Die kommenden Untersuchungsausschüsse werden wohl tatsächlich in Ton und Bild übertragen werden. Die ÖVP hat am Dienstag ihren Meinungsschwenk bestätigt und konkretisiert. Man hoffe auf eine „zeitnahe Lösung“, sagte Generalsekretär Christian Stocker. Das Auftauchen des heimlichen Mitschnitts eines abendlichen Restaurantbesuchs des kürzlich verstorbenen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek habe die ÖVP umdenken lassen.
Der Generalsekretär sagte auch, dass die ÖVP früher einer Übertragung gegenüber skeptisch war, um die Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen wahren zu können. Von den Befragungen in U-Ausschüssen werden zwar auch öffentlich einsehbare Protokolle angefertigt, Bild- und Tonaufnahmen sind aber bis dato nicht erlaubt. In der Wahrnehmung der ÖVP sei in der Öffentlichkeit nun aber die heimliche Aufnahme von Pilnacek höher bewertet worden als die Protokolle seiner Befragung in U-Ausschüssen. „Hätten wir von diesen Befragungen Bild und Ton gehabt, wäre die Angelegenheit sofort erledigt gewesen“, sagte Stocker.
Man werde nun mit den anderen Fraktionen die bereits vorgebrachten Vorschläge diskutieren. Und anders als früher wird die ÖVP dies unabhängig von übrigen Reformwünschen beim U-Ausschuss sehen. „Wir trennen diese Frage von allen anderen Fragen, in denen auch Reformbedarf besteht“, betonte Stocker.
In der ORF-Sendung „Im Zentrum“ hatte Stocker am Sonntagabend sinngemäß erklärt, dass er es grundsätzlich für sinnvoll hält, alle Befragungen öffentlich zu halten. Am Dienstag sagte Stocker, der im Zivilberuf Rechtsanwalt ist: „Wenn ein Jurist ,grundsätzlich‘ sagt, meint er ,mit Einschränkungen‘.“ Der Entwurf der Neos schränkt die öffentlichen Befragungen auf „oberste Organe des Bundes und Länder“ ein, wobei der pinke Vize-Klubchef Nikolaus Scherak auch über weitergehende Formulierung diskutieren will, die generell Personen von öffentlichem Interesse umfasst.
Zwei Streitpunkte
Stocker will „Privatpersonen“ von der Übertragung ausschließen:. „Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist wichtig.“ Diese Frage könnte noch zum Knackpunkt werden. So wäre die Befragung von Thomas Schmid, da dieser nur Beamter und dann Öbag-Manager, aber nicht „oberstes Organ“ war, nicht öffentlich gewesen, obwohl das öffentliche Interesse damals enorm war (Schmid verweigerte alle Auskünfte). Auch eine Befragung von René Benko würde wohl großes Medienecho auslösen, der (ehemalige?) Signa-Chef bekleidete aber nie ein politisches Amt.
Ein weiterer Streitpunkt: Die Neos haben vor drei Jahren eine zeitversetzte Übertragung vorgeschlagen, um bei persönlichkeitsrechtlich heiklen Fragen eingreifen zu können. SPÖ und FPÖ wollten bisher Liveübertragungen. Im Vorfeld der ÖVP-Pressekonferenz zeigten sich die Neos jedenfalls erfreut über den türkisen Schwenk. „Es ist an der Zeit, das zu machen“, sagte Scherak.
Kritik der Neos an „U-Ausschuss-Orgie“
Kritik übten die Neos allerdings an den beiden bevorstehenden U-Ausschüssen, die der Generalsekretär Douglas Hoyos als „Orgie an U-Ausschüssen“ bezeichnete. Der Antrag der Opposition zur Prüfung der für Covid-Hilfen zuständigen Cofag werde „in kindischer Manier“ von der ÖVP gekontert, sagte Hoyos. „Besonders erstaunt uns, dass die ÖVP diese Schlammschlacht auf dem Rücken der Wirtschaft durchführen und alle 240.000 Unternehmen, die Hilfen bekommen haben, untersuchen will.“
„Das wollen wir nicht“, konterte Andreas Hanger, zuletzt Fraktionsführer der ÖVP im U-Ausschuss. „Wir nehmen uns nur das Recht heraus, auch Unternehmen mit Nähe zur FPÖ und SPÖ zu untersuchen“, sagte Hanger. Daher habe man im Verlangen zum U-Ausschuss die Fragestellungen zur Cofag vom rot-blauen Antrag gespiegelt, werde aber nur zu diesen Parteien fragen.
Der Artikel zur Kritik der Neos wurde nach der Pressekonferenz der ÖVP grundlegend aktualisiert.