Es geht los, und zwar mit einer Frage von Richter Michael Radasztics an die beiden Angeklagten. Er will wissen, ob sich etwas an ihren Aussagen geändert hat. Beide schütteln den Kopf. Dann betritt Schmid den Saal, erneut blickt er die beiden Angeklagten am Weg zu seinem Platz vor dem Richter nicht an. Radasztics beginnt mit der Frage, wie Schmid den früheren Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) kennengelernt hat. Dieser wird übrigens am Montag befragt, laut Kurz soll die damalige Bestellung der ÖBAG vorrangig bei ihm gelegen haben. Wann er diesem gesagt habe, dass er selbst ÖBAG-Chef werden will, könne Schmid nicht mehr genau sagen.
Kurz-Prozess
Die gesetzliche Entscheidung sei natürlich vom Finanzminister erfolgt, sagt der Zeuge. Aber die Vorbereitung dieser Entscheidung sei, wie er bereits ausgesagt habe, eng mit Kurz und Bonelli abgestimmt worden. Kurz schüttelt den Kopf. Schmid könne sich jedenfalls nicht erklären, warum Löger dieser Darstellung widerspricht. Dieser hatte Absprachen zur ÖBAG bestritten.
ÖBAG-Führung: „Bin von Herrn Kurz gebeten worden“
Damit ist die WKStA mit ihren Fragen an der Reihe. Dies dürfte einige Stunden in Anspruch nehmen. Man beginnt mit Schmids Wahrnehmungen zum Einsatz der ÖBAG. Als die WKStA einen Chat auf die Leinwand projiziert und Schmid dazu befragt, meldet sich Kurz-Anwalt Otto Dietrich zu Wort. Dieser sei nicht im Akt enthalten. Nach einigem Hin und Her wird fortgesetzt. Darin schreibt Schmid, dass er „gebeten worden“ sei, die Führung der Staatsholding zu übernehmen. „Ja, ich bin von Herrn Kurz gebeten worden“, bekräftigt Schmid nun vor Gericht. Kurz habe sich generell für die Personalpolitik großer Unternehmen interessiert. Kurz berät sich während Schmids Ausführungen immer wieder mit seinem Verteidiger.
Kurz sei jedenfalls in alle Schritte des ÖBAG-Aufbaus eingebunden gewesen, sagt Schmid. Dass die Staatsholding auch im berühmt gewordenen „Projekt Ballhausplatz“ unter „ÖIAG neu“ Thema war, habe er erst aus den Ermittlungen erfahren. Dies zeige aber, wie wichtig Kurz das Thema war. Er selbst sei in das „Projekt“ nicht involviert gewesen.
Kein „cooler Deal“
Nun geht es um die Koalitionsverhandlungen zu den Staatsbeteiligungen, damals geführt zwischen ÖVP und FPÖ. In einem Chat zwischen Schmid und Kurz schwärmt Schmid von „echt coolen“ Gesprächen mit den Blauen, ganz anders als „mit den Roten“. Kurz bittet ihn darin, sich „wie gewohnt“ zu nehmen, was er brauche, auch ein „Du machst das echt großartig“ wird geschickt. Dass Kurz später dem angeblichen „coolen Deal“ widerspricht, kann sich Schmid nicht erklären. „In einem System Kurz wäre das denkunmöglich“, so große Entscheidungen „ohne Rückendeckung zu machen.“ Kurz sei Personalpolitik ein großes Anliegen gewesen, das habe Schmid auch begrüßt.
Schmid widerspricht in seiner WKStA-Befragung wenig später auch Blümel. Dieser habe laut Zeuge von der Zwei-Drittel-Ein-Drittel-Aufteilung zwischen ÖVP und FPÖ in Sachen ÖBAG-Spitzenbesetzung jedenfalls gewusst, Blümel hatte das bestritten. Als es um einen Chat geht, in dem von der Überzeugung von zwei Journalisten der „Kronen Zeitung“ die Rede ist, sagt Schmid: „Medien sind für die Politik grundsätzlich wichtig. Für Sebastian Kurz waren sie immer sehr wichtig.“ Kurz und jetzt auch Bonelli tauschen sich angeregt mit ihren Verteidigern aus.
Richter setzt Kurz und Bonelli auseinander
Dann geht es um Chats von Schmid an Kurz aus dem Dezember 2017, in denen auch Ex-Minister Josef Moser vorkommt. „Du bist unser Leader! Aber bitte tu mir diesen Verrückten (sic!) nicht an“, ist da zu lesen. Schmid habe Moser nicht als Finanzminister sehen wollen, in der Nachricht bezeichnete Schmid Moser als „Erbsenzähler“.
