Gabriel Felbermayr, Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), hat in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag der Bundesregierung preissenkende Maßnahmen empfohlen, um der Inflation wirksamer entgegenzuwirken. Die umstrittene KIM-Verordnung, die Kredite erschwert und gegen die vor allem die ÖVP zu Felde zieht, sollte nach Ansicht des Ökonomen „evaluiert“ werden. „Es gibt einen Einbruch beim Neubau. Dann ist es schon fraglich, ob man das noch extra verschärfen muss“, sagte Felbermayr.
Der Wifo-Leiter erläuterte in der „Pressestunde“ auch, warum sich sein Institut lange gegen direkte Preiseingriffe gestemmt, diese Sichtweise später aber revidiert hatte. Anfangs sei die Teuerung in Österreich unter dem EU-Durchschnitt gelegen, so Felbermayr. Deshalb habe man der Politik geraten, den Menschen direkt zu helfen, statt in die Energiepreise einzugreifen. „Gegen Ende 2022 hat sich das gedreht und wir lagen mit der Inflation über der Eurozone.“
Felbermayr hatte im Frühjahr 2023 auch zur Einführung einer Mietpreisbremse geraten, die von der Regierung verhandelt wurde, dann aber doch nicht kam. Diese Maßnahme, so Felbermayr, sei zwar auch „hochproblematisch“. Aber langfristig schwäche eine höhere Inflation als andere EU-Länder die Wettbewerbsfähigkeit, weil auch die Löhne nachziehen. „Daher empfehlen wir jetzt, stärker in die Preise reinzugehen“.
Eine Senkung der Mehrwertsteuer hält der Ökonom aber nicht für das richtige Instrument, da es empirische Forschung gebe, wonach die Preise langfristig nicht im Ausmaß der Steuersenkung reduziert werden und die Kosten für den Staat dafür auch hoch seien. „Es gibt aber noch eine Reihe von Instrumenten, die Inflationsdynamik zu senken.“ Felbermayr nannte etwa auch Preiskommissionen, um öffentlich Druck aufzubauen. Eine goldene Lösung gebe es aber nicht. Die Senkung der Mehrwertsteuer sei die Ultima Ratio, wenn alles andere nicht helfe.
Die Unsicherheit der Industrie
Das Wifo prognostiziert für 2024 eine leichte Erholung der Wirtschaft, getragen durch eine Erhöhung des privaten Konsums. Voraussetzung dafür sind aber auch entsprechend gute Lohnabschlüsse. Felbermayr wunderte sich allerdings über das „Vorpreschen des Staates“, sowohl bei der Pensionserhöhung als auch bei den Kollektiverträgen für den öffentlichen Dienst, wo steuerlich begünstigte Einmalzahlungen ausblieben. Der Staat machte also nicht einmal selbst vom Bonus des Finanzministers Gebrauch.
Dass es sich in den Metaller-Verhandlungen derart spießt, führt Felbermayr auf die Unsicherheit in der Branche zurück und die Sorge, langfristig an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Hohe Abschlüsse wirken zwar gegen die Rezession, erhöhen allerdings auch wieder die Inflation. Es sei absehbar, so Felbermayr, „dass es auch im nächsten Jahr eine höhere Ausgangsbasis gibt und die Löhne erneut stärker steigen“. Für die Industrie ist das langfristig ein Problem.
„Das Schlimme ist die hohe Unsicherheit jetzt“, sagte Felbermayr. Auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland, dass nicht verbrauchte Corona-Hilfen aufgrund der Schuldenbremse nicht für Klimaschutz-Investitionen genützt werden können, sei keine gute Nachricht für Österreich. „Investitionen sind wichtig, sie brauchen aber Sicherheit.“ Dass die geplanten Milliarden-Förderungen in Deutschland durch die Entscheidung des Höchstgerichts infrage stehen, „bedeutet für Österreichs nichts Gutes“.
Pensionen: „Es ist jetzt tatsächlich Zeit, grundlegend neu nachzudenken“.
Die Bauwirtschaft ist bereits in massiven Schwierigkeiten. Die ÖVP drängt seit Monaten darauf, die sogenannte KIM-Verordnung, die die Kreditaufnahme erschwert, deutlich zu lockern oder gänzlich aufzuheben. Diese Vergaberegeln sollen allzu riskante Kreditgeschäfte verhindern und den Finanzmarkt stabilisieren. Dies müsse man auch im Blick haben, sagte Felbermayr im ORF. „Aber bremst die Verordnung stärker? Ist sie nicht pro-zylisch, also verschärft sie?“ Die ÖVP habe einen Punkt in ihrer Argumentation, deshalb sollte die KIM-Verordnung geprüft werden, sagte Felbermayr.
Der Ökonom regte auch an, die Finanzierungsregeln in Österreich zu ändern. Derzeit haben viele Kreditnehmer mit variablen Zinsen durch die Kreditentwicklung ein massives Problem. „Bei uns kann man rasch aus einem Fixzinskredit aussteigen, die Bank kann das nicht, die sich den Fixzinskredit daher doppelt und dreifach überlegt.“ In Deutschland sei der Anteil von festverzinsten Krediten wesentlich höher.
Kurz ging Felbermayr auch auf die budgetäre Lage in Österreich ein, speziell auf die Entwicklung der Pensionszahlungen. „Je mehr die Pensionsdynamik davonläuft, desto geringer ist die Chance, die Abgabenlast zu verringern“, sagte der Ökonom. Denn die Steuerbelastung des Faktors Arbeit sei in Österreich sehr hoch, die Demografie lasse nun die Pensionszuschüsse stark ansteigen. „Es wäre jetzt tatsächlich Zeit, grundlegend neu nachzudenken.“