaten zu lesen, Löger antwortete mit „Danke für die Info“. War das eine Anweisung oder lediglich eine Information, will der Richter wissen. Er habe das wohl als Information über mögliche Kandidaten gelesen, er könne sich nicht genau an den Chat erinnern.
Verhältnis zu Schmid „durchaus angespannt“
Dann wird es spannend: Der Richter hält Löger eine Aussage im Untersuchungsausschuss vor, wonach er mit Kurz nicht darüber habe sprechen müssen, ob Schmid Öbag-Vorstand werden will. „Auch der Untersuchungsausschuss ist ein Erlebnis“, sagt Löger, er habe keine Erinnerung gehabt, über eine mögliche Bewerbung für die Funktion eines Vorstandes von Schmid zu sprechen. „Thomas Schmid war ja gefordert, sich dann zu bewerben“, als der neue Vorstand konstituiert war, und sich einem Hearing zu stellen. Sein Verhältnis zu Schmid sei „durchaus angespannt“ gewesen aufgrund seiner damaligen Entscheidungen, er habe Schmids Ausführungen als „Geplänkel“ abgetan.
In der Zusammenarbeit habe es immer wieder „durchaus emotionale Reaktionen“ von Schmid gegeben, erinnert sich Löger. Er habe damals wenig Vertrauen zu Schmid gehabt und wollte deshalb einen neuen Kabinettschef. Er habe sich damals jedenfalls geärgert über die mediale Berichterstattung, dass Schmid den Öbag-Posten bekommen solle. Löger habe damals im Zuge der Bestellung „Österreich kennengelernt“, da er mit „einer Flut von Vorschlägen und Meinungen“ konfrontiert gewesen sei.
Widerspruch zu Schmid: „Kein Druck“ von Kurz
Nach einem kurzen Päuschen macht der Richter weiter mit der Bestellung des Öbag-Aufsichtsrates. Er habe die FPÖ-Kandidaten dafür nach seiner Erinnerung nicht selbst ausgesucht, er habe beim damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache nur nachgefragt, wer diese seien. Kurz habe sich in Bezug auf die Bestellung „immer wieder interessiert gezeigt“, er habe jedoch keinen „Druck“ vonseiten des Kanzlers wahrgenommen. Es sei auch wohl „unmöglich“ gewesen, hier Einfluss zu nehmen. Er könne die Aussagen von Schmid also nicht nachvollziehen.
Er hatte damals den Eindruck, dass Kurz mit Schmid „sehr eng zusammengearbeitet hat“, sagt Löger. Ihm sei klar gewesen, dass es da „eine Verbindung gibt“. Er sei aber „sehr irritiert gewesen“, dass Schmid Vorschläge für die Öbag gemacht hatte. Kurz habe damals den Unternehmer Siegfried Wolf vorgeschlagen, dazu habe es „intensive Gespräche“ gegeben. Er habe Wolf jedenfalls nicht gewollt, weil das eine Fortführung der alten ÖIAG gewesen wäre, an der Wolf bereits beteiligt war. Er und Wolf hätten dann „um das Thema herumgeturnt“, die Russland-Sanktionen seien dann ein gesichtswahrender Grund gewesen, Wolf nicht zu wählen.
„Hyperaktivität“ bei Schmid
Auch Schmid habe mehrfach erwähnt, Wolf nicht zu wollen. Wohl aus persönlichen Gründen, glaubt Löger. Und er hält erneut fest: In seiner Erinnerung habe es „keinen Einfluss von dritter Seite“, also durch das Kanzleramt, gegeben. Als die Favoritin absprang, sei bei Schmid eine Art „Hyperaktivität“ ausgebrochen, sagt Löger, und er habe zahlreiche weitere Namen in den Ring geworfen. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Schmid sei damals bereits „durchaus belastet“ gewesen.