Nach einer kurzen Pause geht es weiter, Schmid beteuert, damals nie Interimschef der vorherigen ÖBIB werden zu wollen. Als der Staatsanwalt nachfragt, erklärt Schmid, dass er die Frage leider nicht verstehe, „weil hinter mir so laut gesprochen wird“. Damit meint er Kurz und Bonelli, die sich immer wieder aufgeregt mit den Verteidigern hinter ihnen unterhalten. Der Richter erklärt, dass man Schmids Tisch davor nicht verrücken könne, und setzt die beiden Angeklagten deshalb auseinander. Nun trennen Kurz und Bonelli zwei freie Stühle.
Keine „Vorträge“ der WKStA
Kurz darauf wird auch die WKStA ermahnt, nach Beschwerde von Bonelli-Verteidiger Werner Suppan, man möge doch keine Vorträge halten, bittet der Richter, „schneller zur Frage“ zu kommen. Sein wichtigster Ansprechpartner für die Postenbesetzungen sei jedenfalls auch Bonelli gewesen, gibt Schmid wenig später an. Als Schmid sagt, dass das Bundeskanzleramt bei den Bestellungen mitreden wollte, wirft Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic ein, dass es sich dabei ja um keine Person handle. Schmid überlegt kurz, „ähm, ja“, Kurz und Bonelli hätten eingebunden werden wollen. Beide Angesprochenen schütteln den Kopf.
„Die Chefrunde hat Namen mitgeteilt und die hat man dann aufgenommen“, erinnert sich Schmid in Sachen Bestellungen. Dann folgt eine erneute kurze Auseinandersetzung zwischen Verteidigung und WKStA. Beiden Verteidigern erschließt sich die Relevanz einer Spezialfrage nach Personalentscheidungen nicht, die WKStA widerspricht und darf nach richterlicher Entscheidung ihre Frage stellen.
Abkürzungen und Daumen
Nach einer Mittagspause geht es weiter mit den Fragen der WKStA. Kurz wartet stets, bis alle Kameras und Fotografen aus dem Raum sind, bevor er sich hinsetzt. Nun geht es um allerlei Detailfragen wie die Bedeutung von AR in Chats (steht laut Schmid für „Aufsichtsrat“) oder jene von geschickten Daumen. Dann kommt die Sprache wieder auf Investor Siegfried Wolf, den früheren ÖBIB-Aufsichtsratschef. Dieser habe Schmid gegenüber immer betont, wie gut er mit Kurz sei. Damit habe er wohl seine Wichtigkeit zeigen wollen, glaubt der Zeuge heute. Er sei damals wegen der Russland-Sanktionen nicht ÖBAG-Aufsichtsratsvorstand geworden, sagt Schmid.
Und wieder eine Unterbrechung der Fragen, Bonelli-Verteidiger Suppan findet es „höchst unangebracht“, dass die WKStA unklare Vorhalte mache. Adamovic sei ohnehin fertig mit besagtem Vorhalt gewesen und geht weiter. Die Befragung geht diesmal sehr ins Detail, die Anklage geht minuziös Chats durch. Es geht um weitere Aufsichtsratskandidaten wie Helmut Kern, der später Aufsichtsratspräsident wurde. Kern sei damals auch als Finanzminister im Gespräch gewesen. Das Kanzleramt habe dann mitgeteilt, dass Kern Aufsichtsratschef wird.
Kurz-Unterstützung „sehr, sehr sicher“
Dann wiederholt Schmid erneut, dass Kurz ihn immer wieder dazu ermutigt habe, sich als ÖBAG-Chef zu bewerben. Er sei sich seiner Unterstützung „sehr, sehr sicher“ gewesen. Dass er dann in einem Medium als Fixstarter für den Posten genannt worden war, sei ihm unangenehm gewesen. Wer öffentlich gehandelt wird, werde es oft nicht. Dann geht es um sein FPÖ-Gegenüber Arnold Schiefer, der Ex-ÖBB-Finanzchef hatte im Prozess als erster Zeuge ausgesagt. Dieser habe die damaligen Vereinbarungen nicht verschriftlichen wollen, das sei ihn ihm ausgegangen, erinnert sich Schmid. Die FPÖ habe sich damals „gelegt“ gefühlt.
Schmid widerspricht nicht nur den Angaben von Kurz, sondern auch jenen von Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), der am kommenden Montag als Zeuge befragt wird. Dieser hatte ausgesagt, dass er damals keine Wahrnehmung dazu gehabt habe, dass Schiefer einen Zweiervorstand für die ÖBAG wollte. „Er hat es unterschrieben und in den Tresor gelegt“, sagt Schmid.
