Die Kritik an der Gesundheitsreform von Minister Johannes Rauch (Grüne) reißt nicht ab. Konkret stoßen sich die gesundheitspolitische Plattform „Praevenire“, die Krebshilfe und der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) weiterhin am neuen Bewertungsboard für teure neue Medikamente, die in den Spitälern zum Einsatz kommen – es drohe eine Verschlechterung der Patientenversorgung. Das Gesundheitsministerium ist um Beruhigung bemüht.

Die Pharmig moniert, dass bei der Besetzung des Gremiums fachmedizinische Expertise und Patientenorganisationen ausgeklammert seien. Zwar seien drei Pharmakologen vorgesehen und könnten gegebenenfalls medizinische Expertinnen und Experten beigezogen werden, aber das bilde die notwendige fachspezifische Perspektive nur äußerst bedingt ab. „Damit entscheiden dominant Personen über den Einsatz von Therapien, die das eigentlich gar nicht können und die vielmehr einen wirtschaftlichen und keinen medizinischen oder patientenorientierten Blick auf die Therapien haben“, meinte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog am Samstag in einer Aussendung.

Pharmig warnt vor schlechterer Versorgung

„Wenn es nicht mehr den behandelnden Ärztinnen und Ärzten obliegt, gemeinsam mit Betroffenen über den Einsatz einer Therapie zu entscheiden, sondern einem mehrheitlich patientenfernen und fachfremden Board in einem monatelangen bürokratischen Prozess, wird das die Versorgung definitiv verschlechtern“, warnte Herzog. „Entweder werden Therapien verzögert verfügbar gemacht oder sogar überhaupt verhindert. Das ist gerade bei so schweren Krankheiten wie beispielsweise Krebs oder seltenen Erkrankungen fatal, wo jeder Tag für die Patientinnen und Patienten zählt.“

Das geplante Bewertungsboard wäre auch ein falsches Signal in Richtung Arzneimittelforschung, glaubt Herzog. „Fakt ist, dass klinische Forschung vermehrt in jenen Ländern stattfindet, die einen raschen und frühen Zugang zu neu entwickelten Therapien ermöglichen, und zwar durch entsprechend förderliche Rahmenbedingungen. Ist das nicht der Fall, kann dies dazu führen, dass innovative Therapien erst später, eingeschränkt oder gar nicht verfügbar werden. Diese Gefahr besteht durch das Bewertungsboard.“

Gesundheitsministerium um Beruhigung bemüht

Drastisch fiel auch einmal mehr die Kritik des Salzburger Onkologen Richard Greil im Rahmen eines Hintergrundgesprächs der Plattform „Praevenire“ aus, über das mehrere Zeitungen am Samstag berichteten. „Das ist mit Abstand der größte Anschlag auf die Versorgung der Krebspatienten, den ich in meiner Laufbahn erlebt habe“, meinte Greil. Mit dem Board würden Länder und Sozialversicherungen festlegen, wie viel menschliches Leben kosten dürfe. „Der Zugang zu Therapien darf nicht beschränkt werden“, forderte auch Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Angelika Widhalm, Vorsitzende des Bundesverbands Selbsthilfe Österreich, bemängelt etwa, dass in dem Gremium Vertreter der Patientenanwaltschaft kein Stimmrecht haben, auch sie befürchtet „unethische und unmenschliche Entscheidungen auf rein ökonomischer Basis“. „Es darf nicht nach ökonomischen Kriterien bewertet werden. Das kann ein Todesurteil sein“, unterstrich auch ÖGK-Obmann Andreas Huss in den „Salzburger Nachrichten“.

Das Gesundheitsministerium war gegenüber dem „Kurier“ um Beruhigung bemüht: So hat man laut einer Sprecherin zuletzt noch Änderungen vorgenommen, wonach auch die Länder- und Kassenvertreter einen medizinischen oder pharmakologischen Hintergrund aufweisen müssen. „Die Empfehlungen des Boards können – müssen aber nicht – von den Spitalsträgern übernommen werden“, betonte die Sprecherin außerdem. Die ursprünglich geplante Verpflichtung sei wieder gestrichen worden. An der Besetzung des Gremiums in der derzeitigen Form will man festhalten. Wann genau das Bewertungsboard seine Arbeit aufnimmt, ist noch offen.