Die Befragung schreitet voran, Löger hat den Wasserkrug vor ihm bereits ausgetrunken, ihm wird ein neuer gebracht. Der ehemalige Minister wirkt topvorbereitet, antwortet ruhig und spricht stets von Wahrnehmungen und Interpretationen, die er zu den Dingen hat. Woher dann der Name Helmut Kern kam, der spätere Aufsichtsratschef, will der Richter wissen. Der kam von Bonelli, sagt Löger. Er habe sich dann für den Vorschlag in einem Chat bedankt, weil er generell ein höflicher Mensch sei.
„Erinnerungsdilemma“
Nach einer Stunde Mittagspause setzt Richter Michael Radasztics seine Befragung fort. Er habe nur noch ein paar ergänzende Fragen, danach wäre die Anklage mit ihren Fragen an der Reihe. Es geht erneut um den Sideletter, es sei ein „Schock“ für ihn gewesen, er habe keine Erinnerung an das Schriftstück gehabt und dieses erst bei seiner Einvernahme durch die WKStA gesehen. „Ich habe hier bis heute ein Erinnerungsdilemma.“ Er habe zwar von einer Unterlage gewusst, er gehe aber bis heute davon aus, diese Vereinbarung mit Staatssekretär Fuchs unterzeichnet zu haben. Diesen Sideletter habe er aber nicht in Erinnerung gehabt.
Dann geht es um Theodor zu Guttenberg, der für den Aufsichtsrat damals ins Spiel gebracht wurde. Laut Schmid habe Kurz diesen ins Spiel gebracht, Löger kann sich auf Nachfrage auch hier nicht erinnern. Ihm sei lediglich bewusst, dass Schmid den Namen einmal ins Spiel gebracht habe. Er erinnere sich auch nicht, ob der Name aus dem Bundeskanzleramt gekommen war. Ein ehemaliger deutscher Verteidigungsminister wäre aber kein ideales Signal gewesen für die Öbag, sagt Löger heute.
Genauer erinnern kann sich Löger stets an die Rolle von Schmid. Dieser habe immer klare Vorstellungen für die Öbag und sein damaliges Kabinett gehabt. Löger habe aber damals seinen Vertrauten Rainer Rößlhuber zum Kabinettchef gemacht, nachdem Schmid im April 2019 tatsächlich zur Öbag gewechselt war. Damit beendet der Richter seine Fragen, damit ist die Staatsanwaltschaft am Wort.
WKStA ist am Wort, Löger entschuldigt Widersprüche
Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic beginnt mit der Klärung, ob Löger wirklich kein ÖVP-Mitglied sei. Immerhin sei er seit 2011 beim Wirtschaftsbund und ordentliche Mitglieder dort seien automatisch ÖVP-Mitglied. Auch hier kann er sich nicht wirklich erinnern, glaube aber, außerordentliches Mitglied zu sein. Wie sich Löger das erklären könne, dass Kurz ihn als Zuständigen für den Sideletter identifiziert hatte, wenn er doch davon nichts wusste, will der Staatsanwalt wissen. Er glaube, vom Inhalt gewusst zu haben, es habe aber genug zu tun gegeben, dass er nicht alle Absprachen kennen könne.
Löger bittet um Verständnis, dass er jetzt nicht detailliert zu allen Inhalten der „teils vier, fünf Jahre“ zurückliegenden Einvernahmen Stellung nehmen könne und dadurch eventuell Widersprüche auftauchen können. Sogar für ihn hätten sich im Aktenstudium Widersprüche aufgetan. Auffallend ist, dass sich der Zeuge vor allem dann schwer erinnern kann, wenn es um eine Form der Involvierung von Kurz geht. Bisher konnte sich nur zum Statement hinreißen lassen, dass dieser „keinen Druck“ ausgeübt habe. Damit gibt sich die Anklage nicht zufrieden und fragt noch einmal nach dem Einfluss von Kurz. Dieser habe Wolf vorgeschlagen, sonst gab es „vier Vorschläge“, aber er als Finanzminister habe die Struktur festgelegt.
Kurz deutlich unruhiger
Bei der Befragung der WKStA agiert Kurz wieder deutlich unruhiger, schüttelt mehrfach den Kopf, gestikuliert und tauscht sich mit seinem Verteidiger aus. Beide Staatsanwälte versuchen es immer wieder, unter anderem damit, dass Löger Strache als blaues Gegenüber ausmacht. Wer war es auf ÖVP-Seite, will die Anklage wissen. Doch Löger lässt sich darauf nicht ein.
