Beim Begriff „Weisung“ läuten in Österreich Alarmglocken, wenn es um die Justiz geht. Dieser wird nicht länger als üblicher Vorgang im Rahmen einer hierarchischen Behörde wahrgenommen, sondern grundsätzlich als illegitimer Eingriff dunkler Mächte. Das Justizministerium, nicht zuletzt unter Amtsinhaberin Alma Zadić (Grüne), hat zu diesem Eindruck nicht unwesentlich selbst beigetragen. Nun gerät sie wegen einer solchen Weisung selbst ins Visier des Koalitionspartners, der ÖVP.
In der Causa geht es um die deutsche Klimaaktivistin Anja Windl, die sich im November mit einer Mischung aus Quarzsand und Superkleber auf der Fahrbahn festbetoniert hatte. Sie war daraufhin festgenommen und in die Justizanstalt Josefstadt überstellt worden. Einen von der Staatsanwaltschaft gestellten U-Haft-Antrag lehnte das Landesgericht Wien ab.
Die Anklagebehörde wollte dagegen Beschwerde einbringen, wurde jedoch von der innerministeriellen Fachaufsicht, der Sektion V, per Weisung aufgefordert, von der Einbringung einer Beschwerde Abstand zu nehmen. Das Thema U-Haft ist für Windl damit vom Tisch.
ÖVP vermutet ideologisch motivierte Weisung
Diesen Vorgang nutzt nun die ÖVP, um die Justizministerin zu kritisieren. Unterstellt wird, dass das grün geführte Ministerium eine Ökoaktivistin schütze. So zeigt sich Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner „höchst irritiert“: Es „entsteht der Eindruck, dass Klimakleber in diesem Land Narrenfreiheit genießen. Das ist fatal.“ Auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker fordert „Aufklärung über die mutmaßlich ideologisch motivierte Intervention durch eine Weisung“.
Das Büro der Ministerin versucht unterdessen, zu beruhigen: Die Fachaufsicht habe selbständig und unabhängig in der Sache so entschieden, weil die Beschwerde der Staatsanwaltschaft aus rechtlicher Sicht keine Erfolgsaussicht gehabt habe. Die Ministerin selbst wie auch der Weisungsrat seien erst im Nachhinein über den Vorgang informiert worden. Der unabhängige Weisungsrat soll sich in seiner nächsten Sitzung mit dem Thema beschäftigen.
Ermittlungen laufen weiter
Abgesehen von der Weisung gegen die Beschwerde gehen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien in der Sache selbst weiter. Diese ermittelt gegen die Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung (Paragraf 278 StGB), weil sich Protestierende mit einer Sand-Superkleber-Mischung auf der Südautobahn und am Wiener Ring festbetoniert hatten.
Damit hätten die Proteste ein neues Niveau erreicht. Der Anfangsverdacht gründet sich darauf, dass Autobahnen sowie Verkehrsknotenpunkte als Teile der kritischen Infrastruktur schwer beschädigt worden seien. Zudem habe es schweres Gerät erfordert, um die Aktivistinnen und Aktivisten von der Straße zu lösen.