Es bedurfte intensiver Gespräche auf allen Ebenen, damit Österreich die Fundamentalopposition gegen den Beitritt von Rumänien und Bulgarien zu Schengen aufgibt und, wie es ein Insider formuliert, die „Hardliner in der Regierung umgestimmt“ werden konnten. Unter dem Eindruck der hohen Asylzahlen 2022 hatten Kanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner wenige Wochen vor der Niederösterreich-Wahl überraschend ein Veto gegen die seit Monaten geplante Schengen-Erweiterung eingelegt. Ein Ja zu Schengen wäre von der FPÖ gnadenlos ausgeschlachtet worden. Ursprünglich wäre auch Kroatien vom Njet betroffen gewesen, Österreich kratzte die Kurve, um schwere diplomatische Verstimmungen mit Zagreb abzuwenden.
Spätestens im Herbst wurden, wie zu erfahren ist, Wege gesucht, um die Blockade zu lösen, denn die Gefahr war groß, dass das Veto ein zweites Jahr, bis nach der Nationalratswahl im Herbst 2024, beibehalten werden würde. Bekanntlich hatte die Kommission schon vor einem Jahr die Schengen-Reife von Bulgarien und Rumänien konstatiert. Schuld an den hohen Asylzahlen im Jahr 2022 waren nicht die beiden Länder, sondern Serbien, das Inder und andere ohne Visum nach Europa einreisen ließ, sowie Ungarn, das seinen Schengen-Verpflichtungen nicht angekommen ist und seine Flüchtlinge nach Österreich durchgewinkt hat.
In Österreich geriet der Kanzler zunehmend unter Druck der Wirtschaft, die vor allem in Rumänien groß investiert (OMV und Erdgas). Auch die Geopolitik spielte, wie es heißt, eine Rolle: In Bulgarien drohte die Regierung – zum sechsten Mal innerhalb von zweieinhalb Jahren – diesmal am Schengen-Veto zu zerbrechen, im März soll mit Eva Gabriel ein Mitglied von Nehammers EU-Volkspartei zur Regierungschefin aufstiegen. Noch dazu steht Österreich seit Freitag mit dem Veto völlig allein da: Die Niederlande haben ihren Vorbehalt aufgehoben. Hinter den Kulissen waren auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Außenminister Alexander Schallenberg, Vizekanzler Werner Kogler und die EU-Ebene in die Gespräche eingebunden.
Erfahrene Verhandler in Brüssel sollen die Idee eines zweistufigen Schengen-Beitritts ins Spiel gebracht haben. Am 31. März sollen bei Flügen von und nach Bulgarien und Rumänien alle Kontrollen wegfallen, im Herbst – nach der Nationalratswahl – auch auf dem Landweg. In einem Non-Paper wurden vom Karner die Bedingungen im Detail definiert, darunter mehr EU-Mittel für die Grenzkontrollen. Bereits beim EU-Gipfel wurden zwei Milliarden Euro (in Brüssel spricht man von den „Nehammer-Milliarden“) beschlossen. Für Österreich stellt der Wegfall der Passkontrollen im Flugverkehr kein Problem dar: Im heurigen Jahr klopften nur 150 Menschen in Schwechat um Asyl an. So gesehen ein gesichtswahrender Kompromiss für Österreich.