Auch der Richter schaltet sich ein und will genau wissen, welcher Druck damals für die Bestellung kam. Warum habe er sich mit Kurz abstimmen müssen, wenn die Öbag-Bestellung doch seine Entscheidung war. Löger holt aus, betont mehrfach, „aus meiner Erinnerung“ zu sprechen. Genau sagen könne er das heute nicht mehr. Es geht dann erneut um Wolf für die Öbag, den er erneut als nicht geeigneten Kandidaten bezeichnet.
Erinnerung an das „Erinnerungsdilemma“
Habe Kurz gewusst, wann Löger die Entscheidung zur Nominierung der Öbag-Aufsichtsräte treffen würde? Er holt erneut aus und könne nicht für Kurz sprechen. Seine Wahrnehmung sei, dass er viele Vorschläge behandelt habe, dann sei die Einberufung einer Sitzung geplant gewesen. Er erinnere sich an sein am Vormittag ausgeführtes „Erinnerungsdilemma“, führt Löger auf eine Frage der Anklage aus.
Die Staatsanwälte beraten sich zu ihrer nächsten Frage, der Richter atmet hörbar aus. Es ist schon ein langer Sitzungstag – und bisher kein Ende in Sicht. Danach sind die Verteidiger am Wort, die beiden Angeklagten könnten danach ebenfalls noch Statements abgeben. Und eigentlich wollte der Richter heute entscheiden, ob die ominösen, von der Anklage beantragten Zeugen geladen werden, vor denen Schmid bei einem Bewerbungsgespräch gesagt haben soll, von der WKStA unter Druck gesetzt worden zu sein.
Kurz-Verteidiger fokussiert auf Schmids „Emotionalität“
Um 16 Uhr ist auch die WKStA mit ihren Fragen am Ende, Kurz-Verteidiger Otto Dietrich beginnt mit seinen Fragen. Er konzentriert sich zuerst auf die angebliche „Emotionalität“ von Schmid. Löger führt aus, dass Schmid mit den von ihm vorgeschlagenen Personen für seine Nachfolge im Finanzministerium dort weiterhin Einfluss nehmen wollte. Ihm sei auch früh bewusst gewesen, dass Schmid sich beruflich verändern wollte. Und wenig später ist schon Werner Suppan am Wort, der Verteidiger von Bonelli. Er hat Fragen zum Zeitplan der Öbag und die damalige Geschlechteraufteilung.
Und dann stellen sich auch ihm keine Fragen mehr, Löger darf gehen. Und das tut er, ohne noch einmal Richtung Anklagebank zu schauen. Die Angeklagten wollen auch kein Statement abgeben. Dann geht es um den Antrag der Verteidiger, die beiden Geschäftsmänner zu laden, vor denen Schmid von WKStA-Druck gesprochen haben soll. Die WKStA äußert sich kritisch, diese Aussagen seien nicht relevant, und sieht formale Mängel. Zudem habe es keinen Druck auf den Zeugen gegeben.
Fortsetzung am 25. Jänner
Nach einer letzten Pause entscheidet der Richter: Die beiden russischen Geschäftsmänner werden als Zeugen geladen, wohl in Form eine Videokonferenz. Die Verteidiger mögen Kontaktdaten vorlegen, denn Österreich erhalte derzeit nur sehr eingeschränkte Amtshilfe aus Russland. Weiters werden Mitglieder der damaligen Öbag-Nominierungskommission befragt, Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Unternehmer Sigi Wolf wird hingegen doch nicht geladen. Dagegen spricht sich die WKStA aus, diese modifiziert zudem den Strafantrag gegen Bonelli, er will das nächste Mal dazu Stellung nehmen.
Am 10. Jänner wird der Prozess fortgesetzt, am 25. Jänner wird dann mit Gernot Blümel erneut ein ehemaliger ÖVP-Finanzminister als Zeuge geladen.
Danke fürs Mitlesen!