Österreich wird nicht gut regiert. Intellektuell ausgelaugt, ohne neue Ideen, taumeln Österreichs Parteien von einer Krise in die nächste, verkaufen Wähler für blöd und geben Geld aus, als gäbe es kein Morgen.

Insbesondere in der Wirtschaftspolitik rächt sich das. Argentinien war 1900 eines der reichsten Länder der Welt. Vor 60 Jahren noch hatte es ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als Österreich; heute verdienen Argentinier weniger als ein Fünftel als wir. Die reichsten Länder können verarmen, wenn sie jahrzehntelang schlecht regiert werden.

Eine gute Maßzahl für den Wohlstand ist der Realwert des verfügbaren Nationaleinkommens – also was tatsächlich ausgegeben oder gespart werden kann, bereinigt um Inflation und Währungsschwankungen. In der Schweiz ist dieses Nationaleinkommen seit 2008 um 40 Prozent gewachsen; in Österreich nur um 5 Prozent. Egal, was die Politik an „Leistung“ posaunt: Österreich stagniert.

Daher müssen wir Österreich neu erfinden. Das wird schwer. Aber man kann viel von anderen Ländern abschauen. Der Blick in die erfolgreiche Schweiz lohnt sich besonders. Einige Rezepte der benachbarten Eidgenossenschaft lassen sich gut übernehmen.

Schulden sichern keinen Wohlstand

Die Idee, dass durch Schulden finanzierte, hohe Staatsausgaben Wohlstand sichern, ist Unsinn. Österreich hatte in den letzten 60 Jahren ein einziges Mal kein Defizit; die Schweiz hat regelmäßig Überschüsse, bei wesentlich niedrigeren Steuern. Die Staatsverschuldung der Schweiz beträgt dieses Jahr 37 Prozent des BIP; Österreichs ist doppelt so hoch. Besonders unverantwortlich ist Österreichs Pensionssystem. In den kommenden 5 Jahren muss der Staat € 160 Milliarden einschießen, weil die sehr hohen Pensionsabgaben der Werktätigen die ausbezahlten Pensionen bei Weitem nicht decken – eine Art Doppelbesteuerung der jetzt Aktiven, die dafür in Zukunft sicher nicht so hohe Pensionen bekommen wie die heutigen Pensionisten.

Video: Ideen, die dieses Land besser machen

In der Schweiz sind die sozialen Netze gut ausgebaut und die Infrastruktur, von der Bahn bis zum Wasser, hervorragend. Das beruht auf einem klaren Verständnis, dass es pragmatische Wirtschaftspolitik braucht: wenn der Wohlstand wächst, können Umverteilung und Investitionen nachhaltig finanziert werden. Dementsprechend werden Unternehmen nicht besteuert und reguliert, bis es kracht; die Politik ist zurückhaltender.

Eine andere Verantwortungskultur

Ein kleines Land kann Spitzenuniversitäten wie die ETH haben. Rund um solche Einrichtungen entstehen viele Startups und bauen große Unternehmen wie Google, Apple und Disney wichtige Standorte auf – mit vielen, sehr gut bezahlten Arbeitsplätzen.

Wenn in Österreich ein Politiker unfähig ist, kann er trotzdem jahrzehntelang im Parlament sitzen, solange ihn seine Partei auf einen wählbaren Platz setzt. In der Schweiz gibt es auch das Verhältniswahlrecht, und Listen; die Wähler können sie aber leicht umsortieren. Dafür gibt es die schönen Begriffe „panachieren“ und „kumulieren“. Wähler können Kandidaten auch streichen. Abgeordnete, die ihren Wählerinnen rechenschaftspflichtig sind, nicht ihren Parteichefinnen, sind eher geneigt, seriöse Politik zu betreiben. Die vom Volk gewählten Politiker in der Schweiz sind auch bodenständiger als die von Partei-Apparaten ausgesuchten in Österreich.

In Österreich schwärmen wir oft von den Vorzügen der direkten Demokratie in der Schweiz. Es gibt sie, aber sie sind über Jahrzehnte gewachsen. Auch in Österreich sollte diese Kultur wachsen. Anfangen sollten wir mit Volksabstimmungen in Gemeinden und Bundesländern: Es muss leicht sein für Bürger, die Entscheidungen von Bürgermeistern und Landeshauptleuten zu revidieren. In dem Maße, in dem wir uns an dieses Instrument gewöhnen, sollten wir es dann auch auf nationaler Ebene einsetzen. Direkte Demokratie muss als Gesellschaft erlernt werden, sonst kann sie leicht missbraucht werden.