Kein Ende in Sicht
Nach einer kurzen Pause verkündet der Richter, dass die Anklage bei ihrem letzten Themenblock sei, danach kommen erneut die Verteidiger zu Wort und auch die beiden Angeklagten können noch Stellungnahmen zu Schmids Aussagen abgeben. Man könne also mit weiteren zweieinhalb bis drei Stunden Verhandlung rechnen. Nach weiteren Detailfragen der WKStA will diese wissen, wie das Kommunikationsverhältnis zwischen Kurz und ihm war. Es habe sich um ein „intensives Arbeitsverhältnis“ gehandelt, er habe sich gemeldet, wenn er etwas gebraucht habe. Man sei auch Abendessen und Wandern gewesen und man sei auch essen gegangen.
Dann geht es um die berühmte „Prätorianer“ Nachricht von Schmid an Kurz, in der er ihm seine Solidarität versichert, nachdem Kurz ihm „eine Kopfwäsche“ verpasst habe. Es sei darum gegangen, dass ihn Schmid nicht die ganze Zeit Leute an den Hals hetzen solle. Damit sind die Staatsanwälte nach mehr als sieben Stunden Befragung fertig. Kurz-Anwalt Dietrich hat Folgefragen. Unter anderem beantragt er die Beschaffung von Chats zwischen Schmid und dem „Krone“-Journalisten Claus Pandi, um zu klären, was er mit diesem in Hinblick auf seine Bestellung besprochen habe. Schmid hatte eingeräumt, sich mit diesem offen und oft via Nachrichten unterhalten zu haben.
Kurz-Anwalt will weitere Chats
Am Ende stellt Dietrich einen Antrag, wonach weitere Chats von Schmid beschafft werden sollen, die aufzeigen sollen, dass dieser als Zeuge unglaubwürdig agiere. Dabei geht es unter anderem um einen Chat, in dem er seiner Assistenz ein „Oh Gott. Reisen wie der Pöbel“ schickt, als er seinen Diplomatenpass abgeben muss. Zudem beantragt Dietrich die Befragung von drei Zeugen, vor denen Schmid in einem Bewerbungsgespräch gesagt haben soll, dass die WKStA ihn unter Druck gesetzt habe.
Bevor darüber entschieden wird, ist Bonelli-Anwalt Suppan an der Reihe. Dazu kündigt er an, Schmid einen Ministerantrag vorlegen zu wollen, aber nur teilweise, „wie die WKStA, die auch immer nur teilweise vorlegt“. Der Richter beantwortet das mit einem Rüffel, der Verteidiger möge süffisante Fragestellung unterlassen. Der Richter greift immer wieder ein, lässt Fragen nicht zu oder fragt nach der Relevanz. Den Rest beantwortet Schmid, merklich ermüdet.
Bonelli mit Powerpoint, Kurz erklärt Message-Foto
Nach neun Stunden Befragung wird Schmid entlassen, er verlässt den Saal, ohne Kurz und Bonelli anzuschauen. Letzterer meldet sich mit einem Statement zu Wort, es ist kurz vor 19 Uhr. Mit einer Powerpoint-Präsentation will er darstellen, wie so ein ÖBAG-Aufsichtsrat bestellt wird. Er galoppiert durch die Folien, Kurz will im Anschluss kein Statement abgeben. Doch der Richter hat noch Nachfragen, also muss er noch einmal vor ihm Platz nehmen. Er will Details zu jenem Abend, als Kurz im ORF war und ihm Schmid eine selbstlöschende Nachricht geschickt haben soll, in der er Kurz zum Auftritt gratuliert. Er habe das abfotografiert, weil es „eine angespannte Stimmung“ gegeben habe dank der Hausdurchsuchungen. Da habe man das Gefühl gehabt, dass sich Schmid „wirklich etwas hat zuschulden kommen lassen“. Er sei schlicht vorsichtig geworden.
Das Misstrauen war schon so groß, obwohl Schmid erst später um den Kronzeugenstatus angesucht hatte, will der Richter wissen. Kurz holt aus, er habe mit ihm gut zusammengearbeitet, aber es habe Kritik in seinem Umfeld an ihm gegeben. Es habe immer mehr Dinge gegeben, die seltsam waren. Die WKStA will nun auch noch eine Frage stellen und will wissen, wer im Hintergrund der abfotografierten Nachricht zu sehen ist. Bonelli habe das Foto aufgenommen.
Der Richter entscheidet am Ende noch über von der Verteidigung gestellte Anträge, die Pandi-Chats werden nicht herbeigeschafft, dies könne eine Umgehung des Redaktionsgeheimnisses sein. Stattgegeben wird dem Antrag, dass weitere Chats herbeigeschafft werden sollen, die in anderen Medien zitiert wurden.
Um kurz vor halb 8 und damit nach zehn Stunden Prozess wird die Verhandlung geschlossen. Am Montag geht es weiter mit Lögers Befragung. Blümels Befragung wurde auf den 25. Jänner verschoben.
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