Das heimlich aufgenommene Tonband, auf dem der mittlerweile verstorbene einstige Justiz-Sektionschef Vorwürfe gegen die ÖVP erhoben hatte, lässt nun die Behörden tätig werden. Die Staatsanwaltschaft Wien prüft derzeit einen Anfangsverdacht wegen versuchter Bestimmung zum Amtsmissbrauch. Das wurde der Kleinen Zeitung von der Staatsanwaltschaft bestätigt.
Bei den Vorwürfen geht es darum, dass der vor kurzem verstorbene Ex-Sektionschef Christian Pilnacek in privater Runde in einem Lokal darüber sprach, dass Sobotka ihm vorgeworfen habe, Ermittlungen nie abgedreht zu haben. Das Gespräch vom vergangenen Sommer wurde heimlich aufgenommen und in den vergangenen Tagen mehreren Medien zur Verfügung gestellt. Der Sprecher des Präsidenten hatte schon am Dienstag die Darstellung Pilnaceks zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob überhaupt ein Verfahren eingeleitet werden soll. Auch die mögliche Zuständigkeit soll dabei geklärt werden. Möglich ist etwa, dass auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den Fall übernehmen könnte. Vorerst prüft die Staatsanwaltschaft Wien, ob überhaupt Ermittlungen eingeleitet werden. Zum einen geht es um die Aufnahme selbst und einen möglichen Verstoß gegen Paragraf 120 des Strafgesetzbuches (Missbrauch von Tonaufnahmegeräten). Zum anderen aber auch um den Inhalt der Aufzeichnung. Geprüft wird hier das Delikt der Anstiftung zum Amtsmissbrauch, hieß es zur Kleinen Zeitung. Insgesamt wurden zwei Akten angelegt.
Die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV) nutzte die Causa am Donnerstag, um auf die noch ausstehende Umsetzung des vorliegenden Entwurfs zur Schaffung einer Generalstaatsanwaltschaft aufmerksam zu machen. Diese sei dringend notwendig „um auch eine klare strukturelle Trennung von Politik und Justiz an der Weisungsspitze zu gewährleisten.
Der Entwurf sieht vor, dass künftig nicht mehr der Justizminister bzw. die Justizministerin an der Spitze der Weisungskette der Staatsanwälte steht, sondern eine unabhängige Generalstaatsanwaltschaft. Bisher scheiterten die koalitionsinternen Verhandlungen vor allem an der Spitze der Generalstaatsanwaltschaft, an der sich die Grünen (wie auch die Staatsanwälte) einen Dreier-Senat wünschen. Die ÖVP hätte hingegen gerne eine Einzelperson, den sogenannten „Bundesstaatsanwalt“ bzw. die „Bundesstaatsanwältin“. „Bereits der Anschein, dass auf ein Ermittlungsverfahren Einfluss genommen werden könnte, schadet dem Ansehen der Justiz massiv“, betonte StAV-Präsidentin Cornelia Koller.
Sobotka: Vorwürfe entsprechen „in keinster Weise der Wahrheit“
Sobotka selbst hat am Donnerstag zu Beginn der Plenarsitzung des Nationalrats die in den vergangenen Tagen gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Sie entsprächen „in keinster Weise der Wahrheit“, sagte der Parlamentschef in einer kurzen Erklärung. Er habe zu keiner Zeit Einfluss auf Ermittlungen, laufende Verfahren oder Sicherstellungsanordnungen genommen. FPÖ und SPÖ, aber auch der grüne Koalitionspartner legten Sobotka den Rücktritt nahe. Abgewählt werden kann der Nationalratspräsident nicht.
Hintergrund ist ein an die Medien gelangtes, heimlich aufgenommenes Gespräch in einem Restaurant, in dem der ehemalige Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek von Interventionen berichtete, eben unter anderem durch Sobotka. Dieser unterstrich im Plenum, dass er im Untersuchungsausschuss unter Wahrheitspflicht dargestellt habe, auf keine Ermittlungen Einfluss genommen zu haben. Seine Tätigkeit will er fortsetzen und das Amt nach den gesetzlichen Vorschriften und nach bestem Wissen und Gewissen ausüben.
Kickl widmete gesamte Rede Sobotka
Die Erklärung Sobotkas, die am Abend zuvor in einer Sonderpräsidiale mit den Fraktionen vereinbart worden war, hatte vor allem seitens der Freiheitlichen heftige Reaktionen zur Folge. Einerseits hielten die blauen Abgeordneten, inklusive des Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer, Schilder mit „Sobotka muss weg“ in die Höhe, andererseits widmete FPÖ-Chef Herbert Kickl seine gesamte Rede zum budgetären Unterkapitel Frauen und Familie Sobotka. Seit den Chats wisse man, dass sich die ÖVP auch selbst als „Familie“ sehe.
Die Rede Kickls hatte eine heftige Auseinandersetzung mit der Volkspartei zur Folge. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker vermutete, dass die Aufnahme im Zusammenhang mit der FPÖ entstanden sei. Er nannte Kickl „nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern auch ein Risiko für die Demokratie“.